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       # taz.de -- Streit zwischen Spanien und Gibraltar: Europas neuester Fußballzwerg
       
       > 30.000 Einwohner, eigenes Nationalteam: Gibraltar will auch in den
       > Welt-Fußballverband Fifa. Spanien stellt sich quer – wegen
       > Gebietsansprüchen.
       
   IMG Bild: Umstrittene Enklave am Mittelmeer (mit Kanone und Berberaffe)
       
       GIBRALTAR taz | Geschäftsführer Dennis Beiso geht um das Victoria-Stadion
       herum, an Baucontainern vorbei zum Hintereingang und die Treppe hoch. Die
       Büros der Gibraltar Football Association (GFA) sind eng, die Gemüter
       aufgeregt, das Zimmer gleich rechts steht voller Koffer: mit den Sachen für
       Deutschland.
       
       In Nürnberg wird Gibraltar am Freitag das vierte Qualifikationsspiel seiner
       Geschichte bestreiten. Bisher gab es drei Niederlagen und 0:17 Tore, es
       dürften also lange 90 Minuten werden beim Weltmeister – und doch wollen sie
       jede davon genießen.
       
       Hinter der britischen Kolonie liegt schließlich auch ein langer Weg. 1997
       erbat die GFA die Aufnahme in die Fifa. Gebiete wie die Färöer oder die
       Cayman Islands waren beigetreten, da schien man auch mit nur 30.000
       Einwohnern und ohne volle staatliche Souveränität in bester Gesellschaft.
       Die Fifa leitete das Gesuch an die Uefa weiter – und bald kam das erste
       Nein.
       
       Gibraltar zog vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas, erhielt Recht,
       doch die Uefa blieb stur; so ging das jahrelang. Bis die Richter die
       Aufnahme quasi anordneten und Beisos Leute das ganze mit einer europaweiten
       Charmeoffensive begleiteten.
       
       Im Treppenhaus der Verbandszentrale hängen gerahmte Wappen von GFA und
       Uefa. Die Aufnahme als 54. Mitglied im Mai 2013 war nicht nur Anlass für
       eine Straßenparade und eine Sonderbriefmarke über 54 Pence, sondern
       ermöglichte auch die Anstellung fester Mitarbeiter.
       
       ## Das Problem: Spanien beansprucht Gibraltar
       
       Beiso, 37, arbeitete vorher als Archivar für die Regierung und nur parallel
       als „Uefa Liaison Officer“ der GFA. Seine Erfahrung mit schwierigen Affären
       und geheimnisvollen Fußballbehörden kann er jetzt noch mal recyceln, denn
       der Weg ist noch nicht zu Ende. Im Treppenhaus fehlt noch das Wappen der
       Fifa. „Beim Boxkampf käme jetzt die zweite Runde“, sagt Beiso. Der Gegner
       dort heißt Sepp Blatter.
       
       Der Fifa-Präsident sagte im September, dass Gibraltar gemäß der Statuten
       nicht beitreten könne: Es sei kein unabhängiger Staat. Das sind etliche
       andere Fifa-Mitglieder zwar auch nicht, aber die werden halt nicht von
       Spanien beansprucht. Dass die sechs Quadratkilometer am Affenfelsen im
       Vertrag von Utrecht 1713 den Briten zugeschlagen wurden, kratzt auch 300
       Jahre später noch an Madrids Stolz. Über den demokratischen Weg lässt sich
       wenig erreichen, zuletzt stimmten die Gibraltarer bei einem Referendum 2002
       mit 17.900 zu 187 Stimmen (oder 98,4 Prozent) für den Status quo.
       
       Alle spanischen Sportverbände sind von der Regierung angewiesen, die
       Aufnahme gibraltarischer Delegationen tunlichst zu verhindern.
       Staatsdoktrin. Fußballchef Angel María Villar drohte während des
       Uefa-Beitrittsprozesses sogar mit dem Rückzug aller spanischen Vereine aus
       den europäischen Klubwettbewerben.
       
       ## 
       
       Als die Gerichte keine andere Wahl mehr ließen, wurde zumindest erreicht,
       dass Gibraltar nicht gegen Spanien spielen dürfe; was sonst nur bei
       Kriegssituationen – wie derzeit zwischen Russland und der Ukraine – üblich
       ist. Als Gibraltar dann bei der Auslosung der EM-Qualifikation just in der
       spanischen Gruppe landete, wurde es flugs zu Deutschland weiter geschoben.
       
       „Diese Laune des Schicksals zeigt nur, wie lächerlich das alles ist“, sagt
       Beiso. „Spanien hat ein politisches Problem mit uns und trägt es in den
       Fußball hinein“. Undenkbar, dass Gibraltar seine Heimspiele, für die das
       Victoria-Stadion nicht die Uefa-Auflagen erfüllt, im nahen Cádiz austragen
       könnte; man muss bis nach Faro, Portugal. Auch der bürokratische Alltag ist
       zäh. Geht es etwa um einen Spielerpass für einen der vielen Spanier bei
       gibraltarischen Vereinen, dann kann ein simples Transferzertifikat
       plötzlich zu einer hochkomplexen Angelegenheit werden.
       
       Zu Gibraltars Pech steht Blatter gerade mal wieder im Wahlkampf, er braucht
       das Wohlwollen der Spanier und ihren Einfluss im Weltfußball. So müssen
       wieder die Anwälte ran – sie bereiten eine erneute Klageschrift für den Cas
       vor. Beiso sagt: „Hoffentlich sieht Sepp Blatter bald das Licht.“
       
       14 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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