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       # taz.de -- Massaker an Bergleuten in Südafrika: Das Apartheid-Trauma kehrt zurück
       
       > Vor zwei Jahren erschoss Südafrikas Polizei 34 streikende Bergleute.
       > Inzwischen hat die Untersuchungskommission ihre Arbeit beendet.
       
   IMG Bild: Marsch in Gedenken an die Opfer am zweiten Jahrestag des Massakers.
       
       JOHANNESBURG taz | Familienangehörige weinen, Opfer erleiden vor laufenden
       Kameras Nervenzusammenbrüche. Schock und Trauer begleiten die Arbeit der
       Farlam-Untersuchungskommission, die das blutigste staatliche Massaker in
       Südafrika seit Ende der Apartheid vor 20 Jahren durchleuchtet: die
       Erschießung von 34 streikenden Bergarbeitern durch die Polizei auf einem
       Hügel bei Marikana am 16. August 2012.
       
       Die kühlen Sitzungsräume erinnern an die nüchterne Atmosphäre
       südafrikanischer Gerichtssäle; aber wenn Hinterbliebene die Hände vor die
       Augen legen, weil sie vor Tränen nicht mehr sprechen können, flackert die
       Erinnerung an die traumatischen Anhörungen der südafrikanischen
       Wahrheitskommission auf.
       
       Die Erinnerung an brutale Morde des Apartheidregimes ist bei vielen
       Südafrikanern angesichts von Marikana erneut wach geworden. Der Wahrheit
       nahegekommen ist die von Südafrikas Präsident Jacob Zuma berufene
       Kommission unter Vorsitz des pensionierten Richters Ian Farlam aber nur
       bedingt. Denn die Polizei mauert bis zum Schluss.
       
       34 streikende Bergarbeiter kamen am 16. August 2012 durch Polizeikugeln ums
       Leben. Es starben insgesamt 44 Menschen, mehr als 70 wurden verwundet und
       250 verhaftet. Die Polizisten eröffneten ohne Warnung das Feuer auf die mit
       Macheten und Stöcken protestierenden Kumpels vom Platinwerk Lonmin. Aber
       wenn die Untersuchungskommission am heutigen Freitag zum letzten Mal tagt,
       bleibt die letztendliche Verantwortung möglicherweise ungeklärt.
       
       ## Vorsorglich Leichenwagen bestellt
       
       Die Polizei behauptet, sich lediglich gegen eine aggressive Menschenmenge
       gewehrt zu haben – aber warum hatte sie schon vorher eigens vier
       Leichenwagen bestellt? Gab es politischen Druck auf die Polizei?
       Polizeichefin Riah Phiyega müsste diese Fragen beantworten können. Aber bei
       ihrer letzten Anhörung im September schwieg sie oft und konnte sich nicht
       an Einzelheiten eines Sondertreffens am Tag davor erinnern, als der
       Einsatzplan durchgesprochen wurde. Dass es dieses Treffen gab, hatte die
       Kommission auch nur zufällig erfahren. Phiyegas Glaubwürdigkeit blieb auf
       der Strecke.
       
       Opferanwalt Dali Mpofu ließ auch ansonsten nicht locker. Die Verwicklung
       des jetzigen Vizepräsidenten Cyril Ramaphosa liegt für ihn auf der Hand; er
       will ihm strafrechtlich verfolgen lassen. Aus E-Mails geht hervor, dass
       Ramaphosa als damaliges Mitglied im Lonmin-Aufsichtsrat die Entscheidung
       mittrug, die Forderungen der Streikenden zu ignorieren. Vor der Kommission
       sagte Ramaphosa, er habe, als er kurz vor dem Massaker Polizeichef Nathi
       Mthethwa anrief, nicht vorgeschrieben, wie die Polizei den Streik beenden
       solle. „Ich fühlte mich verpflichtet, zu helfen und zwischen den
       Autoritäten zu kommunizieren.“
       
       Die Kommission wird jetzt ihren Bericht fertigstellen und ihn an Präsident
       Zuma übergeben. Der hat derweil mit anderen Peinlichkeiten zu kämpfen:
       Gegen ihn soll wegen der Verwendung von Steuergeldern beim 240 Millionen
       Rand (knapp 20 Millionen Euro) teuren Umbau seiner Residenz in seinem
       Heimatort Nkandla ermittelt werden, und am Donnerstag wurde dazu im
       Parlament ein Untersuchungsbericht vorgelegt.
       
       Aus der Nkandla-Kommission im Parlament hatte sich die Opposition vor einem
       Mona zurückgezogen. Es blieben die Mitglieder der Regierungspartei ANC, die
       erwartungsgemäß Zuma von jeglichem Fehlverhalten freisprachen. Chaos brach
       am Donnerstag im Parlamentssaal aus, als Oppositionelle lautstark die
       Parlamentssprecherin Baleka Mbete beschimpften und sie die Redner
       hinauswerfen ließ.
       
       14 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martina Schwikowski
       
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