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       # taz.de -- Wechsel von Politik in Wirtschaft erschwert.: Bremse für Seitenwechsler
       
       > In Hamburg müssen Ex-SenatorInnen zwei Jahre nach Ende ihrer Amtszeit
       > fragen, ehe sie einen Job in der Wirtschaft annehmen dürfen.
       > Schleswig-Holstein ringt noch um eine solche Regelung.
       
   IMG Bild: Alle noch im Amt und nicht in der freien Wirtschaft: Bürgermeister Olaf Scholz (vorn) mit seinen SenatorInnen beim Amtsantritt im März 2011.
       
       HAMBURG taz | Ehemalige Hamburger SenatorInnen dürfen künftig zwei Jahre
       lang auf Steuerzahlers Kosten um die Außenalster spazieren und Tee trinken.
       Das ist die Konsequenz aus einer Neudefinition des Begriffs „politische
       Hygiene“, welche die Bürgerschaft der Hansestadt mit großer Mehrheit
       befürwortet hat. Die allein regierende SPD wie auch die oppositionellen
       CDU, Grünen und Linken haben eine entsprechende Regelung für eine
       zweijährige Karenzzeit verabschiedet. Damit solle künftig verhindert werde,
       so die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn, „dass ehemalige
       Senatsmitglieder ihre Kenntnisse und Kontakte aus dem Amt für
       Wettbewerbsvorteile nutzen“.
       
       Künftig kann der Hamburger Senat zwei Jahre lang die Aufnahme einer
       konkreten Arbeit untersagen, sollte eine konkrete Gefahr der
       Interessenkollision zur vorherigen Amtstätigkeit festgestellt werden. Diese
       Regelung zielt in erster Linie auf eine Festanstellungen in der
       Privatwirtschaft ab, für die im Amt erworbene Kenntnisse nützlich sein
       können. Für freiberufliche Tätigkeiten gilt diese Regelung allerdings
       nicht. Denn sonst müsste zum Beispiel bei Rechtsanwälten jedes Mandat auf
       eventuelle Interessenkollisionen untersucht werden. Da dies auch rechtlich
       höchst problematisch wäre, verweist die jetzt beschlossene Regelung
       lediglich auf die entsprechenden berufsständischen Regelungen.
       
       ## Zwei Jahre ausruhen
       
       Die Zwei-Jahres-Frist entspricht jenem Zeitraum, in dem den ehemaligen
       Senatoren und Senatorinnen auch das Übergangsgeld gezahlt wird. Sie
       erhalten bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt in den ersten drei Monaten
       weiter ihre vollen Bezüge von rund 11.500 Euro im Monat, für weitere
       höchstens 21 Monate bekommen sie die Hälfte ausgezahlt. Die jetzt
       verabschiedete Regelung entspricht bereits bestehenden Vorgaben für
       ehemalige Staatsräte und andere hohe politische Beamte. Zugleich können
       Ex-Senatoren sie faktisch so auslegen, dass sie sich zwei lockere Jahre
       ausruhen können, ohne sich einen neuen Job suchen zu müssen.
       
       Aufsehen erregte jüngst Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner.
       Der Sozialdemokrat, der auch für den Wohnungsbau im Lande zuständig war,
       war Ende September von seinem Amt zurückgetreten und hatte angekündigt, zum
       1. Mai nächsten Jahres als Direktor zum Verband Norddeutscher
       Wohnungsunternehmen zu wechseln. Den neuen und besser dotierten Job hatte
       er noch während seiner Amtszeit selbst ausgehandelt.
       
       Deshalb debattiert der Landtag in Kiel zurzeit über feste Regeln für den
       Wechsel von Politikern in die Wirtschaft. Die Vorstellungen liegen bei
       einer Karenzzeit zwischen sechs Monaten (CDU) und drei Jahren (Grüne und
       Piraten).
       
       Auch auf Bundesebene hatte es zuletzt erheblichen Ärger über den Wechsel
       des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn, vom
       ehemaligen Entwicklungsminister Dirk Niebel zum Rüstungskonzern Rheinmetall
       und vom früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr (beide FDP) zu einem
       Krankenversicherer gegeben.
       
       Hamburgs SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sprach von einem vernünftigen
       Kompromiss, mit dem „Interessenkollisionen vermieden werden können“. Die
       neue Regelung sorge für eine gewisse Kontrolle, sagte
       CDU-Verfassungsexperte André Trepoll. Zugleiche schränke sie aber die freie
       Berufswahl nicht unzulässig ein. Skeptischer beurteilt der grüne
       Fraktionschef Jens Kerstan die Karenzzeit-Regelung. Auch die Neuregelung
       werde nicht jede umstrittene Personalie verhindern können, sagte Kerstan.
       „Im konkreten Fall wird auch weiterhin politisches Fingerspitzengefühl
       gefragt sein.“
       
       Lediglich die Hamburger FDP hat der Vereinbarung nicht zugestimmt. Sie sei
       unzureichend, heißt es. Nach ihrer Ansicht sollte nicht der Senat, sondern
       das Verfassungsgericht über die Tätigkeit ehemaliger Senatoren entscheiden.
       Vor allem aber monieren die Freidemokraten, dass öffentliche Unternehmen
       von der Neuregelung ausgespart werden. Der rasche Wechsel eines ehemaligen
       Regierungsmitgliedes in die Teppichetage eines städtisch kontrollierten
       Unternehmens, wie Flughafen, Wasserwerke, Hochbahn, Wohnungsbaugesellschaft
       Saga/GWG oder dem Hafenlogistiker HHLA, werde dadurch nicht verhindert.
       
       10 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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