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       # taz.de -- Gegenentwurf Gemeinwohl-Ökonomie: Auftakt einer neuen Wirtschaft
       
       > Regionalgruppe wirbt für eine am Gemeinwohl orientierte Ökonomie und den
       > Abschied vom Wachstum. Ein Modell, das in eine krisenfeste Zukunft führen
       > soll.
       
   IMG Bild: Manche halten Pusteblumen für Unkraut, das GWÖ-Netzwerk nutzt sie als Symbol.
       
       BREMEN taz | Noch bevor der Blick auf die Häppchen fällt, die in Gestalt
       aufgespießter Oliven und Weintrauben auf Käse und Pumpernickel oder
       geschnittener Brotscheiben mit Rote-Bete- oder Curryaufstrich gleich neben
       dem Eingang parat stehen, bekommt jeder Eintretende einen kopierten
       taz-Artikel zum Thema des Abends in die Hand gedrückt: [1][„Abschied vom
       Wachstumszwang“] so der Titel. Hier, im Bauraum e. V., einem
       Ausstellungszentrum für das Modernisieren und Energiesparen, dreht sich
       heute alles um einen Gegenentwurf zur kapitalistischen Wirtschaft.
       
       Die Gemeinwohl-Ökonomie, kurz GWÖ, verspricht, ein Modell mit Zukunft zu
       sein: Weil es nicht auf Wachstum schielt, sei es weniger anfällig für
       Wirtschaftskrisen, erklären die Vertreter der Bremer Regionalgruppe des
       [2][GWÖ-Netzwerks] aus dem Dunstkreis von Attac, das mit einer Pusteblume
       für sich wirbt. Das Auftakttreffen richtet sich zunächst an Unternehmen,
       die mit gutem Beispiel vorangehen und sich mit einer Gemeinwohl-Bilanz
       zertifizieren lassen wollen. Denn Wachstum mache Menschen krank, sagt
       Jürgen Fuchs, ein in der Bremer Attac-Gruppe aktiver Arzt. Auf der Suche
       nach Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaft sei man auf die
       Gemeinwohl-Ökonomie gestoßen, erklärt er: „Das Modell ist das
       ausgefeilteste, das es derzeit gibt.“
       
       Das Konzept, den Wohlstand gerechter zu verteilen, auf Kooperation statt
       auf Konkurrenz zu setzen und das Gemeinwohl statt die Maximierung des
       individuellen Nutzens als Ziel allen Wirtschaftens in den Mittelpunkt zu
       rücken, stammt vom Wiener Publizisten und Mitbegründer von Attac
       Österreich, Christian Felber. Es versteht sich als ein Entwicklungsprozess,
       an dem jeder Privatmensch und jedes Unternehmen teilnehmen kann.
       
       Europaweit orientieren sich bereits 1.720 vor allem kleinere Betriebe daran
       und legen entsprechende Gemeinwohl-Bilanzen vor. Dabei handelt es sich um
       messbare Kriterien, die sich an Werten wie der gegenseitigen Wertschätzung
       und Gerechtigkeit orientieren. Die Erträge des Betriebs sollen
       dementsprechend möglichst den Mitarbeitern dienen, mit knappen Ressourcen
       sollte sparsam umgegangen werden und betriebliche Strukturen sollten
       transparent und demokratisch sein. Die Bandbreite der Unternehmen, die sich
       zur Gemeinwohl-Ökonomie hingezogen fühlen, ist groß: Neben dem
       Kräuterhändler Sonnentor und dem Biobäcker Märkisches Landbrot sind
       Handels- und Handwerksbetriebe und Dienstleister mit von der Partie. Zu den
       größten Unternehmen zählt die Münchner Sparda-Bank. Auch die taz hat
       kürzlich eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen lassen. Seit knapp vier Wochen
       findet sich auf der Website [3][selbsttest.gwoe.net] auch der
       Gemeinwohl-Selbsttest für Privatpersonen.
       
       Anvisiert ist auch ein monetärer Nutzen. Über ein Belohnungssystem, in dem
       Unternehmen über Gemeinwohl-Punkte steuerliche Vorteile genießen oder
       bessere Kredite bei staatlichen Banken bekommen.
       
       Andreas Bruske, der an diesem Abend aus Bad Bederkesa gekommen ist, um über
       seine Erfahrungen mit der GWÖ zu berichten, fühlt sich noch ziemlich allein
       auf weiter Flur. Der Gründer und Geschäftsführer des 25 Mitarbeiter
       zählenden Betriebs „ad fontes“ baute bereits 1987 die ersten Solaranlagen
       auf Hausdächer. „Bislang habe ich darauf nur drei Rückmeldungen bekommen“,
       sagt er. Gebracht hätte es ihm trotzdem viel. Vor allem, so hebt er hervor:
       die Reflexion über das eigene Handeln.
       
       13 Nov 2014
       
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