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       # taz.de -- Britische Polizei überwachte Journalisten: Selbst die Schuhfarbe war notiert
       
       > Neun Jahre lang überwachte die britische Polizei den Journalisten Jason
       > Parkinson. Nun klagt er mit anderen gegen das Innenministerium.
       
   IMG Bild: „Sie schienen verdammt viel über uns zu wissen“: Parkinson über britische Polizisten
       
       LONDON ap | Als Jason Parkinson Anfang des Jahres von einem Urlaub nach
       Hause kam, lag in seinem Briefkasten ein brauner Papierumschlag. Darin
       waren Dokumente, die das Leben des britischen Videojournalisten in den
       vergangenen neun Jahren in schockierender Genauigkeit nachzeichneten. Die
       Unterlagen, die er durch einen offiziellen Antrag bei den Behörden erhielt,
       bewiesen, so sagt er, dass ihn die Polizei die ganze Zeit überwacht habe.
       
       „Endlich haben wir sie“, habe er sich damals gedacht, als er bei einem
       starken schwarzen Kaffee die polizeigeheimdienstlichen Aufzeichnungen
       durchblätterte, sagt Parkinson. Die Unterlagen sind nun die Grundlage für
       eine Klage der Nationalen Journalistengewerkschaft gegen die Londoner
       Polizei und das Innenministerium. Weder Polizei noch Regierung wollten die
       am späten Donnerstagabend angekündigte Klage zunächst kommentieren.
       
       Neben dem freien Videojournalisten Parkinson schlossen sich der Klage auch
       drei Fotografen, ein Investigativreporter und ein Redakteur der britischen
       Tageszeitung The Times an, die alle die Polizeiaufzeichnungen über sich
       angefordert hatten. Parkinson, der vor allem über Demonstrationen in
       Großbritannien berichtet, sagt, er und seine Kollegen hätten schon lange
       vermutet, dass die Polizei sie überwache.
       
       „Polizisten, die wir zuvor nie getroffen hatten, kannten unsere Namen und
       schienen verdammt viel über uns zu wissen“, sagt Parkinson. Was sie
       tatsächlich wussten, übertraf aber alle negativen Erwartungen Parkinsons.
       Akribisch notierten die Beamten den Dokumenten zufolge, über welche
       Proteste er berichtet hatte, mit wem er sprach und sogar welche Farbe seine
       Schuhe hatten. In einem Bericht wurde festgehalten, dass Parkinson in der
       Nähe seiner Wohnung im Nordwesten Londons Radfahren ging und mit wem er
       damals eine Beziehung hatte.
       
       ## Anti-Terror-Gesetze ausgenutzt
       
       Jules Mattsson, ein 21-jähriger Mitarbeiter der Times, erklärte, dass in
       seinen Unterlagen die Krankengeschichte eines Angehörigen detailliert
       aufgeführt worden sei. „Niemand kann das in irgendeiner Weise verteidigen“,
       sagt er. Die 41-jährige freie Fotografin Jess Hurd betont, sie sei besorgt,
       dass die Daten über sie auch an andere Staaten weitergeleitet würden. „Ich
       fahre für Aufträge in viele andere Länder. Wo werden diese
       Datenbankberichte geteilt? Mit wem? Und zu welchem Zweck?“, fragt sie.
       
       „Das ist ein weiteres besorgniserregendes Beispiel der Polizeiüberwachung
       von Journalisten, die nur ihre Aufgaben erfüllen“, sagt der Leiter der
       Journalismusabteilung der Brunel University, Paul Lashmar, der nicht in die
       Klage involviert ist.
       
       Zuletzt hatten mehrere ranghohe britische Polizeibeamte eingestanden, dass
       sie die Anti-Terror-Gesetzgebung genutzt hätten, um die Telefonverbindungen
       von Journalisten zu durchforsten. Ziel war demnach, deren Quellen zu
       identifizieren. Die Polizei verteidigte das damit, dass sie auf der Suche
       nach korrupten Beamten sei. Ein heikles Thema, nachdem im Zuge des
       britischen Abhörskandals bekanntgeworden war, dass Reporter mehrerer
       Boulevardzeitungen regelmäßig Polizisten für Informationen geschmiert
       hatten.
       
       Der Kampf gegen den Terror verleite die Polizei dazu, auch die Presse des
       Landes genauer zu überwachen, sagt Lashmar. „Die Polizei scheint das so
       verstanden zu haben, dass Journalisten jetzt Freiwild sind und dass man sie
       überwachen und beobachten kann.“
       
       21 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Raphael Satter
       
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