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       # taz.de -- Bremer Hannah-Arendt-Preis: Fickt Putin mit Arendt!
       
       > Der Bremer Hannah-Arendt-Preis geht diesmal an KünstlerInnen, die das
       > russische Establishment provozieren - die Band Pussy Riot und den
       > ukrainischen Dichter Juri Andruchowytsch.
       
   IMG Bild: Für die Freiheit: Solidaritätsdemo für Pussy Riot im August 2012 in Kiew.
       
       BREMEN taz | Leider, leider hat der eine Preisträger, Juri Andruchowytsch,
       seine wilde [1][Performance-Zeit] weitestgehend hinter sich und tritt bei
       den Lesungen mehr so im Anzug auf. Und leider, leider kommen die
       Pussy-Riot-Frauen Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina nicht nach
       Bremen: Deshalb verheißt die [2][Hannah-Arendt-Preis]-Vergabe an diese drei
       möglicherweise mehr Spektakel, als sie am kommenden Freitag wirklich wird
       einlösen können. Was schade ist, denn im Medium des Happenings wäre die
       enge Geistesverwandtschaft von [3][Bu-Ba-Bu]-Literat Andruchowytsch und
       Pussy-Sängerinnen deutlich geworden.
       
       Denn so von außen könnte man ja denken: Suhrkamp-Autor und
       Punk-Aktivistinnen haben wenig gemein, außer dass Putin ihr Feind ist. Sie
       zusammenzupacken würde dann eher von einer politischen Absicht der Jury und
       des Hannah-Arendt-Preis-Vereins zeugen, als der Namenspatronin oder den
       Geehrten irgendwie gerecht zu werden. Und es gibt ja auch große
       Unterschiede. So scheint Andruchowytsch das für Aljochina und Tolokonnikowa
       elementare Genderthema recht fremd.
       
       Doch beide treffen sich im Neo-Dadaismus, der die Autoritäten aus Politik,
       Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen provoziert. Denn „[4][fickt] die
       Sexisten, die verfickten Konformisten“, wie es Aljochina und Tolokonnikowa
       ausdrücken, bedeutet letztlich: „Fickt die Sexisten, die verfickten
       Putinisten!“ Die künstlerische Rebellion aber deckt, besser als alles
       andere, eine subkutane Verbindung zwischen gegenwärtigen und historischen
       Bewegungen in Osteuropa auf: Die Aktionen der Literaten-Gruppe „Bu Ba Bu“
       prägten die ukrainische Unabhängigkeitsbewegung der späten 1980er-Jahre
       mit, sie gehörten wieder zu den Euro-Maidan-Protesten, und sie ähneln in
       ihren Inszenierungen des Absurden den Guerilla-Interventionen der
       Russinnen.
       
       Pussies und Bubabuisten lassen also in der Wahl ihrer künstlerischen Mittel
       die Bewegungen als verwandt und revolutionär im Sinne Arendts erkennen –
       als Bewegungen nämlich, deren „Ziel heute wie eh und je nichts anderes sein
       kann, als eben die Freiheit“. Und die zwar als „Ergebnis sehr bestimmter
       Ereignisse und Taten von Menschen, die man namhaft machen kann“ zu erkennen
       sind – aber eben nicht von außen gesteuert oder gar organisiert, keine
       Verschwörung. Sie sind Orgasmus, reines Ereignis, und sei es nur der
       Aufstand einer übergeschnappten Metro-Kassiererin in Kiew, die „durch ihr
       Fensterchen einem besonders aufdringlichen Klienten den Bleistift ins Auge
       bohrt“, wie Andruchowytsch in seiner „kleinen intimen Städtekunde“
       beobachtet, als er sich, auf der Suche nach einem Klo, versehentlich in die
       U-Bahn verirrt.
       
       29 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://vk.com/video-1068523_23363608
   DIR [2] http://www.boell-bremen.de/arendt/home.html
   DIR [3] http://www.ukrlib.com.ua/encycl/sovr_g/printout.php?number=2
   DIR [4] http://www.youtube.com/watch?v=wFzqd7F2U5k
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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