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       # taz.de -- Nachwahl in Großbritannien: Noch ein Unterhaussitz für Ukip
       
       > Mark Reckless, Ex-Mitglied der Tories, entscheidet die Abstimmung in
       > Rochester für sich. Das ist ein weiterer Dämpfer für Premier David
       > Cameron.
       
   IMG Bild: Erobert für Ukip den zweiten Sitz im Unterhaus: Marc Reckless.
       
       DUBLIN taz | Die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party
       (Ukip) hat bei der Nachwahl im südenglischen Rochester am Donnerstag ihren
       zweiten Unterhaussitz gewonnen. Ihr Kandidat Mark Reckless, der im
       September von den Tories übergelaufen war und die Wahl dadurch erforderlich
       machte, kam auf 42,1 Prozent der Stimmen. Die Tories hingegen verloren im
       Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen mehr als 14 Prozent und landeten
       bei 34,8 Prozent.
       
       Aber auch die Labour Party musste rund zwölf Prozent an Ukip abgeben und
       kam auf 16,8 Prozent. Für die Liberalen Demokraten, den Koalitionspartner
       der Tories, war die Wahl vergessenswert: Sie erreichten mit knapp 0,9
       Prozent das schlechteste Ergebnis aller Zeiten und landeten hinter den
       Grünen, die neben Ukip als einzige Partei zulegen konnten.
       
       Für David Cameron ist es eine schmerzliche Niederlage, weil der
       Premierminister viel in den Wahlkampf investiert hat. Jeder seiner
       Abgeordneten musste sich mindestens drei Mal in Rochester blicken lassen,
       er selbst war sogar fünf Mal da.
       
       William Hague, der Unterhausführer und ehemalige Außenminister, ist jedoch
       zuversichtlich, dass die Tories den Sitz bei den Parlamentswahlen im Mai
       zurückerobern können. Das ist nicht unrealistisch, hat Ukip bisher doch
       lediglich bei Europa- und Nachwahlen gut abgeschnitten, bei denen man der
       Regierung traditionell einen Denkzettel verpasst.
       
       Reckless, ein eher blasser Politiker, sagte nach seiner Wahl, er rechne
       damit, dass demnächst zwei weitere Tory-Abgeordnete zu Ukip überlaufen
       werden. Vorigen Monat hatte bereits Douglas Carswell in Clacton nach seinem
       Übertritt von den Tories den ersten Unterhaussitz für Ukip gewonnen.
       
       ## Weitere Überläufer zu Ukip er erwartet
       
       Peter Bone, den die Buchmacher als nächsten Überläufer favorisierten,
       stellte am Donnerstag aber klar, dass er bei den Tories bleiben werde. Ukip
       sei gut für die britische Politik, weil sie das Vakuum am rechten Spektrum
       fülle, aber ihr Erfolg gefährde Camerons Wiederahl und verhelfe Labour
       womöglich zur Macht, sagte Bone. Seine Lösung: „Sperrt Cameron und
       Ukip-Chef Nigel Farage in ein Zimmer und lasst sie erst wieder heraus, wenn
       sie ihre Meinungsverschiedenheiten beigelegt haben.“
       
       Farage sagte jedoch, dass viele Tory-Abgeordnete sich in den kommenden
       Wochen genau überlegen würden, was sie tun sollen. „Einige Abgeordnete
       werden sich fragen, ob sie bessere Chancen bei den Parlamentswahlen haben,
       wenn sie für Ukip antreten“, sagte er. „Sollten sie zu uns übertreten,
       würde ich mich sehr freuen. Wenn sie es nicht tun, macht das aber ehrlich
       gesagt auch nichts.“ Farage wies darauf hin, dass Rochester bei Ukip erst
       an 271. Stelle auf der Liste erfolgversprechender Wahlkreise stand.
       
       Die Partei ist ein Phänomen. Sie ist neoliberal, will den Spitzensteuersatz
       sowie die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung senken und den
       öffentlichen Dienst verschlanken. Ihre Wähler hingegen stehen mehrheitlich
       links: Sie wollen Energieversorgung und Eisenbahnen wieder verstaatlichen,
       den Mindestlohn anheben und die Mieten staatlich kontrollieren lassen.
       Hinzu kommt, dass die Europäische Union, aus der Farage Großbritannien
       gerne herausführen möchte, bei den Wählern nur eine untergeordnete Rolle
       spielt.
       
       Wie passt das zusammen? Es gibt einen gemeinsamen Nenner: die Immigration.
       75 Prozent der Briten wollen sie reduzieren. Tores und Labour wollen
       deshalb auf diesen Zug aufspringen. Beide Parteien rufen nach Beschränkung
       der Einwanderung, Cameron will sogar die Freizügigkeit innerhalb der EU
       einschränken.
       
       Indem sie Ukip jedoch die politische Agenda bestimmen lassen, spielen sie
       ihr in die Hände: Wenn Cameron und Labour-Chef Ed Miliband nun auch sagen,
       was Farage schon seit Jahren behauptet, muss der Mann ja weitsichtig sein,
       könnten die Wähler daraus schließen.
       
       21 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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