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       # taz.de -- Pegida in Dresden: „Das erinnert an 1992“
       
       > Die Zivilgesellschaft muss den Teilnehmern der Demos vermitteln, dass das
       > Zusammenleben mit „Anderen“ sie nicht bedroht, sagt Simone Rafael.
       
   IMG Bild: Verblen... Geblendete Patrioten
       
       taz: Frau Rafael, am Montag haben sich in Dresden rund 5.500 Menschen bei
       Minusgraden versammelt, um „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ zu
       demonstrieren. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf? 
       
       Simone Rafael: Das ist keine große Überraschung. Die Angst um das
       „Abendland“ und vor den „Anderen“, die die Organisatoren für sich
       reklamieren, ist ein klassisch rechtspopulistischer und rechtsextremer
       Topos. Im Netz wird der von Parteien und Bewegungen seit Jahren verwendet.
       
       Aber warum wird das gerade jetzt so massiv sichtbar? 
       
       Die Hogesa-Demo in Köln war eine Art Initialzündung dafür. Dort gab es zwar
       kein großes Programm und wenig Redebeiträge – es ging eher um ein
       gewaltorientiertes Gemeinschaftserlebnis. Aber es war eine Frage der Zeit,
       bis sich einige Leute das nutzbar machen würden. Das ist jetzt in Dresden
       passiert.
       
       Vordergründig ging es gegen die „Islamisierung“, was die Veranstaltung bis
       ins bürgerliche Spektrum hinein anschlussfähig macht. Aber worum geht es
       tatsächlich? 
       
       Erst mal wird gesagt: Wir sind keine Rassisten, wir machen uns nur Sorgen.
       Da wird der Anschein besorgter Bürger gewahrt, der absolut anschlussfähig
       auch für diejenigen ist, die etwa nicht auf eine Veranstaltung der NPD
       gehen würden. Dennoch geht es um klassisch rechte Themen: Es wird ein
       Bedrohungsszenario gezeichnet gegenüber Flüchtlingen und Ausländern –
       angeblich aus Angst um die eigene Meinungsfreiheit.
       
       Nach dem Motto: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen? 
       
       Ja. Und sobald Kritik an den Parolen geübt wird, wird das als Beleg dafür
       genutzt, dass Demokratie und Freiheit angegriffen werden. Das ist natürlich
       Quatsch: Es geht nur um die Freiheit der eigenen Bezugsgruppe. Ein
       klassisch rechtspopulistischer Schachzug ist dabei, dass Migranten als
       Kronzeugen aufgerufen werden: Dadurch, dass sich etwa der Dresdner
       Organisator Lutz Bachmann darauf beruft, dass sein Trauzeuge Migrant ist,
       macht er Dinge sagbar, die für ihn sonst weniger leicht sagbar wären.
       Schließlich liegt in den Veranstaltungen durchaus ein
       Gemeinschaftserlebnis: Den meisten ist klar, dass sie etwas vertreten, das
       nicht der Mehrheitsmeinung entspricht. Da tut es gut, sich inmitten von
       vielen dem eigenen Standpunkt zu versichern.
       
       Bundesweit gibt es mehrere Strömungen: „Friedensmahnwachen“, Hogesa,
       Pegida. Was ist ihre Schnittmenge? 
       
       Es ist das aufgeladene Wutbürgertum, aus dem all diese Veranstaltungen
       entspringen. Darüber hinaus unterscheiden sie sich in Nuancen. Die
       „Mahnwachen“ bedienen sich weniger bei den Themen Islam und Flüchtlinge,
       sondern eher in der verschwörungstheoretischen Ecke und im Antisemitismus.
       Bei den Demos gegen Asylheime, der Hogesa oder Pegida ist es ein
       rassistisches Milieu, das ins Bürgertum hineinreicht. In
       Berlin-Marzahn-Hellersdorf, wo vorgestern 800 Leute auf der Straße waren,
       haben auch NPD und Kameradschaftsszene mobilisiert und das lokale Potenzial
       der Anwohner vor Ort genutzt – also auch deren Ängste.
       
       Woher kommen diese Ängste? 
       
       Sie sind vollkommen irreal. In Sachsen etwa sind 0,1 Prozent der Bürger
       Muslime, und kriminelle Flüchtlinge spielen keine Rolle. Aber die
       Argumentation in Medien und Politik, die rassistische Stereotype wiederholt
       und diese Ängste schürt, zieht sich quer durch die Gesellschaft. Dieses
       Jahr war Horst Seehofer der Erste, der sagte, er fürchte Armutszuwanderung
       – das erinnert stark an „Das Boot ist voll“ von 1992. Und der sächsische
       Innenminister reagierte auf die Pegida, indem er sagte: Dann müsse jetzt
       eben eine Task-Force gegen kriminelle Flüchtlinge gebildet werden. Durch
       die Wiederholung solcher Stereotype werden Ängste geprägt und verstärkt.
       
       Was kann man gegen Pegida und andere rechte Demos tun? 
       
       Gegenveranstaltungen sind sehr wichtig, schon allein, um den
       TeilnehmerInnen nicht das Gefühl zu geben, dass sie in der Mehrheit wären
       und die Zivilgesellschaft schweigt. Zudem ist es auch auf politischer Ebene
       sinnvoll, sich dagegen auszusprechen.
       
       Aber auch, wenn letztlich beides dazu führen würde, dass solche
       Veranstaltungen keinen großen Zulauf mehr bekommen, heißt das nicht, dass
       das Gedankengut dahinter verschwindet. So schwer es also auch ist: Wir
       müssen versuchen, den Leuten ihre Ängste zu nehmen. Ihnen zu vermitteln,
       dass ein Miteinander eine Bereicherung ist – und Menschen, die „anders“
       leben, kein Angriff auf das, was ihnen wichtig ist.
       
       3 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patricia Hecht
       
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