URI: 
       # taz.de -- Neues Verkehrspilotprojekt: Begegnung am Poller
       
       > In Schöneberg und Kreuzberg sollen zwei Straßen probehalber zu
       > Leuchttürmen der Fußgänger- und Radfahrerfreundlichkeit werden.
       
   IMG Bild: Platz da!
       
       Berliner Verkehrsteilnehmer dürfen sich auf Begegnungen der dritten Art
       freuen: In der Schöneberger Maaßenstraße steht die erste der vom Senat
       beschlossenen „Begegnungszonen“ kurz vor ihrer Umsetzung, für das Pendant
       in der Kreuzberger Bergmannstraße startet demnächst die Bürgerbeteiligung.
       Wenn alles gut läuft, werden Konflikte in diesen stark beanspruchten
       Straßen abnehmen, die Aufenthaltsqualität wird steigen – ein neues
       Gestaltungsprinzip der Verkehrsplanung wäre geboren.
       
       Ob es funktioniert, muss sich freilich erst einmal zeigen. In der
       Maaßenstraße sollen noch vor Jahresende die Aufträge an Straßenbaufirmen
       vergeben werden, im August 2015 wäre die Begegnungszone dann fertig. Das
       verkündete am Freitag der scheidende Senator für Stadtentwicklung und
       künftige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bei der Vorstellung
       der geplanten Maßnahmen. Das Land investiert rund 750.000 Euro in das
       Schöneberger Vorhaben. Die Begegnungszonen sind Bestandteil der 2011
       beschlossenen „Fußverkehrsstrategie“ des Senats, sie werden zusammen mit
       den jeweiligen Bezirksämtern sowie unter Beteiligung von Anwohnern und
       Nutzern entwickelt.
       
       In der nur 200 Meter kurzen Maaßenstraße, die Nollendorf- und
       Winterfeldtplatz verbindet, reiht sich ein gastronomischer Betrieb an den
       nächsten, besonders bei gutem Wetter und an Wochenenden sind massenhaft
       Fußgänger unterwegs. Durch verschiedene Gestaltungselemente sollen sie nun
       deutlich mehr Platz bekommen, während Kraftfahrzeuge ausgebremst werden.
       Dazu wird mit Markierungen und Pollern eine Fahrgasse abgesteckt, die Auto-
       und Fahrradfahrer sich teilen sollen. Die gewonnenen Ränder kommen den
       Passanten zugute.
       
       An zwei Kreuzungs- bzw. Mündungsbereichen – am Winterfeldtplatz und an der
       Nollendorfstraße – sollen grüne Flächen und weiße Schraffuren auf dem
       Asphalt den Autofahrern signalisieren, dass hier besondere Rücksicht
       gefordert ist. Darauf weisen auch eigens entworfene Schilder an den Enden
       der Straße hin. In der Begegnungszone gilt Tempo 20, und an einer zentralen
       Stelle wird die Fahrspur so verengt, dass nur jeweils ein Fahrzeug sie
       passieren kann. Parkplätze soll es auf der Maaßenstraße keine mehr geben,
       nur noch Haltezonen für den Lieferverkehr.
       
       Noch immer werden die Berliner „Begegnungszonen“ mit dem in den
       Niederlanden entwickelten Konzept des „Shared Space“ in einen Topf
       geworfen. Dabei sind die Unterschiede größer als die Gemeinsamkeiten. Denn
       der „geteilte Raum“ soll in seiner Reinform quasi ohne Regeln
       funktionieren. Der Gedanke dahinter: Durch das erhöhte Unsicherheitsgefühl
       entsteht am Ende objektiv mehr Sicherheit, weil alle besser aufpassen.
       Andererseits verträgt sich Unsicherheit nicht unbedingt mit
       Aufenthaltsqualität, und auch für behinderte Menschen wie Blinde oder
       Gehörlose bedeutet ein Shared Space eine potenzielle Gefahr, zumindest aber
       Stress. Formal betrachtet handelt es sich bei den neuen Berliner
       Begegnungszonen um „verkehrsberuhigte Bereiche“ – mit Fahrspuren,
       Tempolimits und Parkverboten.
       
