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       # taz.de -- Debütalbum von Azealia Banks: Verschmiertes Make-up
       
       > Die New Yorker Rapperin Azealia Banks veröffentlicht ihr Debütalbum
       > „Broke with expensive taste“. Es reicht nicht an ihren Hit „212“ heran.
       
   IMG Bild: Sucht jemand Streit? Azealia Banks ist bereit.
       
       Es ist leicht, Azealia Banks für eine Nervensäge zu halten. Denn in den
       letzten drei Jahren hatte die 24-jährige New Yorkerin ständig Beef – auf
       Twitter und mit so ziemlich jedem. Egal ob die HipHop-Kollegin Nicki Minaj,
       die britischen Retro-Dance-Produzenten Disclosure oder die
       Madchester-Veteranen von den Stone Roses: Azealia Banks braucht nur 140
       Zeichen, um sich im Internet Feinde zu machen – stets ohne Rücksicht auf
       Verluste.
       
       Wobei Banks’ Großmäuligkeit natürlich gut fürs Geschäft ist, besonders wenn
       es – wie in ihrem Fall – aus dem Verfassen von Reimen zu tanzbarer Musik
       besteht. Dass sie mit all diesen Internetfehden durchkommt, hat Banks
       nämlich ihrem Mundwerk zu verdanken. In Großaufnahme präsentierte sie es
       vor gut drei Jahren für ihr erstes Video. Mal blies sie im X-fach-Zoom
       einen Kaugummi auf, dann wieder fuhr sie mit den Lippen lasziv über die
       weißen Zähne.
       
       „212“ heißt der Song zu diesen Bildern. Wie die Vorwahl von Manhattan. In
       Uptown, in Harlem, ist Banks aufgewachsen. Sie lebte in einem
       Brownstone-Reihenhaus mit zwei Geschwistern und einer alleinerziehenden
       Mutter, die auf ihre Kinder schon mal mit dem Baseballschläger losging, nur
       um sich anschließend mit Plüschtieren und Klamotten die Gunst ihrer Kinder
       zu erkaufen. Auf „212“ blickt Azealia Banks über einem leicht verzerrtem
       HipHouse-Beat zurück auf ihre alte Heimat und benutzt dafür ein Zitat vom
       Wu-Tang Clan, „two-one-zoo“. In der einen Hand die Kleinkaliberwaffe, mit
       der sie einen Typen nervös macht, nur um ihn am Ende doch im Bett haben zu
       wollen.
       
       ## Daddy Issues
       
       Falsche Zurückhaltung ist ihre Sache nicht. In jedem Interview redet
       Azealia Banks über „Daddy Issues“, Exfreunde und Exfreundinnen. Und
       überhaupt bedurfte es erst „212“, um die Reimqualitäten des C-Worts richtig
       hörbar zu machen. Drei Jahre ist das her, und nun ist endlich ihr – gefühlt
       zehnmal verschobenes – Debütalbum „Broke with expensive taste“ erschienen.
       
       16 Tracks, auf denen sich gleichermaßen die britischen
       Bassmusik-Produzenten Person Sound und Boddika sowie die
       US-HipHop-Afficionados Theophilus London und Araab Muzik tummeln. Banks
       schlägt so eine Brücke zwischen dem Teil von HipHop, der sich gern als
       „real“ begreift, und dem Teil, für den seine Performance-Qualitäten keine
       Geheimwissenschaft, sondern eine Spielwiese sind.
       
       Im Sommer 2012 trat sie nachmittags vor einer Menge Baggy-Pants- und
       Rucksackträger beim Festival des New Yorker Hip-Hop-Radiosenders Hot 97
       auf, später abends beehrte sie dann einen „Mermaid Ball“, der an die
       Hochzeiten der Drag-Queen-Balls Ende der Achtziger erinnerte, mit einer
       Performance. Zusammen mit anderen bi- und homosexuellen Rapkünstlern wie
       Zebra Katz oder Le1f hat Azealia Banks HipHop das Voguing beigebracht.
       
       ## HipHop-Göre oder House Diva?
       
       Auch „Broke with expensive taste“ ist eine Übung in musikalischem Drag. Nur
       kann Azealia Banks sich nicht so recht entscheiden, ob sie lieber das
       Kostüm der streetsmarten HipHop-Göre liebt, oder das glamourösere der
       House-Diva tragen möchte. Ersteres steht ihr zumindest besser. Beim Auftakt
       „Idle Delilah“ singt sie ein wenig kurzatmig über einen Post-Dubstep-Beat,
       bevor sie im zweiten Teil des Songs die verschachtelten Rhythmusspuren mit
       noch verschachtelteren Reimen zum Tanzen auffordert. Auf „Gimme a Chance“
       rappt sie über Bläsersätze, bevor ein HipHop-Beat alter Schule zu einem
       Merengue-Stück mutiert und Banks von Englisch zu Spanisch wechselt.
       
       Immer wenn Banks sich in die Pose der House-Diva wirft, verschmiert ihr
       Make-up. Sie mag sich divenhaft aufführen, wie eine Diva singen kann sie
       leider nicht. Da hilft es auch nicht, wenn der britische House-Produzent
       Lone für „Miss Companion“ ein sehnsuchtsvoll treibendes Instrumental
       zaubert – sobald Banks zu einem ozeanischen Moment der Euphorie ansetzt,
       fällt das Stück in sich zusammen.
       
       So bleibt auch nach 16 Tracks voller Haken und Ösen, Momenten von
       Fremdscham, aber auch von Euphorie eine Feststellung: „212“ bleibt immer
       noch der beste Song von Azealia Banks. Und das ist für ein Debütalbum mit
       einer Wartezeit von drei Jahren dann doch etwas enttäuschend.
       
       22 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Werthschulte
       
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