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       # taz.de -- G7-Treffen 2015 im bayrischen Elmau: Die Alpenfestung
       
       > Im Juni 2015 werden Zehntausende Polizisten, Journalisten und
       > Demonstranten das idyllische Schlosshotel Elmau in den Alpen belagern.
       > Ein Besuch.
       
   IMG Bild: Postkartenidyll und schwer erreichbar für Proteste: Schloss Elmau.
       
       ELMAU taz | Hoch oben auf über tausend Metern thront das Luxushotel Schloss
       Elmau. Die spitzen Schlosstürme scheinen den weiß-blauen Himmel zu küssen,
       hinter ihnen ragen grüne Wälder und das schroffe Bergmassiv der
       Wettersteinwand auf. Noch rauscht nur der Gebirgsbach – aber in einem
       halben Jahr werden Hubschrauber durch die Luft knattern.
       
       Am 7. und 8. Juni 2015 lässt Kanzlerin Angela Merkel die Staatschefs der
       sieben führenden Industrieländer zum [1][G-7-Gipfel einfliegen]. Mehr als
       5.000 Journalisten werden vor Ort berichten, mindestens 15.000 Polizisten
       sind im Einsatz, um den Gipfel zu schützen. Europaweit laufen sich Tausende
       Gipfelgegner warm für das Spektakel.
       
       Den Tagungsort selbst werden die Aktivisten wohl kaum zu Gesicht bekommen:
       Er liegt inmitten von Bergen und einem Militärgebiet der Gebirgsjäger. Für
       die Bundesregierung das ideale Sicherheitskonzept für den Gipfel, für
       Benjamin Ruß vom Bündnis „Stop G7“ eine „Kampfansage an demokratische
       Grundrechte“.
       
       Über Merkels Entscheidung, auf Schloss Elmau zu tagen, ist denn auch Streit
       entbrannt. Auf der einen Seite stehen Aktivisten und Naturschützer in Sorge
       um das Demonstrationsrecht und um geschützte Arten, auf der anderen Seite
       eine Tourismusregion und ein Hotel, die bald weltberühmt sein werden.
       
       ## Elmau als politischer Hotspot
       
       ## 
       
       Schlossher Dietmar Müller-Elmau sitzt im Teesalon seines Hotels und rührt
       den Kandiszucker in seiner Tasse um. Das Feuer flackert im Kamin,
       Klaviermusik klimpert. Am meisten freue ihn an dem Gipfeltreffen nicht die
       Werbung für sein Hotel, sagt Müller-Elmau, ein Mann von 60 Jahren mit
       zurückgeworfenen Haaren und Denkerstirn. Die Staatschefs zahlen bei ihm
       nicht mehr als alle anderen Gäste, bis zu 7.000 Euro pro Woche.
       
       Elmau, das sei nicht nur ein Luxushotel mit fünf Sternen, sechs Restaurants
       und drei Spas. „Elmau ist ein politisches Projekt“, sagt Müller-Elmau. Seit
       fast zwanzig Jahren diskutieren hier Intellektuelle und Politiker. Der
       nationale Ethikrat von Kanzler Gerhard Schröder sei auf eine Konferenz in
       seinem Schloss zurückzuführen. Müller-Elmau selbst sei es außerdem gewesen,
       der die Greencard-Debatte in Deutschland entfacht habe. Sein größtes
       Anliegen aber ist es, Ressentiments gegen die USA zu hinterfragen, denen
       Deutschland „Freiheit und Wohlstand“ zu verdanken habe.
       
       Bald wird Müller-Elmau US-Präsident Barack Obama persönlich bei sich
       empfangen. Dass es wirklich der G-7-Gipfel werden sollte, hatte er nur
       gehofft, als Merkel ihm 2005 bei einem Besuch auf Elmau sagte: „Hier ist es
       so schön, hier müssen wir mal was machen.“
       
       „Es ist ein Traum, dass die Staatschefs kommen“, sagt er, er könne sich
       keinen besseren Ort dafür vorstellen. Die „weltoffene Architektur“, die er
       geschaffen habe, sei die „ideale Gesprächsatmosphäre“ – sein Beitrag, die
       Welt ein Stück näher zusammenzurücken.
       
