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       # taz.de -- Autonome Roboter im Straßenverkehr: Der Fahrer in der Maschine
       
       > Bald könnten selbststeuernde Fahrzeuge auf Straßen unterwegs sein. Doch
       > dürfen sie in Unfallsituationen entscheiden, wer lebt und wer stirbt?
       
   IMG Bild: Nur in Standardsituationen erprobt: autonome Autos von Google.
       
       LOS ANGELES ap | Ein Lastwagen kommt plötzlich mit hoher Geschwindigkeit
       aus der falschen Richtung entgegen. Was tun? Das Lenkrad nach links reißen
       und einen Fahrradfahrer anfahren oder nach rechts, wo gerade eine Familie
       entlangläuft. Oder ist es doch besser, eine Vollbremsung zu machen und
       einen Frontalaufprall zu riskieren? Autofahrer müssen in Bruchteilen von
       Sekunden Entscheidungen treffen. Dabei verlassen sie sich oft nur auf ihren
       Instinkt, ohne die Gefahr aber rational einschätzen zu können.
       
       Experten dagegen setzen auf das selbstfahrende Auto der Zukunft, das seine
       Umgebung fast perfekt wahrnimmt und dessen Entscheidungen auf
       programmierter Logik beruhen. Solche Autos werden entwickelt, um das Fahren
       sicherer zu machen. Allerdings gib es neben den technischen Problemen noch
       eine Reihe von ungeklärten ethischen Fragen. Es ist relativ einfach, einen
       Computer zu programmieren und dem Auto vorzuschreiben, wie es in bestimmten
       Situationen zu reagieren hat. Viel schwieriger ist es aber, die richtigen
       Antworten darauf zu finden, sagen Wissenschaftler.
       
       „Das Problem ist, wer stellt fest, was wir wollen“, fragt Jeffrey Miller
       von der Universität Southern California, der Software für automatisiertes
       Fahren entwickelt. Es werde nie eine 100-prozentige Sicherheit geben,
       betont er. Experten kündigten an, dass die Technologie für selbstfahrende
       Autos bis 2017 auf dem Markt sein soll. Zunächst soll es bei der
       Programmierung darum gehen, dass allgemeine Fahrsituationen beherrscht
       werden. Das sichere Fahren steht dabei im Vordergrund, um Unfallsituationen
       zu vermeiden.
       
       Um ethische Fragen geht es bislang weniger. Denn Unternehmen, die
       fahrerlose Autos testen, befassen sich kaum mit moralischen
       Fragestellungen. Die Softwareentwickler sind in den meisten Fällen keine
       Autohersteller. So hat zum Beispiel Google in den vergangenen Jahren stark
       in die Technik investiert. Bis jetzt hat der Suchmaschinen-Anbieter aber
       nur die üblichen Fahrsituationen durchgespielt. Sogenannte unvermeidbare
       Unfälle wurden ausgespart. „Wir philosophieren darüber. Aber Fragen von
       wirklichen Situationen und realen Ereignissen, die uns betreffen können,
       haben wir noch nicht studiert“, gibt Ron Medford, Sicherheitsdirektor für
       das Google-Projekt der selbstfahrenden Autos, zu.
       
       ## Was ist die richtige Entscheidung?
       
       Professor Patrick Lin, der zu ethischen und Sicherheitsfragen an der
       California Polytechnik State University arbeitet, spielte solche
       Experimente durch. „Das ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die wir
       treffen müssen. Eine Maschine so zu programmieren, die voraussehbar zum Tod
       von Menschen führen kann“, sagt er. Eine solche Frage ist, ob die
       Entwickler beispielsweise den Tod von anderen Menschen in Kauf nehmen, um
       die Insassen im eigenen Fahrzeug zu schützen. „Wenn wir
       Programmierentscheidungen treffen, erwarten wir, dass diese so richtig
       sind, wie sie eben sein können“, sagt Lin.
       
       Doch was richtig ist, darüber könne es in den Unternehmen unterschiedliche
       Auffassungen geben, meint Lin. Er ist überzeugt, Autohersteller hätten die
       Pflicht zu zeigen, dass sie sich mit solch komplexen Fragen
       auseinandergesetzt hätten. Und sie müssen auch ihre unterschiedlichen
       Antworten öffentlich machen.
       
       Lin sagt, dass er die ethischen Fragen des selbstfahrenden Autos mit
       Google, aber auch mit Autoherstellern wie Nissan und BMW sowie mit dem
       Unternehmen Tesla, das Elektroautos baut, diskutiert habe. Dabei sei auch
       deutlich geworden, dass viele Autohersteller skeptisch in Bezug auf das
       fahrerlose Fahren seien – zumindest bezüglich der nächsten zehn Jahre.
       
       Uwe Higgen, der bei BMW eine Technologie-Abteilung in Silicon Valley
       leitet, erläutert, dass der Autohersteller Fachleute aus den Bereichen
       Technik, Ethik, soziale Auswirkungen und Recht zusammengebracht habe, um
       Fragen zu besprechen, die mit der Entwicklung der selbstfahrenden Autos
       zusammenhingen. Das sei ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen sei.
       
       ## Roboter, die Unfälle verursachen
       
       Für manche aber stehen nicht die grundlegenden moralischen Fragen des
       automatisierten Fahrens im Vordergrund. Für sie geht es vielmehr darum, wie
       man vorsichtig Schritt für Schritt die neue Technologie einführen kann, um
       damit Leben zu retten. Denn jährlich sterben in den USA rund 30.000
       Menschen im Straßenverkehr. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 3.340
       Verkehrstote.
       
       „Niemand hat eine gute Antwort darauf, wie viel Sicherheit wirklich sicher
       macht“, sagt der Rechtswissenschaftler Bryant Walker Smith, der sich
       intensiv mit dem Thema der selbstfahrenden Autos befasst hat. Im
       Straßenverkehr gebe es eben Unfälle, sagt er. „Und das ist etwas, was die
       Unternehmen akzeptieren müssen, aber auch die Gesellschaft.“
       
       Eine weitere Frage ist, wie und ob Gesetze das automatisierte Fahren regeln
       können. Was geschieht beispielsweise bei einem grausamen Unfall, der aber
       nicht durch eine Person verursacht wurde? „Das ist eine ganz natürliche
       Frage, die kommen wird“, sagt Bernard Soriano vom Straßenverkehrsamt in
       Kalifornien voraus. Wie sollten denn Autos aus einer Reihe von schlechten
       Entscheidungen eine Auswahl treffen können. Autos können nur aus dem
       auswählen, was zuvor Programmierer festgelegt haben. „Dafür wird es
       Erklärungen geben müssen.“
       
       22 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Justin Pritchard
       
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