# taz.de -- Kommentar Mindesthilfe: Sorglos im Ländle? Von wegen
> In Berlin sind viermal soviele Einwohner auf staatliche Beihilfen
> angewiesen wie in Baden-Württemberg. Furcht vor einem Abstieg herrscht
> aber auch dort.
IMG Bild: In Deutschland ist jedeR Zehnte auf sogenannte staatliche „Mindestleistungen“ angewiesen – und auf kostenfreie Sozialeinrichtungen, wie hier in Hamburg.
Wer in Berlin lebt, aber öfter in die wohlhabenden Städte nach
Baden-Württemberg fährt, fühlt sich manchmal wie auf einer Reise in ein
anderes Land, in die Schweiz vielleicht. Erkennbar arme Menschen sind im
Straßenbild der Innenstädte erheblich seltener zu sehen als in der
Hauptstadt. Der bürgerliche Bekanntenkreis in Baden-Württemberg kennt
Hartz-IV-Empfänger meist nur vom Hörensagen.
Das Statistische Bundesamt hat erhoben, dass die Quote der Menschen, die
von irgendeiner Art der staatlichen Mindestsicherung leben, in Berlin
viermal so hoch ist wie in Baden-Württemberg. Das südliche Bundesland weist
andererseits auch die bundesweit höchste Zahl an Selbstanzeigern auf, also
an Reichen, die sich selbst wegen Steuerbetrug anzeigen, um einer
Strafverfolgung zu entgehen.
Die regionalen Unterschiede erzeugen unterschiedliche Klischees. Man schaut
vom Süden her auf Hartz-IV-Empfänger in den nördlichen Stadtstaaten gern
mal mit Misstrauen, als ob das Ghettos wären, wo die Leute zu viel Party
machen und sich bestenfalls mit einer staatlich gestützten Parallelökonomie
durchwurschteln. Aus Sicht des Nordens wiederum gilt der Süden mit dem
boomenden Arbeitsmarkt als privilegiert, wo man nichts Besseres zu tun hat,
als über Ökoautos und Fußgängerzonen zu streiten.
Doch diese Klischees könnten an Bedeutung verlieren. Die Zahl der
Grundsicherungsempfänger im Alter ist, obwohl noch sehr gering, auch im
Süden im Steigen begriffen. Auch dort gibt es Scheidungen, Flexijobs, auch
dort greift die Rentenreform mit in der Folge niedrigeren Ansprüchen. Im
Alter ist man auf die Sozialkassen angewiesen. Die Sorge vor dem Abstieg im
Alter könnte daher ein politisches Thema werden, das die Regionen in
Zukunft wieder näher zusammenbringt.
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2 Dec 2014
## AUTOREN
DIR Barbara Dribbusch
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