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       # taz.de -- Dating-Tipps von Pick Up Artists: Anbaggern oder vergewaltigen?
       
       > Gegen die Seminare sogenannter Pick Up Artists formiert sich weltweiter
       > Protest. Auch in Deutschland wird überlegt, wie man ihnen das Handwerk
       > legen kann.
       
   IMG Bild: In seinen Videos gibt RSDJulien Aufreißtipps.
       
       BERLIN taz | Das Video ist nicht mehr verfügbar. Urheberrecht. Aber als es
       noch verfügbar war, da prahlte dort ein junger bärtiger Mann vor einem
       Publikum anderer junger Männer damit, dass er eine Frau penetriert habe,
       die das gar nicht wollte. Sie hatten am Abend zuvor Sex gehabt, am nächsten
       Morgen wollte er weitermachen, sie wollte nicht – aber das sei ihm egal
       gewesen, erzählt er stolz.
       
       Etwas spät ist der US-Firma Real Social Dynamics, für die der junge Mann
       arbeitet, klar geworden, dass da jemand per Video eine Vergewaltigung
       gesteht. Viele haben es bereits gesehen – und so ist die Firma Real Social
       Dynamics, kurz RSD, die Seminare für Männer anbietet, die Frauen
       abschleppen wollen, plötzlich ein Begriff. [1][#takedownrsd] und
       [2][#takedownjulienblanc] heißen die Twitter-Hashtags, unter denen sich
       wütender Protest sammelt. „Ziel ist, dass diese Firma verschwindet“, sagte
       Initiatorin Jennifer Li aus Washington, der BBC. Und auf Change.org gibt es
       eine Petition, die auffordert, die Seminare von RSD zu verhindern.
       
       Wer steht hinter RSD? Es sind Leute [3][wie Julien Blanc], von dem sich
       noch Videos im Netz finden. „Wenn du als weißer Mann nach Tokio kommst“,
       erklärt er dort seinem Publikum, „kannst du tun, was du willst: Pack sie
       einfach, zieh sie zu dir, sie wird einfach nur kichern. Ich lief dort durch
       die Straßen und zog ihre Köpfe zu meinem Schwanz, Kopf zum Schwanz, Kopf
       zum Schwanz. It’s awesome.“ Ja, wirklich. Danach gibt es noch ein paar
       Szenen aus einer Disco, in denen er das Empfohlene vorführt. Tatsächlich
       kichern die Frauen. Aber wahrscheinlich eher, weil er sich wie ein Idiot
       verhält.
       
       Wer tut sich so einen rassistischen und sexistischen Quatsch an? Eine Menge
       Leute. Die Firma bietet Seminare in 70 Ländern rund um die Welt an. RSD
       meint, sie sei die größte Dating-Beratung der Welt. Man kann einen
       Audio-Kurs buchen, einen E-course, ein DVD-Set bestellen oder gar ein
       mehrtägiges Bootcamp besuchen.
       
       ## Bootcamps in Berlin
       
       Am Wochenende soll angeblich eines der Bootcamps in Berlin stattfinden.
       Ort: noch unbekannt. Nicht Julien Blanc, sondern ein anderer Trainer soll
       es leiten: „Ozzie“. Er hat ein Buch über „The physical Game“ verfasst,
       Untertitel: „Wie man Frauen physisch führt und ins Bett kriegt“.
       
       Das Seminar sei bereits ausgebucht, heißt es auf der Website. Es kostet
       2.000 Dollar und dauert zwei Tage, Praxisübungen in freier Wildbahn
       inklusive. „Zurückweisung existiert für sie nicht“, wirbt Testimonial Josef
       G. aus Minneapolis auf der Homepage. „Ich war schockiert, dass Typen, die
       man wirklich als schwierige Fälle bezeichnen kann, die Frauen nur so
       einsammelten.“
       
       Dass dies durch gröbste Belästigung von Frauen ermöglicht werden soll und
       sich einzelne Coachs offenbar für sexuelle Gewalt aussprechen, hat eine
       rapide wachsende Gemeinde von Kritikerinnen und Kritikern auf den Plan
       gerufen. Hoteliers werden aufgefordert, die Räume für die Seminare zu
       stornieren. In Australien trug der Protest bereits Früchte: Mehrere
       australische Hotels sagten Seminare ab. Schließlich reagierte auch
       Australiens Innenministerium: Vergangenen Donnerstag setzte es Blanc auf
       die Liste unerwünschter Personen und entzog ihm das Visum. Er musste
       ausreisen.
       
       In Deutschland reagierte außerhalb der sozialen Netzwerke bisher vor allem
       die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes: „So weit wir das sehen
       können, wird in diesen Veranstaltungen zu sexueller Gewalt gegen Frauen
       aufgerufen“, sagt Birte Rohles, Referentin der Organisation. „Das ist nicht
       mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt.“
       
       ## Offener Sexismus
       
       Die Politik schreckt gerade erst auf: „Nicht nur Julien Blanc ist
       untragbar. Auch Veranstalter sollten endlich überlegen, ob sie diesem Coach
       der Gewalt und des Sexismus noch Räume vermieten“, sagte die
       Linken-Abgeordnete Cornelia Möhring der taz. Und die Grüne Ulle Schauws
       sagt: „Diese Marketing-Masche ist an offenem Sexismus kaum zu überbieten.
       Und zwar gegenüber Frauen wie Männern.“
       
       Die Firma reagiert erst allmählich: Sie lässt Videos sperren und Mitgründer
       Owen Cook, der im Netz als „Tyler Durden“ firmiert, dem Protagonisten aus
       dem Film „Fight Club“, soll inzwischen ein Statement zu Blancs Videos
       verfasst haben: „Das Video war absolut dumm“, schreibt er dort nach einem
       Bericht der Washington Post. „Es wurde veröffentlicht, um zu schockieren.
       Dabei war Blanc nicht bewusst, was daraus folgt. Es tut mir leid“, heißt es
       da. Sucht man das Statement jedoch auf der Homepage seiner Firma, gerät man
       in einen Passwort-geschützten Bereich.
       
       Fraglich, ob das ausreicht, um die Proteste zu beruhigen. Kanada denkt
       ebenfalls schon über eine Einreisesperre für Blanc und Konsorten nach. Für
       Deutschland aber brauchen US-Amerikaner kein Visum. Und die Hotels, in
       denen die Veranstaltungen stattfinden, hält die Firma bislang geheim.
       Anfragen der taz kamen gestern nicht zu RSD durch: Der Server war
       überlastet.
       
       12 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://twitter.com/search?q=%23takedownrsd
   DIR [2] http://twitter.com/search?q=%23takedownjulienblanc
   DIR [3] http://www.youtube.com/user/RSDJulien
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
       ## TAGS
       
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