       Der westliche Abschnitt der Bergmannstraße zwischen Mehringdamm und
       Marheineke-Markthalle ist mit 500 Metern deutlich länger als die
       Maaßenstraße. Die Kontroversen im Planungsprozess, der jetzt unter
       Beteiligung der Bürger beginnt und über das gesamte nächste Jahr andauern
       wird, zeichnen sich jetzt schon ab. Bei einer Debatte mit
       Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) und Kreuzbergs Baustadtrat
       Hans Panhoff (Grüne) prallten in der letzten Woche die unterschiedlichsten
       Auffassungen aufeinander. Die einen klagten über den Autoverkehr, der sich
       seit Öffnung der Axel-Spinger-Straße am Nordrand von Kreuzberg über
       Zossener und Friesenstraße durch den Kiez wälzt, andere fluchten über
       Radfahrer, die sich an keine Regeln halten, und manche erklärten sich mit
       dem Ist-Zustand ganz zufrieden.
       
       Eines ist jetzt schon klar: Alle Maßnahmen sollen mit möglichst einfachen
       Mitteln umgesetzt werden. Weil Tiefbau- und Asphaltarbeiten, so Stadtrat
       Panhoff, „sauteuer“ sind, weil sie lange dauern und weil sie nicht so
       leicht zu revidieren sind, wenn es doch nicht so klappt wie gedacht.
       
       Von den ersten Erfahrungen in Maaßen- und Bergmannstraße könnte die dritte
       und vorerst letzte Begegnungszone profitieren: Sie soll am Checkpoint
       Charlie entstehen. Nach jetzigem Stand werden die Planungen jedoch erst im
       Jahr 2016 aufgenommen.
       
       30 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prösser
       
       ## TAGS
       
   DIR Falschparken
   DIR Friedrichshain-Kreuzberg
   DIR Begegnungszone
   DIR Begegnungszone
   DIR Infrastruktur
   DIR Fahrrad
   DIR Tempolimit
   DIR Fahrrad
   DIR Fahrrad
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kostenpflichtige Parkplätze: Blechen lohnt sich!
       
       In immer mehr Vierteln müssen Autofahrer jetzt Parkgebühren bezahlen.
       Bezahlparkplätze sind dabei nur Symptom für die wachsende Stadt: Es wird
       eng auf unseren Straßen.
       
   DIR Wenn BürgerInnen diskutieren: Die Partizipation ist eine Brezel
       
       In Kreuzberg ist die Kritik zu Hause. Beim Thema „Begegnungszone
       Bergmannstraße“ lässt die Politik deshalb alle mitreden. Aber auch das hat
       seine Tücken.
       
   DIR Begegnungszone Bergmannstraße: Niemand mag Geschlängel
       
       Im Bürgerdialog zur Begegnungszone Bergmannstraße gibt es Kritik an den
       ersten Entwürfen – aber auch konstruktive Mitarbeit.
       
   DIR Umgestaltung der Bergmannstraße: Fremdeln in der Zone
       
       Am Dienstagabend geht die Bürgerbeteiligung zur „Begegnungszone“ in der
       Kreuzberger Bergmannstraße in die zweite Phase. Gegen das Projekt regt sich
       Widerstand.
       
   DIR Straßenbau in Deutschland: Noch ein Genosse der Bosse
       
       Eine von Sigmar Gabriel einberufene Kommission will große Teile der
       Infrastruktur privatisieren. Ist das Werbung für seine Kanzlerschaft?
       
   DIR Promillegrenze für Radfahrer: Dobrindt bleibt bei 1,6 Promille
       
       Experten fordern schon länger eine niedrigere Promillegrenze für Radfahrer.
       Der Bundesverkehrsminister hält nun dagegen.
       
   DIR Nachruf auf Tempo-30-Erfinder: Ein Störenfried im besten Sinn
       
       Der Sozialwissenschaftler und ökologischer Vordenker mischte sich ein mit
       antikapitalistischer Verve und sanfter Menschenfreundlichkeit.
       
   DIR Radfahrer in Berlin: Bei allem, was rechts ist
       
       Rechtsabbiegende Autos sind eine der größten Gefahrenquellen. Wie können
       Unfälle vermieden werden? Eine Tour rund um den Alexanderplatz.
       
   DIR Schnee, Eis, Winter: Endlich Fahrradzeit
       
       Die Finger sind kalt, die Straßen glatt, und da ist niemand zum Überholen.
       Überhaupt ist da nichts – außer Glück.