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       # taz.de -- Klaus Wicher vom Sozialverband über Geldnot: „Die Altersarmut wächst rapide“
       
       > In Hamburg leben so viele Alte von Grundsicherung wie sonst nirgends und
       > die Zahl steigt rapide. Für Betroffene hat das üble Auswirkungen.
       
   IMG Bild: Hauptstadt der Altersarmut: In Hamburg leben mehr als 22.000 Senioren von Grundsicherung.
       
       taz: Herr Wicher, das Bundesstatistikamt meldet, in Hamburg seien Senioren
       selten von Armut bedroht. Stimmt das? 
       
       Klaus Wicher: Wir sagen nein, im Gegenteil. Hamburg ist Hauptstadt der
       Altersarmut. Und das wird immer schlimmer.
       
       Die Armutsgefährdungsquote der Menschen über 65 soll im alten Bundesgebiet
       bei 14,8 Prozent liegen, in Hamburg dagegen bei 11,7 Prozent. 
       
       Es kommt darauf an, welche Werte man betrachtet. Von Armut gefährdet sind
       alle, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens haben. Nur
       sind die Lebenskosten im Bundesgebiet sehr unterschiedlich.
       
       Das heißt? 
       
       Ein älterer Mensch, der im Monat 934 Euro zum Leben hat, fällt in
       Mecklenburg noch nicht unter die Armutsgrenze, in Hamburg, wo Mieten und
       Preise höher sind, aber sehr wohl. Wenn man das mit einrechnet, liegen nach
       der Statistik 14,1 Prozent der Senioren unter der Gefährdungsgrenze. Das
       ist ein Rekord. 2005 lag dieser Wert noch bei 9,5 Prozent, seitdem ist er
       stetig gestiegen.
       
       Aber es gibt im Durchschnitt mehr Arme als alte Arme. 
       
       Stimmt. Die Armutsgefährdungsquote ist insgesamt in Hamburg auf den
       Rekordwert von 18,7 Prozent geklettert, jedes vierte Kind der Stadt ist
       betroffen. Das ist ein Skandal. Aber es ist die Altersarmut, die rapide
       wächst. Dafür hat die Politik kein Konzept auf dem Tisch.
       
       Ihr Sozialverband Deutschland hat in Hamburg 18.000 Mitglieder. Sind
       Betroffene dabei? 
       
       Ja. Wir haben in Hamburg 30 Ortsverbände und hören von den Nöten der
       Menschen.
       
       Zum Beispiel? 
       
       Am bedrückendsten ist die Lage der mehr als 22.000 Senioren, die von
       Grundsicherung leben müssen. Das sind 6,8 Prozent aller Alten dieser Stadt.
       Der Anteil ist nirgends so hoch, nicht mal in Berlin. Deshalb ist Hamburg
       Hauptstadt der Altersarmut.
       
       Und was bedeutet das? 
       
       Menschen, die von den 391 Euro Grundsicherung leben, können kaum am
       gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie können nicht einfach in den Bus
       steigen oder ins Theater gehen. Es gibt 3,50 bis 3,80 Euro pro Tag für
       Ernährung, vier Cent für Bildung. Im Monat müssen 25 Euro für Energie
       reichen und 1 Euro 81 für neue Schuhe. Diese Menschen wissen nie, wie sie
       mit dem Essen bis ans Monatsende kommen. Und vor Arztbesuchen haben sie
       Angst, dass der etwas kostet. So ein Leben macht krank. Arme Menschen
       sterben früher.
       
       Sie sagen, die Quote geht immer weiter nach oben. Was hat der SPD-Senat
       falsch gemacht? 
       
       Richtig effektiv bekämpfen kann man Altersarmut nur vom Bund aus. Die
       reduzierte Rentenformel wird dazu führen, dass in Zukunft immer mehr
       Menschen in die Altersarmut rutschen. Wenn nichts passiert, sind wir 2030
       bei 25 Prozent. Vor allem muss der Bund etwas gegen prekäre Beschäftigung
       tun.
       
       Aber was könnte Hamburg tun? 
       
       Sehr viel. Die Politik muss Armutsbekämpfung zum Ziel erklären. Für
       Langzeitarbeitslose, die keine Chance haben, brauchen wir einen sozialen
       Arbeitsmarkt. Wir fordern als einen ersten Schritt 1.000 Plätze. Es ist
       unwürdig, wenn Menschen über Jahre ohne Arbeit sind und dann mit 63 in die
       Grundsicherung zwangsverrentet werden.
       
       Die Grünen fordern diese 1.000 Plätze. 
       
       Ja, die haben das aufgenommen. Aber ich vermisse in anderen Wahlprogrammen,
       dass die Parteien die Lage zur Kenntnis nehmen. Dabei kann die Stadt
       einiges tun. Das fängt beim ÖPNV an. Menschen in Grundsicherung müssen frei
       mit Bus und Bahn fahren dürfen. Wir fordern auch einen Sozialtarif für
       Strom beim stadteigenen Versorger und 50.000 Freikarten für Theater. Auch
       müsste die Seniorenberatung ausgebaut und beworben werden. Nötig ist von
       der Behörde eine kleinräumige Sozialkarte, wo die armen Alten leben.
       
       Um damit was zu tun? 
       
       Die Menschen wollen und sollen lange in ihrer Wohnung leben. Dann muss man
       die richtigen Hilfen bieten. Sie brauchen „haushaltsnahe Dienstleistungen“,
       jemand der kommt, zuhört und hilft, beim Saubermachen, beim Einkauf oder
       beim Behördengang. Wir müssen die soziale Teilhabe dieser Menschen
       gewährleisten. Wenn die Politik das nicht will, soll sie es offen sagen.
       
       Wie können Alte politisch Druck machen? 
       
       Na ja, sie können zur Wahl gehen. Wir als Sozialverband werden
       Wahlprüfsteine veröffentlichen, damit sie prüfen können, welche Partei die
       Altersarmut auf dem Schirm hat.
       
       21 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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