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       # taz.de -- Vom Baum zur Klampfe: Die höchste Form der Liebe
       
       > Die Dokumentation „Love Supreme – Sechs Saiten und ein Brett“ zeigt, wie
       > aus einem Stück Holz eine Gitarre wird und wie es die Hannoveraner Firma
       > „Duesenberg“ vom Geheimtipp bis zu Bob Dylan gebracht hat.
       
   IMG Bild: Hohe Kunst: Eine Duesenberg-Gitarre im Entstehungsprozess.
       
       HANNOVER taz | Viele Gitarristen entwickeln zu ihrem Instrument die höchste
       Form der Liebe. Gleich mehrfach erzählen in dem Film „Love Supreme – Sechs
       Saiten und ein Brett“ Frauen, die mit Rockmusikern leben, dass sie bei
       ihren Männern nur die zweite Geige spielen. Die Männer schwärmen von den
       geschwungenen, weiblichen Formen ihrer Instrumente, mit denen sie längere
       und glücklichere Beziehungen führten als mit ihren Freundinnen oder
       Gattinnen. Und Peter Maffay sagt, man „nimmt eine Gitarre ja auch nicht nur
       in die Hand, sondern man greift nach ihr“.
       
       Fast alle E-Gitarristen in diesem Film spielen eine „Duesenberg“, denn von
       dieser Gitarrenmarke aus Hannover, die seit einigen Jahren international
       sehr erfolgreich ist, handelt „Love Supreme“. Bob Dylan hat eine
       Duesenberg, Ron Wood von den Stones auch und die Gitarristen von AC/DC oder
       Tom Petty & The Heartbreakers. Im Laufe des Films wird genau gezeigt, wie
       aus einem Stück Holz ein schönes Instrument wird. Diese Aufnahmen geben dem
       Film eine so starke Struktur, dass die Filmemacher ansonsten auf jede
       herkömmliche Dramaturgie verzichten konnten und frei assoziativ zwischen
       Musikern, Themen und Spielorten hin und her springen können. Einmal wird
       von einer Autofahrt durch Nashville direkt zu einer Straßenszene in
       Hannover geschnitten – beide Sequenzen sind so mit der Musik gesättigt,
       dass der Bruch kaum auffällt.
       
       Auch Olaf Neumann und Steffen König sind den Duesenberg-Gitarren verfallen.
       Vier Jahre lang haben sie an diesem Film gearbeitet, haben die Recherchen,
       Reisen und Dreharbeiten selbst finanziert und nur für den Schnitt, die
       Tonbearbeitung und die restliche Postproduktion eine Förderung von der
       Nordmedia bekommen. Der Ursprung des Films war ihr Erstaunen darüber, dass
       ausgerechnet in ihrer Heimatstadt Gitarren entworfen und gebaut werden, die
       in der internationalen Musikszene so gefragt sind wie früher eine Gibson
       oder eine Stratocaster.
       
       In den frühen 90er-Jahren wurde die Duesenberg von Dieter Gölsdorf
       entwickelt, der sich im Film als einen eher mittelmäßigen Gitarristen
       beschreibt. Die Schuld an seinem schlechten Spiel suchte er immer beim
       Instrument, das er deshalb ständig auseinandernahm, umbaute und neu
       entwarf. Er hat dann die Gitarre zwar nicht neu erfunden, variierte seine
       klassischen Formen und Funktionen aber so schön und wohlklingend, dass
       seine Instrumente zuerst Geheimtipps unter Rockmusikern wurden und
       inzwischen vor allem in den USA gut verkauft werden. „Love Supreme“ ist
       also auch ein Werbefilm für diese Firma, die den beiden Regisseuren alle
       Türen öffnete, sie in der Werkstatt sowie auf ihren Verkaufsständen auf
       Musikmessen in Los Angeles und Nashville filmen ließ und ausführliche
       Gespräche mit Gölsdorf und seinen leitenden Angestellten ermöglichte.
       
       Interessanter wird der Film, wenn die Filmemacher Musiker über ihre
       Erfahrungen mit den Instrumenten erzählen lassen. Diese Interviews beginnen
       zwar immer mit Lobpreisungen der Duesenberg-Gitarren, aber dann schweifen
       die Künstler schnell ab, und die Filmemacher waren so klug, diese Exkurse
       im Film zu lassen. So ist dies ganz nebenbei auch ein Psycho- und
       Soziogramm der Gattungen E-Gitarristen und Rockmusiker geworden. Da die
       Protagonisten von Haus aus extrovertierte Selbstdarsteller sind, sind ihre
       Auftritte vor der Kamera durchgehend dramatisch und unterhaltsam.
       
       Mit Marius Müller-Westernhagen, Wolfgang Niedecken, Peter Maffay, Anna Loss
       von Silly und ihren Gitarristen haben sich die Filmemacher zuerst ihre
       Gesprächspartner in der deutschen Rock- und Popbranche gesucht. Eine
       Zeitlang scheint es kaum ein Rock-Konzert in Hannover, Osnabrück oder
       Wolfsburg gegeben zu haben, bei dem sie nicht mit ihrem Kamerateam dabei
       waren, und so ist der Film gespickt mit Konzertausschnitten der
       Protagonisten. Müller-Westernhagen erzählt von seiner rebellischen Jugend,
       Peter Maffay davon, dass in seinem Geburtsland Rumänien Rockmusik als
       staatsfeindlich verfolgt wurde und Anna Loss berichtet von ähnlichen
       Schwierigkeiten in der DDR. Einige erzählen von ihrer ersten Gitarre wie
       von ihrer ersten Liebe, schildern das unstete Musiker-Wanderleben und wie
       intensiv sie ihre Auftritte auf einer Bühne erleben.
       
       Die Filmemacher befragten auch Musiker aus den USA wie Dave Stewart und
       Tito Larriva von Tito & Tarantula, die auf Tourneen nach Norddeutschland
       waren und fuhren schließlich selbst in die USA, wo sie Aufnahmen mit dem
       Produzenten Dann Huff, dem Gitarristen von Wishbone Ash Andy Powell und dem
       Session-Musiker Tom Bukavac aus Nashville machten. Letzterer spielt dann
       auf einer akustischen Gitarre auf dem heimischen Sofa zusammen mit seiner
       Frau, der Sängerin Sarah Buxton, eine schöne Ballade.
       
       Nach diesem Film weiß man alles über die Duesenberg-Gitarren. Auch dass ein
       Freund von Dieter Gölsdorf den Markennamen erfunden hat und dafür mit 500
       Mark bezahlt wurde. Nur die Preise der Instrumente verschweigen die
       Filmemacher dezent: 900 bis 2.500 Euro muss man für diese Liebe zahlen.
       
       ## Ab heute im Apollo-Kino, Hannover,
       
       19 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
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