       Wie man gegen den Gipfel sein kann, ist ihm unbegreiflich. „Ich verstehe
       nicht, warum man gegen einen Gipfel offener und freier Gesellschaften
       demonstrieren möchte“, sagt er. Deutschland müsse nach dem
       „Zivilisationsbruch“ an den Juden dankbar sein, wieder aufgenommen zu sein
       in den „Kreis zivilisierter Nationen“. Müller-Elmau ist froh, dass sein
       Schloss für die Sicherheitsbehörden so leicht zu verteidigen ist.
       
       ## Protest vor Ort, nicht in München
       
       Ein Stückchen weiter, die Straße runter, sitzen die G-7-Gegner Benjamin Ruß
       und Daniela Pollitzer in einer Wirtschaft und beugen sich über eine große
       Landkarte. Pollitzer zeigt auf die drei Orte Klais, Mittenwald und
       Garmisch-Partenkirchen, von denen Wege zum Schloss führen. „Hier werden sie
       wohl mit Absperrungen dichtmachen“, sagt sie. Rund um das Schloss soll ein
       Sicherheitsbereich ausgewiesen werden.
       
       Für sie ein klarer Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit, ähnlich wie beim
       letzten Gipfeltreffen 2007 in Heiligendamm, dessen Sicherheitskonzept das
       Bundesverfassungsgericht beanstandete. Dort wurden kilometerweite Flächen
       zur versammlungsfreien Zone erklärt. Die Sicherheitsbehörden sind nun
       verpflichtet, nach Wegen zu suchen, wie Ruß und Pollitzer in der Nähe des
       Schlosses protestieren können.
       
       Einfach in das 100 Kilometer entfernte München auszuweichen ist für die
       Aktivisten keine Option. Sie haben schon einen Sternmarsch zum Schloss
       angemeldet. „Unser Widerstand muss vor Ort sichtbar sein, damit sich die
       Staatschefs nicht ungestört als die globalen Heilsbringer inszenieren
       können“, sagt Ruß. Er wird gegen die Absperrungen anlaufen. Jede Störung
       des Gipfels ist für ihn ein Erfolg. Nicht umsonst heißt das Bündnis „Stop
       G7“. Attac München ist dabei, aus dem Parteienspektrum bisher nur die
       Linken, die Grünen nicht. Dabei sind sie sich mit dem Bündnis in vielem
       einig.
       
       Grüne und das Bündnis kritisieren, dass Merkel auf Elmau „die Natur in
       Geiselhaft“ nimmt. Fast kein Grashalm, der in der Gegend nicht unter
       Naturschutz steht. Neben dem Gebirgsbach am Schloss rattern die Bagger. Gut
       8.000 Quadratmeter Boden wurden bereits für den Hubschrauberlandeplatz
       asphaltiert, der danach allerdings wieder rückgebaut werden soll. Einfach
       „rückbauen“ werde man den Schaden, den geschützte Arten erleiden, wenn
       „Tausende Demonstranten über sie trampeln“, nicht können, meint Jörg Jovy
       von den Grünen.
       
       ## „Wir wollen keine Feldschlacht wie in Heiligendamm“
       
       Auch er sieht das Demonstrationsrecht gefährdet. Trotzdem wird er wohl
       haltmachen vor den Polizisten. Den Grünen reicht es, den Gipfel „kritisch
       zu begleiten“, stoppen wollen sie ihn nicht. „Wir wollen keine Feldschlacht
       wie in Heiligendamm“, sagt Jovy. Er befürchtet, dass Polizei und Aktivisten
       in den Bergen und Wäldern „Räuber und Gendarm“ spielen könnten.
       
       Ruß und Pollitzer stapfen auf einem Wanderweg in Richtung Partnachklamm, in
       vier Stunden wären sie am Schloss. Rechts von ihnen ist ein Fluss, links
       führen steile Wiesen ins Walddickicht. Dass Aktivisten dort hochkraxeln
       werden, glaubt Ruß nicht und zeigt auf der Wanderkarte, warum. Sein
       Zeigefinger fährt die engen roten Zickzacklinien entlang. „Das ist richtig
       steil. Wer da Konflikt sucht, ist lebensmüde“, sagt er.
       
