# taz.de -- EuGH-Urteil über Sozialleistungen: Ein Urteil mit begrenzter Wirkung
> EU-Bürger, die keine Arbeit suchen, bekommen auch kein Hartz IV, hat der
> EuGH geurteilt. Aber wie ist es mit Arbeitsuchenden?
IMG Bild: Sind da auch EU-Ausländer dabei? Warten beim Arbeitsamt.
BERLIN taz | Wirtschaftlich inaktive EU-Bürger haben in Deutschland keinen
Anspruch auf Hartz IV. Das hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in
einem Grundsatzurteil entschieden. Ob auch EU-Bürgern, die sich als
Arbeitsuchende melden, Hartz IV verweigert werden kann, ist noch offen.
Dies wird der EuGH erst später in einem anderen Urteil entscheiden.
Konkret ging es hier um den Fall der 25-jährigen Rumänin Elisabeta D., die
mit ihrem fünfjährigen Kind in Leipzig lebt. Die Rumänin hatte in ihrer
Heimat nur drei Jahre die Schule besucht und weder dort noch in Deutschland
gearbeitet. Sie lebt bei ihrer Schwester, die sie mit Lebensmitteln
versorgt. Außerdem erhält sie monatlich Kindergeld in Höhe von 184 Euro und
einen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 133 Euro, weil der Vater unbekannt
ist.
D.'s Antrag auf Hartz-IV-Leistungen für sich und das Kind hat das Jobcenter
Leipzig abgelehnt. Die Frau klagte dagegen beim Sozialgericht Leipzig und
forderte Gleichbehandlung mit Deutschen. Das Leipziger Gericht hatte den
Fall dann im Sommer 2013 dem EuGH vorgelegt.
Der Luxemburger EU-Gerichtshof entschied nun, dass die deutschen Behörden
einem EU-Bürger Hartz IV verweigern dürfen, wenn dieser nur nach
Deutschland zog, um „in den Genuss von Sozialleistungen“ zu kommen.
Zwar gelte im Sozialleistungsrecht aufgrund einer EU-Verordnung
grundsätzlich ein Anspruch auf Gleichbehandlung. Allerdings sehe die
Freizügigkeitsrichtlinie von 2004 hiervon ausdrücklich Ausnahmen vor. Wer
in Deutschland kein Recht auf Aufenthalt hat, könne auch keine
„Sozialhilfe“ inklusive Hartz-IV-Leistungen beanspruchen. Wirtschaftlich
inaktive EU-Bürger genießen nur dann Freizügigkeit, wenn sie selbst für
ihre Existenz sorgen können.
## Unvermeidliche Folge
Dass Deutsche und EU-Bürger dabei ungleich behandelt werden, sei keine
unzulässige Diskriminierung, sondern unvermeidliche Folge der EU-Richtlinie
von 2004. Ziel der dortigen Unterscheidung sei es, eine „unangemessene
Inanspruchnahme von Sozialleistungen“ zu verhindern.
Anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen, verlangt der EuGH auch
keine umfassende Einzelfallprüfung. Der Anspruch auf Hartz IV soll auch
dann nicht gelten, wenn die Notlage nur vorübergehend ist und der EU-Bürger
sich bereits gut in Deutschland integriert hat (Az.: C-333/13). Gerda
Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, begrüßte das Urteil als
„richtiges Signal“.
Die Wirkung des Urteils dürfte allerdings begrenzt sein. Denn es gilt
ausdrücklich nicht für „Arbeit suchende“ EU-Bürger. Wer also nach
Deutschland kommt und sich nicht nur arbeitslos meldet, sondern auch
nachweisbar um Stellen bewirbt, kann weiter auf Hartz IV hoffen.
## Was ist mit Arbeitsuchenden?
Wie die Rechtslage bei Arbeit suchenden EU-Bürgern aussieht, wird der EuGH
im Fall einer schwedischen Staatsbürgerin entscheiden, der das Jobcenter in
Berlin-Neukölln Hartz IV verweigert hat. Ihren Fall hat das
Bundessozialgericht im Dezember 2013 dem EuGH vorgelegt. Die mündliche
Verhandlung dürfte bald stattfinden. Ein genauer Termin ist aber noch nicht
festgesetzt.
Dieser Fall ist auch politisch brisanter. Denn für Arbeit suchende
EU-Bürger hat der Bundestag 2007 im Sozialgesetzbuch II ausdrücklich
festgeschrieben, dass sie keinen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben.
Dieser Automatismus wurde in letzter Zeit aber von vielen deutschen
Gerichten infrage gestellt, die dann doch Hartz-IV-Leistungen gewährten.
Es bleibt aber auf jeden Fall dabei, dass arbeitende und selbstständige
EU-Bürger, die wenig verdienen, ihre mickrigen Einnahmen mit
Hartz-IV-Leistungen aufstocken können. Hier sieht das deutsche Recht keinen
Ausschluss vor, und der wäre auch kaum mit EU-Recht vereinbar. Schon ein
kleiner Verdienst genügt, dass jemand als Arbeitnehmer gilt. Auch ein
Arbeitnehmer, der unverschuldet arbeitslos wird, behält seinen Status nach
der Entlassung.
11 Nov 2014
## AUTOREN
DIR Christian Rath
## TAGS
DIR EuGH
DIR Hartz IV
DIR Europäische Union
DIR Arbeitsamt
DIR Arbeitslosigkeit
DIR Sozialsystem
DIR Hartz IV
DIR EuGH
DIR Hartz IV
DIR EU
DIR Rumänien
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Kommentar Mindesthilfe: Sorglos im Ländle? Von wegen
In Berlin sind viermal soviele Einwohner auf staatliche Beihilfen
angewiesen wie in Baden-Württemberg. Furcht vor einem Abstieg herrscht aber
auch dort.
DIR Debatte Langzeitarbeitslosigkeit: Bei Jugendlichen anfangen
Hartz IV hat Langzeitarbeitslosen die Wiedereingliederung ins Erwerbsleben
so gut wie unmöglich gemacht. Das muss nicht so bleiben.
DIR Kommentar Hartz IV für EU-Bürger: Lieber nicht großzügig
EU-Ausländer, die nicht nach Arbeit suchen, können kein Hartz IV
beantragen, hat der EuGH geurteilt. Richtig so. Die Alternative wäre sehr
unschön.
DIR Hartz IV für EU-Bürger: Geld kann verweigert werden
EU-Bürgern können Sozialleistungen verwehrt werden. Ein Staat muss diese
Möglichkeit haben, entschied der Europäische Gerichtshof.
DIR Merkel über Sozialmissbrauch: „Die EU ist keine Sozialunion“
Die Kanzlerin will Einreisesperren bei Sozialmissbrauch gesetzlich
verankern. Die Grünen bezeichnen Merkels Pläne als „populistisches
Wahlkampfgetöse“.
DIR Kommentar EuGH zu Hartz IV: Sozialschmarotzer raus
Zugereisten EU-Ausländern soll zukünftig Hartz IV vorenthalten werden. Die
Stimmung gegen Ausländer auf Ämtern wird nicht gerade freundlicher werden.