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       # taz.de -- Diskussion über Asylpolitik: Schöne Worte für Flüchtlinge
       
       > Das Abgeordnetenhaus debattiert über Flüchtlingspolitik. Die Opposition
       > wirft dem Senat Wortbruch vor, die CDU lobt sich als vorbildlich.
       > Aufnahmestopp bleibt vorerst.
       
   IMG Bild: Theateraufführung über europäische Asylpolitik.
       
       Für den Senat wäre eigentlich alles in Ordnung – wenn nur die
       Rechtsradikalen nicht wären. Für die Opposition wäre eigentlich alles ganz
       einfach – wenn nur der Senat nicht so uneins und wortbrüchig wäre. So in
       etwa verliefen die Argumentationslinien zur Flüchtlingspolitik am
       Donnerstag im Abgeordnetenhaus.
       
       Dabei waren sich zunächst alle ganz einig: Einstimmig nahmen die
       Abgeordneten einen parteiübergreifenden dringlichen Antrag an, der
       Flüchtlinge in Berlin willkommen heißt und gegen Fremdenhass Stellung
       bezieht. „Mit Sorge sehen wir die Zunahme rechtsextremistisch gesteuerter
       Demonstrationen gegen Flüchtlinge“, heißt es mit Bezug auf die fast schon
       regelmäßigen Protestaktionen gegen Flüchtlinge nahe den Standorten der
       künftigen Containerdörfer in Buch und Hellersdorf.
       
       ## 
       
       Wenn man die Entschließung ernst nähme, sagte später in der Debatte der
       Abgeordnete der Linkspartei, Hakan Tas, müsse sich allerdings „in der
       Flüchtlingspolitik einiges ändern“. Wie könne man vom „Recht auf
       menschenwürdige Unterbringung“ reden, die Menschen aber gleichzeitig in
       Containern am Stadtrand unterbringen wollen – fern jeder
       Integrationsmöglichkeit? Zudem verspreche die Resolution zwar, den
       Anwohnern von Flüchtlingsheimen mit Respekt und Akzeptanz zu begegnen –
       gleichzeitig aber seien die Containerdörfer ohne Absprache mit Bezirken und
       Anwohnerinitiativen vor Ort geplant worden.
       
       Die Oppositionsparteien nutzten die Debatte zu einer Generalabrechnung mit
       der rot-schwarzen Flüchtlingspolitik. Fabio Reinhardt,
       flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten-Fraktion, kritisierte, es gebe
       weiterhin kein Gesamtkonzept zur Flüchtlingsunterbringung, Berlin sei damit
       offenkundig überfordert. Eine Folge: „Bei vielen sind die Antragsfristen so
       lang, dass etwa Traumata nicht behandelt werden können.“ Das führe nicht
       nur zu einer gesundheitlichen Verschlechterung, sondern auch zu höheren
       Kosten. Mit Bezug auf die Oranienplatz-Flüchtlinge forderte Reinhardt eine
       Wiederaufnahme der Gespräche. Sogar in Gerichtsurteilen sei festgestellt
       worden, dass Berlin für die Flüchtlinge zuständig sei. Trotzdem seien fast
       alle abgelehnt worden, viele obdachlos.
       
       Ülker Radziwill von der SPD zeigte sich des ungeachtet zuversichtlich, dass
       der Senat seinen Teil des Abkommens mit den Flüchtlingen umsetzen werde –
       wobei sie nicht erklärte, welcher Teil des Abkommens künftig noch umgesetzt
       werden könnte. Auch Burkhard Dregger, Abgeordneter der CDU, sang ein
       Loblied auf die Flüchtlingspolitik Berlins und berief sich dabei auf den
       UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres. Der habe gesagt,
       Deutschland – und Berlin – brächten Flüchtlinge „menschenwürdig“ unter.
       „Nur am Oranienplatz waren Flüchtlinge menschenunwürdig untergebracht“,
       befand Dregger. Was die Behauptung angehe, der Senat habe das Abkommen mit
       den Flüchtlinge nicht eingehalten, sagte er: Nach seiner Information seien
       222 Oranienplatz-Flüchtlinge ihrer Einladung zur Ausländerbehörde nicht
       gefolgt. Dabei sei dies ein vorbildliches rechtsstaatliches Verfahren
       gewesen.
       
       Der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram platzte daraufhin der Kragen: „Die 222
       Menschen wurden eben nicht menschenwürdig behandelt!“, erwiderte sie. Man
       habe sie aus dem Verfahren und der Unterkunft rausgeworfen, „ohne jeden
       Bescheid“, weil sie nicht erschienen seien zu ihren Terminen – „ob
       entschuldigt oder nicht“. Um das gesamte Thema Flüchtlingsunterbringung
       voranzubringen, forderte Bayram einen flüchtlingspolitischen Gipfel. In
       Richtung des künftigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD)
       sagte sie: „Nehmen Sie mal das Thema in den Blick, sobald Sie in der
       Verantwortung stehen!“
       
       27 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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