       Nur, sind alle so vernünftig wie er? Was ist mit den Bildern von
       Pflastersteine werfenden Demonstranten beim letzten Gipfel in Heiligendamm?
       Zum ersten Mal wird Ruß wütend und redet über falsche Angaben von Medien
       und Polizei. Tatsächlich wurde bei den Protesten in Heiligendamm ein
       Aktivist falsch zitiert mit den Worten: „Wir müssen den Krieg in diese
       Demonstration tragen.“ Kombiniert mit falschen Angaben der Polizei über
       schwerverletzte Polizisten war überall von der „Schlacht um Rostock“ die
       Rede.
       
       „Wir sind es leid, kriminalisiert zu werden“, sagt Ruß, wie es seiner
       Meinung nach das bayerische Innenministerium gerade erst wieder tat. Es
       wollte dem Bündnis untersagen, rund um das Schloss Demonstrationscamps zu
       errichten, weil diese oft „missbraucht“ würden, um „Gewalttaten
       vorzubereiten“. Es wird schwer werden für die Aktivisten, einen Platz für
       ihre Zelte zu finden, etwa im kleinen Ort Krün am Fuße des Schlosses.
       
       ## CSU-Appell: Keine Felder für Protestcamps
       
       In Krün sind die Fensterläden der Häuser mit Edelweiß verziert, die
       Gasthäuser heißen „Dahoam“ und „Alpenruh“. An fast jedem hängt ein Schild
       „Zimmer frei“. Rathaus und Tourismusbüro sind eins. Die Wände sind
       tapeziert mit Prospekten von bedirndelten Mädchen im Bergidyll. Das sind
       die Bilder, die Bürgermeister Thomas Schwarzenberger in die Welt schicken
       will, wenn Tausende Journalisten in seinen Ort kommen werden. Proteste
       machen sich da nicht gut. Der CSUler hat an alle Landwirte appelliert, ihre
       Grundstücke nicht für Camps herzugeben, und glaubt, sie werden sich daran
       halten.
       
       Schließlich profitiert Krün nicht nur von der medialen Aufmerksamkeit:
       Mindestens 20 Millionen Euro hat Bayern in die Region um Schloss Elmau
       gesteckt, um sie für den Gipfel aufzuhübschen. Krün bekam großzügige
       Subventionen für ein frisch renoviertes Rathaus, einen neuen Bahnhof und
       ein Feuerwehrauto. Überzeugende Argumente für einen Ort, in dem die
       Pro-Kopf-Verschuldung viermal so hoch ist wie im Rest von Bayern.
       
       Seit Monaten blöken um Schloss Elmau nicht nur die Schafe, es brummen auch
       die Motoren der Lastwagen. Alle brettern sie durch den kleinen Ort Klais
       unterhalb des Schlosses. Ein Mann in schwarzer Jogginghose steht in seiner
       Tür und schaut der Staubwolke des letzten Lkws nach. „Es ist abartig. Wir
       können nicht mehr im Garten sitzen“, sagt er.
       
       Im Wirtshaus gegenüber graut es der Wirtin vor der Zeit, wenn die vielen
       Polizisten, die jetzt bei ihr Kartoffelsuppe essen, vor den Fenstern
       marschieren werden. „Was das kostet“, sagt sie. Mindestens 130 Millionen
       Euro gibt Bayern für den Gipfel aus, welchen Teil davon der Bund übernimmt,
       ist noch nicht ausgehandelt. Warum Merkel nicht einfach nach Berlin
       eingeladen hat, versteht sie nicht.
       
       „Das wär uns auch lieber gewesen“, heißt es da aus der Ecke, in der Ruß und
       Pollitzer über ihrer Landkarte brüten. „Da hätten wir besser demonstrieren
       können.“
       
       28 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lahme-Mobilisierung-gegen-G-8-/!134064/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Schnell
       
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