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       # taz.de -- Protestbewegung in Italien: Die Zacken der Fünf Sterne bröckeln
       
       > Nach den für Beppe Grillo und seine Partei katastrophalen Regionalwahlen
       > droht die Spaltung der Gruppe. Grillo hat einen ernstzunehmenden
       > Gegenspieler.
       
   IMG Bild: Wird von einigen Abgeordneten für seinen diktatorischen Führungsstil kritisiert: Beppe Grillo.
       
       ROM taz | Nach der schweren Niederlage bei den Regionalwahlen am
       vergangenen Sonntag bricht in Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S) der
       Konflikt zwischen Fundamentalisten und Realos erneut auf. Diesmal droht der
       „5-Sterne“-Protestbewegung die offene Spaltung.
       
       Am vergangenen Sonntag war M5S in der Emilia Romagna mit bloß 13 Prozent
       aus der Wahl hervorgegangen, nachdem sie noch bei den Europawahlen im Mai
       gut 20 Prozent und bei den Parlamentswahlen 2013 sogar 25 Prozent geholt
       hatte. Noch dramatischer war der Einbruch im süditalienischen Kalabrien.
       Dort erreichte M5S nur noch 4,9 Prozent und verpasste den Einzug ins
       Regionalparlament – ein Minus von 20 Prozent gegenüber den Parlamentswahlen
       von 2013.
       
       Für die beiden Abgeordneten Paola Pinna und Massimo Artini war das
       katastrophale Resultat der Anlass, eine offene Diskussion über die
       Schwächen der Fünf Sterne zu fordern. Dabei stellten sie den diktatorischen
       Führungsstil Beppe Grillos und des M5S-Webgurus Gianroberto Casaleggio in
       Frage.
       
       Grillo und Casaleggio reagierten umgehend – allerdings nicht mit der
       verlangten Diskussion, sondern mit der roten Karte. Am Donnerstag ließen
       sie die Aktivisten der Bewegung online über den Rauswurf der beiden
       Kritiker abstimmen. Knapp 70 Prozent der 25.000 am Votum Beteiligten
       segneten den Ausschluss ab.
       
       ## Offener Dissens
       
       Formal war allerdings nicht der offene Dissens der Abgeordneten Artini und
       Pinna das Motiv. Stattdessen behauptete Grillo, die beiden hätten
       statutenwidrig in den letzten Monaten nicht den über 3.000 Euro pro Monat
       hinausgehenden Teil ihrer Diäten an den von M5S gegründeten Fonds oder an
       andere soziale Projekte abgeführt.
       
       Dumm nur, dass Grillo mit seinem Vorstoß selbst das Statut offen brach. Das
       sieht vor, dass vor dem Mitgliedervotum erst einmal die Fraktionen aus
       Abgeordnetenhaus und Senat gemeinsam über einen möglichen Ausschluss
       befinden.
       
       Grillo strich diese Etappe einfach – wohl auch, weil er einen Flächenbrand
       unter den Parlamentariern befürchtete. Dumm für Grillo ist auch, dass Pinna
       umgehend die Zahlungsbelege ihrer Überweisungen ins Internet stellte.
       
       ## Ohne Einfluss
       
       Und anders als bei vorherigen Ausschlüssen von M5S-Parlamentariern formiert
       sich diesmal breiter Widerstand in den Fraktionen. Zahlreiche Abgeordnete
       gingen auf Distanz zu Grillo. Schon ist die Rede davon, dass weitere 16 der
       noch 102 M5S-Vertreter im Abgeordnetenhaus auf der Abschussliste der
       Fünf-Sterne-Führung stehen.
       
       Denn immer deutlicher wird, dass die Bewegung zwar starkes Gewicht im
       Parlament hat, nachdem sie bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 aus dem
       Stand 25 Prozent der Wählerstimmen errang – dass sie dieses Gewicht aber
       bloß in lauten Protestaktionen ausspielt, ohne Einfluss auf den politischen
       Prozess in Italien zu gewinnen.
       
       Vor diesem Hintergrund fordern die Dissidenten mit zunehmender Lautstärke,
       dass M5S endlich beginnen solle, „Politik zu machen“. Dies heißt auch: Mit
       den politischen Gegnern, vorneweg mit der Partito Democratico (PD) des
       Ministerpräsidenten Matteo Renzi, Möglichkeiten für politische Kompromisse
       auszuloten.
       
       Davon jedoch will Grillo nichts wissen. Im Europaparlament suchte er den
       Schulterschluss mit der britischen UKIP unter Nigel Farage, und in Italien
       wetteifert er mit der rechtspopulistischen Lega Nord um die Stimmen derer,
       die aus dem Euro heraus und die den „unkontrollierten Zustrom“ der
       Immigranten stoppen wollen. Realpolitik ist in diesem Schema nicht
       vorgesehen.
       
       Doch mittlerweile hat Grillo einen ernstzunehmenden Gegenspieler. Federico
       Pizzarotti, Bürgermeister von Parma und damit einziges M5S-Stadtoberhaupt
       einer italienischen Großstadt, geht schon seit Monaten immer wieder auf
       Distanz zum Duo Grillo-Casaleggio. Er lädt nun für den 7. Dezember alle
       lokalen, regionalen und nationalen Mandatsträger der Fünf Sterne zu einer
       großen Konferenz nach Parma. Das Meeting hat beste Chancen, zum nationalen
       M5S-Dissidententreffen zu werden – und damit die Spaltung der Bewegung
       einzuleiten.
       
       29 Nov 2014
       
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