URI: 
       # taz.de -- US-Prozessauftakt nach Todesschüssen: „Wir brauchen eine saubere Jury“
       
       > Mit der Auswahl der Geschworenen hat am Montag in den USA der Prozess um
       > den Tod des deutschen Austauschschülers Diren begonnen.
       
   IMG Bild: Angehörige und Freunde von Diren Dede bei einem Trauermarsch im Mai in Hamburg.
       
       MISSOULA taz | Diren Dede war in der Nacht zum 27. April mit einem anderen
       Austauschschüler in seinem Wohnviertel in der Universitätsstadt unterwegs
       gewesen. Sie hätten sich gelangweilt, und Diren habe in der halb
       offenstehenden Garage nach etwas zu trinken gesucht, sagte sein Freund der
       Polizei. Mit dem Klauen von Bier, auch als Garage-Hopping bekannt,
       vertreiben sich manche Teenager in Missoula die Zeit.
       
       Der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Andrew Paul fragte am Montag die
       potenziellen Geschworenen, ob auch bei ihnen schon eingebrochen worden sei.
       Fast ein Dutzend berichtete von Diebstählen und geknackten Autos. Viele
       sagten, sie hätten seinerzeit die Polizei gerufen oder das Ganze als dummen
       Streich abgetan.
       
       K. dagegen war nach zwei früheren Einbrüchen wütend. Er drohte laut Zeugen
       beim Frisör, er werde die Kids erschießen, die ihn bestohlen hätten. Als
       ein Eindringling den Bewegungsmelder in seiner Garage auslöste, packte er
       seine Schrotflinte und feuerte vier Schüsse ins Dunkle. Einer davon
       verletzte Diren tödlich am Kopf.
       
       Die Staatsanwaltschaft wirft dem Schützen vor, er habe die Garage
       absichtlich halb offen stehen lassen, und eine Handtasche als Köder
       ausgelegt. Ein paar Wochen zuvor waren ihm Wertsachen und Marihuana
       gestohlen worden. Zwei andere Jugendliche haben diese Tat inzwischen
       gestanden.
       
       In Montana und vielen anderen US-Bundesstaaten dürfen die Bürger tödliche
       Gewalt gegen vermeintliche Angreifer anwenden. Sie müssen einem Konflikt
       nicht ausweichen oder die Polizei rufen. Allerdings muss nachvollziehbar
       sein, dass sie um Leib und Leben fürchten mussten – ein dehnbarer Begriff.
       K. drohen bei einer Verurteilung mindestens zehn Jahre Haft.
       
       ## Waffenbesitz nicht in Frage stellen
       
       Was vor dem Bezirksgericht nicht zur Debatte steht, ist der in Montana weit
       verbreitete Besitz von Schusswaffen. Von zwei Dutzend potenziellen
       Geschworenen gab gut die Hälfte an, eine Waffe für die Jagd oder zum
       Selbstschutz zu besitzen. „Wir stellen hier das Recht auf Waffenbesitz
       nicht in Frage“, beeilte sich der Staatsanwalt zu versichern.
       
       Bezirksrichter Ed McLean appellierte an die zur Auswahl geladenen
       Jury-Mitglieder, unparteiisch an den Fall heranzugehen. „Wir erwarten, dass
       Sie alle Informationen, die Sie bisher gehört haben, ignorieren“, sagte er
       in Anspielung auf die breite Berichterstattung in den Lokalmedien. Die
       Verteidigung hatte vergeblich versucht, eine Verlegung des Verfahrens zu
       erreichen, mit dem Argument, die Bevölkerung im liberalen Missoula sei
       gegen den Angeklagten voreingenommen. „Wir brauchen eine saubere Jury, und
       das ist schwierig“, sagte Strafverteidiger Paul Ryan.
       
       Ryan fragte die potenziellen Geschworenen, was sie vom Fall Ferguson
       hielten. Eine Frau sagte, sie habe von allen Seiten widersprüchliche
       Versionen der Ereignisse gehört. „Man muss dabei gewesen sein, um wirklich
       zu wissen was dort geschah.“ Die anderen Mitglieder des Jury-Pools
       schlossen sich dieser Lesart an.
       
       Für den Prozess mussten zwölf Geschworene und drei Ersatzleute ausgewählt
       werden. Im Gerichtssaal verfolgten Celal und Gülcin Dede, die Eltern des
       erschossenen Jugendlichen, die Befragung des Jury-Pools. Gülcin Dede trug
       ein T-Shirt mit der Aufschrift, „Du wirst immer in unseren Herzen
       weiterleben.“
       
       Der Ausgang des auf drei Wochen angesetzten Verfahrens ist völlig offen. In
       Montana kommen Fälle, bei denen Notwehr angenommen wird, selten vor
       Gericht. In dem Viertel, in dem Diren erschossen wurde, sind K. und seine
       Familie heute nach den Worten des Anwalts weitgehend isoliert. K. verlor
       kurz nach der Tat seinen Job als Feuerwehrmann beim Forstdienst. Dass er
       wegen Körperverletzung vorbestraft ist, darf erst in Betracht gezogen
       werden, wenn der Richter im Anschluss an den Spruch der Geschworenen das
       Strafmaß festsetzt.
       
