# taz.de -- Ausbildungs-Bilanz: Geschönte Darstellung
> Die Lage auf dem Ausbildungs-Markt ist nicht so positiv, wie sie verkauft
> wird. Manche Bewerber werden gar als "versorgt" gezählt, obwohl sie es
> nicht sind.
IMG Bild: Freie Sicht: Schiffsmechaniker müssen sich immerhin nicht mit den Untiefen von Statistiken herumschlagen.
Was stimmt denn nun, musste man sich fragen, als Ende vergangener Woche
zunächst der Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock Bilanz zum Ausbildungsjahr 2014
zog und kurz darauf die Linken-Faktionschefin Dora Heyenn ihre Lesart der
Zahlen vorstellte. Es hätten sich von Oktober 2013 bis September 2014 9.221
Jugendliche für einen Ausbildungsplatz beworben, teilte die Arbeitsagentur
mit. Weiter heißt es: „Noch nicht alle Bewerberinnen und Bewerber fanden
einen Ausbildungsplatz“. Diesbezüglich nennt die Arbeitsagentur die Zahl
1.537.
Auf der Rückseite der vierseitigen Pressemitteilung, in der Arbeitsagentur,
Handelskammer, Handwerkskammer und das Hamburger Institut für Berufliche
Bildung (HIBB) gemeinsam ein positives Fazit zogen, sind noch einmal die
Zahlen aufgelistet: „gemeldete Bewerberinnen/Bewerber 9.221, davon nicht
vermittelt 1.537“.
Heyenn nennt diese Ausbildungsstatistik „irreführend“. Denn im
Umkehrschluss müsse der unvoreingenommene Bürger denken, dass die übrigen
rund 7.684 Bewerber (83,5 Prozent) einen Ausbildungsplatz fanden. Heyenn:
„Das ist aber mitnichten der Fall.“ Tatsächlich hätten nur 42,3 Prozent
eine Lehrstelle bekommen. Das sei „keinesfalls positiv, wie SPD-Senat,
Arbeitsagentur, Handels- und Handwerkskammer behaupten“.
## Beruhigende Grafik
Ein Blick in die ausführliche Statistik der Bundesagentur lässt
nachvollziehen, wovon Heyenn spricht. Die Titelseite des 26-Seiten-Heftes
sieht noch beruhigend aus. Dort steht der grafisch dargestellte Block von
9.221 gemeldeten Bewerbern dem Block der 9.698 bei der Arbeitsagentur
gemeldeten Ausbildungsstellen gegenüber. Von diesen 9.698
Ausbildungsstellen wurden nur 3.899 Stellen mit Hamburger Bewerbern
besetzt. Das geht aus einer Tabelle im inneren des Heftes hervor.
Ein Großteil der verbliebenen Bewerber wird in der Statistik trotzdem als
„versorgt“ geführt. Zum Beispiel jene, die ein Praktikum oder ein
Berufsvorbereitungsjahr machen, weiter zur Schule gehen oder jobben. Doch
bei einer recht großen Gruppe von 2.772 gemeldeten Bewerbern – immerhin 30
Prozent – heißt es „ohne Angabe eines Verbleibs“. Es blieben also nicht nur
1.537 Bewerber ohne Ausbildungsplatz, sondern 2.772. Die Statistik der
Arbeitsagentur weist also 1.235 Bewerber als „versorgt“ aus, obwohl diese
gar nicht versorgt worden waren.
Gefragt, warum man die höhere Zahl bei der Jahresbilanz nicht ausgewiesen
hat, sagt Agentur-Sprecher Knut Böhrnsen, es handele sich bei der
Pressemitteilung um die erste Zusammenfassung einer „sehr umfangreichen und
dezidierten Datenlage“. Besagte 1.235 hätten sich aus der Vermittlung
abgemeldet oder seien keinen Kategorien zuzuordnen. Auch den Vorwurf der
Irreführung im Bezug auf die übrigen, nicht mit einer Lehrstelle versorgten
Bewerber weist Böhrnsen zurück. Man habe weder in der Pressemitteilung noch
auf der Pressekonferenz erklärt, „dass die 7.684 in Ausbildung gegangen
sind“.
Das Thema ist im Wahlkampf ein heikles. Hatte die SPD doch versprochen,
kein Jugendlicher solle verloren gehen.
Die Zahlentabelle von Handelskammer, Handwerkskammer, HIBB und
Arbeitsagentur ist übrigens mit Sternchen versehen. Jeder der Partner, so
heißt es dort, „zeichnet für seine Zahlen verantwortlich“.
6 Nov 2014
## AUTOREN
DIR Kaija Kutter
## TAGS
DIR Ausbildungsplätze
DIR Jugendarbeitslosigkeit
DIR Duale Ausbildung
DIR Hamburg
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