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       # taz.de -- Konferenz zu deutschen Geheimdiensten: Es fehlt die Kontrolle
       
       > Welche Rolle Deutschland in den Überwachungsskandalen spielt? Gar nicht
       > so einfach, das herauszufinden, befinden Mitarbeiter von Kontrollgremien.
       
   IMG Bild: Eine BND-Satellitenschüssel in einer Empfangsanlage, dem sogenannten Radom in Bad Aibling
       
       BERLIN taz | Die Informatikerin Ute Bernhardt regt sich auf: „Es ist
       Staatsaufgabe den Schutz der Daten und der IT-Systeme rechtlich zu
       gewährleisten“. Das Bundesverfassungsgericht habe das Grundrecht auf
       informationelle Selbstbestimmung in einem Urteil zur Volkszählung 1983
       bestätigt. 2008 bestand das Gericht auf das Grundrecht auf Vertraulichkeit
       informationstechnischer Systeme. Trotzdem greifte auch Deutschland die
       Daten über seine Staatsangehörigen ab. „Solche Grundrechtsbrüche gibt es
       sonst nur in nicht demokratischen Staaten. Was heißt das für unsere
       Staatsform“?, [1][fragt sie]. Das Publikum applaudiert.
       
       Zum 30. Jubiläum gibt das Forum InformatikerInnen für Frieden und
       gesellschaftliche Verantwortung den Kongress „Der Fall des Geheimen“ am
       Freitag und Samstag in der TU Berlin. „Das Thema Überwachung erfährt
       momentan eine breite Öffentlichkeit“, sagt Christian R. Kühne, einer der
       Organisatoren [2][der Konferenz]. Durch die Snowden-Veröffentlichungen
       liege der Schwerpunkt jedoch oft auf den Programmen des amerikanischen
       Raums. Die Konferenz soll hingegen die Rolle der Deutschen Geheimdienste
       beleuchten, sagt er.
       
       Doch das ist gar nicht so einfach. Denn Untersuchungsausschüsse und
       Kontrollgremien haben zu oft nur eingeschränkten Zugriff auf die
       entscheidenden Informationen. „Die parlamentarische Kontrolle ist ein
       Placebo“, [3][sagt Wolfgang Nešković]. Er war fraktionsloser Politiker und
       Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. „Wir kontrollieren die
       Aufsichtstätigkeiten der Regierung über die Geheimdienste – nicht die
       Geheimdienste selbst.“ Es dürfe keine kontrollfreien Räume geben, der BND
       dürfe nicht mehr wissen als die Abgeordneten.
       
       Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg (CDU)
       [4][sieht das etwas anders]: „Es geht nicht, dass der Abendgeordnete den
       einzelnen Sachbearbeiter über die Schulter guckt. Aber wir müssen ein
       System haben, in dem wir systemische Fehler erkennen“, sagt er. Denn die
       Eingriffe der Geheimdienste sind massiv, und „da wo die Eingriffe massiv
       sind, muss man die Kontrolle verbessern.“ Er wolle und könne nach nur einem
       halben Jahr Ausschussarbeit natürlich nichts aus dem Abschlussbericht
       vorziehen, aber über das Bundesnachrichtendienst-Gesetz müsse man noch mal
       nachdenken, sagt Sensburg.
       
       ## Die Mehrheiten der Regierung
       
       Auch der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte [5][Peter Schaar sieht
       gesetzliche Verbesserungsmöglichkeiten]. „Datenschutzbeauftragte sind auch
       für die Nachrichtendienste zuständig“, sagt er, jedoch gebe es Ausnahmen
       für alles was unter die G10-Maßnahmen fällt. Das G10-Gesetz regelt die
       Einschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses und regelt so
       wesentlich die Geheimdienstkompetenzen. Für ihre Kontrolle gibt es eine
       eigene Kommission, die wie der Bundestag, mit entsprechenden Mehrheiten
       zusammengesetzt ist. Und zur Entscheidungsfindung hört diese nur die
       Nachrichtendienste selbst an und die Bundesregierung, so Schaar.
       
       Auch auf anderen Ebenen, bei der Verfolgung von privaten Unternehmen, hat
       der Datenschutzbeauftragte des Bundes Probleme: Die
       Landesdatenschutzbehörden können gegenüber Unternehmen Bußgelder verhängen
       und in schwerwiegenden Fällen die Datenverarbeitung untersagen, so Schaar.
       Das kann der Bundesbeauftragte nicht, erklärt er. Dieser müsse sich an eine
       Behörde, beispielsweise an die Bundesnetzagentur wenden und diese
       entscheidet, wie sie den Fall handhaben möchte.
       
       „Wir bekommen alle Akten, aber wir können sie nicht lesen“, sagt
       Hans-Christian Ströbele. Seit 1999 sitzt der Gründe Bundestagsabgeordnete
       im Parlamantarischen Kontrollgremium, zudem ist er auch Mitglied des
       NSA-Untersuchungsausschusses. „Wir bekommen Akten, die sind strenggeheim,
       da gibt es eine Überschrift, die Anrede – sehr geehrte Damen und Herren –
       und der Rest des Dokumentes ist geschwärzt“, sagt Ströbele. Angeblich seien
       hundert Mitarbeiter damit beschäftigt, die vom Ausschuss angefragten
       Dokumente, durchzugucken und zu schwärzen. „Das ist ´ne scheiß Arbeit“.
       
       9 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://media.ccc.de/browse/conferences/fiffkon/2014/fiffkon14_-_6520_-_de_-_saal_-_201411081615_-_nsa_it-sicherheit_und_die_folgen_-_ute_bernhardt_-_hans-christian_strobele_-_ingo_ruhmann.html#video&t=1767
   DIR [2] http://2014.fiff.de/medien.html
   DIR [3] http://media.ccc.de/browse/conferences/fiffkon/2014/fiffkon14_-_6522_-_de_-_saal_-_201411071830_-_vom_elend_der_parlamentarischen_kontrolle_der_geheimdienste_-_wolfgang_neskovic.html#video
   DIR [4] http://media.ccc.de/browse/conferences/fiffkon/2014/fiffkon14_-_6506_-_de_-_saal_-_201411081845_-_der_nsa-ausschuss_-_patrick_sensburg.html#video
   DIR [5] http://media.ccc.de/browse/conferences/fiffkon/2014/fiffkon14_-_6523_-_de_-_saal_-_201411081745_-_datenschutzkontrolle_bei_sicherheitsbehorden_-_peter_schaar.html#video
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bednarczyk
       
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