       2 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henriette Löwisch
       
       ## TAGS
       
   DIR Diren Dede
   DIR Todesschuss
   DIR USA
   DIR Missoula
   DIR Waffen
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Urteil
   DIR Diren Dede
   DIR USA
   DIR Diren Dede
   DIR USA
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Missoula
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Ferguson
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR USA
   DIR Austauschschüler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Rassismus und Polizeigewalt: Ferguson ist überall
       
       Der Umgang mit dem rassistischen Sumpf, der in Ferguson an die Oberfläche
       trat, wird entscheidend für den Frieden in den USA sein. Ein erster Schritt
       ist getan.
       
   DIR 70 Jahre für Todesschützen von Diren: „Sie gingen auf die Jagd“
       
       Markus Kaarma hat einen deutschen Austauschschüler in den USA erschossen –
       und sich auf Notwehr berufen. Er muss 70 Jahre in Haft.
       
   DIR Täter im Diren-Prozess verurteilt: „Lang lebe die Gerechtigkeit“
       
       Markus K. des Hamburger Austauschschülers Diren Dede wird von einer US-Jury
       schuldig gesprochen. Das könnte für alle Bundesstaaten Folgen haben.
       
   DIR Prozess im Todesfall Diren Dede: „Bumm, bumm, bumm, bumm“
       
       Die Anklage warf Markus K. vor, den deutschen Austauschschüler Diren Dede
       gezielt getötet zu haben. Aus dem Gerichtssaal in Missoula.
       
   DIR Prozess im Todesfall Diren Dede: Der Hausbesitzer war froh
       
       Die Staatsanwaltschaft wirft dem angeklagten Hausbesitzer vor, den
       17-jährigen Diren vorsätzlich erschossen zu haben. Das Gericht spielt
       Telefonmitschnitte vor.
       
   DIR Prozess im Todesfall Diren Dede: Rückhalt für die Eltern
       
       Vater und Mutter des getöteten Hamburgers sind zum Gerichtsverfahren in die
       USA gekommen. Viele Einwohner der Stadt Missoula äußern ihr Mitgefühl.
       
   DIR Obama zu Rassismus in den USA: Tief in der Gesellschaft verwurzelt
       
       Nach wiederholten Fällen von Gewalt weißer Polizisten gegen Schwarze wird
       in den USA über die Ursachen diskutiert. Das Grundproblem liegt auf der
       Hand.
       
   DIR Erschossener Austauschschüler Diren: Angeklagter drohte mit Mord
       
       Vier Tage vor dem Tod des Hamburger Schülers in Montana soll der Angeklagte
       erklärt haben, Jugendliche töten zu wollen. In seine Garage war
       eingebrochen worden.
       
   DIR Polizeigewalt in den USA: Würgegriff im Ermessen der Polizei
       
       Ein Polizist würgte einen Schwarzen zu Tode – eine Grand Jury entschied,
       keine Anklage zu erheben. Überall in den USA kommt es zu Protesten.
       
   DIR Michael Browns Stiefvater unter Verdacht: Emotionen oder Aufrufe zu Gewalt?
       
       Die Polizei ermittelt gegen den Stiefvater des erschossenen Michael Brown.
       Er hatte vor Demonstranten in Ferguson wütende Ausrufe von sich gegeben.
       
   DIR Tod von Michael Brown in Ferguson: Todesschütze quittiert Polizeidienst
       
       Der Polizist, der in Ferguson Michael Brown erschoss, ist freiwillig aus
       der Behörde ausgeschieden. Aus Sicherheitsgründen, wie er sagt.
       
   DIR Debatte Polizeigewalt in Ferguson: Verkommene Standards
       
       Die Entscheidung der Grand Jury im Fall Michael Brown setzt den
       Notwehrexzess als legitimierte Regel fest. Sie trifft damit vor allem
       Schwarze.
       
   DIR Erschossener 12-Jähriger in den USA: Polizist schoss sofort
       
       Ein Polizist erschoss in Cleveland einen Zwölfjährigen, der eine
       Spielzeugpistole in den Händen hielt. Nun zeigt ein Video irritierende
       Details zur Tat.
       
   DIR In den USA getöteter Austauschschüler: Auch in Deutschland wird ermittelt
       
       Der US-Schütze ist gegen Kaution frei und klagt über Morddrohungen. Der
       Vater des 17-jährigen Diren holt aus den USA die Leiche.
       
   DIR Austauschschüler in den USA getötet: Vier Schüsse ohne Vorwarnung
       
       Ein Hausbesitzer hat in Montana einen Austauschschüler aus Deutschland
       erschossen. Die Behörden ermitteln wegen vorsätzlicher Tötung.