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       # taz.de -- EuGH untersagt Homo-Tests: Grundrechte müssen beachtet werden
       
       > Der Europäische Gerichtshof schützt die Rechte verfolgter Homosexueller
       > bei der Prüfung ihrer Glaubwürdigkeit: Homo-Tests sind unzulässig.
       
   IMG Bild: Morddrohungen gegen Homosexuelle in Uganda.
       
       FREIBURG taz | Wer sich im Asylverfahren auf seine Homosexualität beruft,
       darf zwar auf seine Glaubwürdigkeit geprüft werden. Dabei sind aber die
       Grundrechte, insbesondere die Menschenwürde der Antragsteller zu beachten.
       Dubiose Homo-Tests sind deshalb unzulässig. Das erklärte am Dienstag der
       Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Grundsatzurteil.
       
       Konkret ging es um drei Fälle aus den Niederlanden. Die Männer, deren
       Identität und Herkunft der EuGH vertraulich behandelte, stellten
       Asylanträge, weil sie in ihrem Heimatland Verfolgung aufgrund ihrer
       Homosexualität befürchteten. Die Anträge wurden jeweils abgelehnt, weil die
       individuelle Homosexualität von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht
       worden sei.
       
       Dabei war ein Antragsteller sogar bereit, auf Anforderung eine homosexuelle
       Handlung durchzuführen, um seine sexuelle Orientierung zu belegen. Ein
       anderer legte den Behörden ein Video vor, das ihn bei homosexuellen
       Handlungen mit einem anderen Mann zeigt.
       
       Gegen die Ablehnung der Asylanträge klagten die Männer dann aber mit dem
       Argument, es müsse im Asylverfahren genügen, dass ein Antragsteller sich
       auf seine Homosexualität beruft. Da diese ohnehin nicht wissenschaftlich
       sicher nachgewiesen werden könne, sei eine Überprüfung durch die Behörden
       unzulässig.
       
       Der niederländische Raad van State (Staatsrat), die höchste Instanz der
       dortigen Verwaltungsgerichte, hatte den Fall dem EuGH vorgelegt. Der
       Luxemburger EU-Gerichtshof sollte klären, welche Vorgaben das EU-Recht für
       nationale Asylverfahren macht.
       
       ## Grundrechte müssen beachtet werden
       
       Der EuGH stützte sich dabei vor allem auf die Asyl-Qualifikationsrichtlinie
       von 2005 und die EU-Grundrechte-Charta. Danach genügt die bloße Aussage
       eines Antragstellers, er sei homosexuell, allein noch nicht den
       Anforderungen. Die Behörden könnten diese Aussage durchaus durch Nachfragen
       überprüfen. Dabei müssten sie aber die Grundrechte des Betroffenen
       beachten.
       
       Wenn sich Aussagen nicht durch Unterlagen nachweisen lassen, müsse es
       genügen, wenn das Vorbringen „kohärent und plausibel“ ist und der
       Asylbewerber insgesamt glaubwürdig erscheint. Die Behörden dürfen aber
       keine Einzelheiten zu den präferierten sexuellen Praktiken abfragen, dies
       verstoße gegen den Anspruch auf Achtung des Privatlebens.
       
       Auch psychologische und andere Tests zu den sexuellen Vorlieben seien
       unzulässig, so der EuGH, da sie gegen die Menschenwürde verstießen. Bis vor
       wenigen Jahren gab es in Tschechien noch phallometrische Tests bei
       Antragstellern, die sich auf ihre Homosexualität beriefen. Dabei wurde der
       Blutfluss im Penis gemessen, während sie sich Hetero-Pornos anschauen
       mussten. Tschechien hatte die Tests nach internationalen Protesten erst
       2010 aufgegeben.
       
       ## Auch freiwillig vorgelege Videos sind nicht zulässig
       
       Die Behörden dürften auch die freiwillige Vorlage von Videos, die eigene
       homosexuelle Handlungen zeigen, nicht akzeptieren, erklärten die
       EuGH-Richter. So sei schon der Beweiswert fragwürdig, weil sich eine
       dauerhafte sexuelle Orientierung so nicht belegen lasse. Wenn solche
       Beweise jedoch in Einzelfällen akzeptiert würden, könnte dies auf andere
       Antragsteller Druck ausüben nun selbst auch solche Filme oder Fotos
       vorzulegen.
       
       Ein homosexueller Asylbewerber ist auch nicht deshalb unglaubwürdig, wenn
       er keine Homosexuellen-Vereinigungen kennt. Die Fragen der Behörden dürften
       nicht auf Stereotype abzielen, so die Richter. Nicht jeder Schwule muss
       also ein Aktivist sein.
       
       Auch ein verspätetes Vorbringen der Homosexualität mache einen Asylbewerber
       nicht unglaubwürdig. Es sei nämlich verständlich, so der EuGH, dass jemand
       zögert, solche intimen Aspekte des Lebens zu offenbaren. (Az.: C-148/13)
       
       2 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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