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       # taz.de -- Kommentar über das Yagmur-Urteil: Todesfall und Hysterie
       
       > Hamburg droht in Hysterie abzugleiten. Besser wäre es, die Gesellschaft
       > würde sich der Frage zuwenden, wie tödliche Gewalt gegen Kinder zu
       > verhindern ist.
       
   IMG Bild: Mit Hysterie werden weitere tote Kinder nicht zu verhindern sein
       
       Da muss man schlucken. Lebenslang sei nicht genug, schimpfen Zuschauer vor
       dem Gerichtssaal im Hamburger Strafjustizgebäude. Dabei ist klar: Vor ihrem
       42. Geburtstag wird die Mutter der toten Yagmur nicht in Freiheit leben.
       Und niemals wird sie wieder die Sorge für ein kleines Kind tragen dürfen –
       das würden die Familiengerichte verhindern.
       
       Es ist gut, dass dieser Prozess vorbei ist. Die Gesellschaft muss sich
       jetzt der Frage zuwenden, was man tun kann, damit Familien nicht in die
       Lage von Melek und Hüseyin Y. kommen: Wenn auch nicht so extrem wie diese
       Eltern, rasten in Situationen der Überforderung Eltern häufiger aus, als
       man denkt – Väter und Mütter. Umso wichtiger ist, dass sie sich öffnen;
       dass sie Hilfe holen, statt Probleme zu übertünchen und Lügen zu erfinden
       oder – wie hier geschehen – gar die Wunden am Leib ihrer Kinder zu
       überschminken.
       
       Dafür müssen auch die Jugendämter gut ausgestattet sein und sich Zeit
       nehmen. Die Fehler, die im Fall Yagmur geschahen, sind gravierend. Die
       Erkenntnis der Gerichtsmedizin etwa, wonach nur die Eltern für die ersten
       schlimmen Verletzungen verantwortlich sein konnten – und nicht, wie
       angenommen, die Pflegemutter: Diese Erkenntnisse drangen nicht durch bis
       zum ohnehin überlasteten Jugendamt. Wäre das anders gewesen, hätte es hätte
       vielleicht Yagmurs Leben gerettet. Auch dass das Jugendamt die Abmeldung
       des Mädchens aus der Kita akzeptierte, war ein Fehler. In dieser Hinsicht
       wurden inzwischen Konsequenzen gezogen, gar eine Art Kita-Pflicht für
       Problemfamilien eingeführt.
       
       Wird das helfen, einen neuen Fall wie diesen zu vermeiden? Oder werden bald
       Kinder erst Recht versteckt? Der dringend benötigten Familien-Hebamme die
       Türen vor der Nase zugeknallt?
       
       Hamburg droht in eine Art Hysterie abzugleiten. Es ist gut, wenn Gewalt
       gegen Kinder geächtet wird. Aber schützen lassen sich Kinder nur dann, wenn
       ihre Not rechtzeitig bekannt ist und sich betroffene Familien nicht
       verstecken. Für die Jugendämter ein Balanceakt.
       
       26 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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