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       # taz.de -- Verdacht der Vetternwirtschaft: Geschäfte mit dem Patenonkel
       
       > Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Franz Allert, zuständig für die
       > Unterbringung von Flüchtlingen.
       
   IMG Bild: Franz Allert, Präsident des Lageso, bei einer Pressekonferenz im Oktober (3.v.l.)
       
       Für den Chef einer wichtigen Berliner Behörde könnte es bald eng werden:
       Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Franz Allert vom Landesamt für
       Gesundheit und Soziales (Lageso), unter anderem für die Unterbringung von
       Flüchtlingen zuständig, sowie gegen Geschäftsführer zweier Firmen, die
       solche Unterkünfte betreiben. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin
       Steltner, bestätigte am Donnerstag der taz, dass es Ermittlungen im
       Zusammenhang „mit dem Bau und Betrieb von Flüchtlingseinrichtungen“ gibt.
       Zu Einzelheiten sagte er nichts.
       
       Im Raum steht der Verdacht, dass das Lageso die Unternehmen Gierso und
       Pewobe, die wirtschaftlich eng verflochten sind, bei der Vergabe von
       Aufträgen bevorzugt hat. Zudem wurde die Einhaltung vereinbarter Standards
       womöglich nicht oder unzureichend kontrolliert – und so mehr Geld an die
       Firmen gezahlt als nötig. Einen zusätzlichen Beigeschmack bekommt dies,
       weil Allert Patenonkel des Geschäftsführers von Gierso, Tobias Dohmen, ist.
       Entsprechende Berichte von Bild und BZ bestätigte die dem Lageso
       übergeordnete Senatsverwaltung für Soziales am Donnerstag.
       
       Den Stein ins Rollen brachte die Initiative „Neue Nachbarschaft/Moabit“:
       Sie hatte Allert, Tobias Dohmen, Gierso-Mitarbeiter Wilhelm Pleß sowie den
       Geschäftsführer der Pewobe, Helmuth Penz, im März angezeigt. Die Anzeige
       liegt der taz vor. Die Initiative hatte sich im Gierso-Heim Levetzowstraße
       für die Flüchtlinge engagiert und war nach Kritik an Misständen im Herbst
       2013 hinausgeworfen worden. „Daraufhin haben wir angefangen zu
       recherchieren“, erzählt Udo Bockemühl, einer der drei Aktivisten, die die
       Anzeige unterschrieben haben.
       
       So besorgte sich die Initiative unter anderem den Vertrag zwischen Gierso
       und Lageso für das Moabiter Heim und stellte fest: Eigentlich war dort
       Kinderbetreuung vereinbart. Die habe es aber mindestens neun Monate lang
       nicht gegeben, so Bockemühl. Darüber habe man das Lageso im November 2013
       informiert. Dennoch habe das Amt bis heute keine Strafzahlung gegen Gierso
       verhängt. Laut Vertrag wäre es dem Lageso möglich, seine Zahlungen um das
       Fünffache der nicht nachgewiesenen Personalkosten zu kürzen. Warum dies
       nicht geschehe, erklärte ein Lageso-Abteilungsleiter laut Bockemühl so:
       „Wir sind an einem guten Arbeitsverhältnis mit den Heimbetreibern
       interessiert.“
       
       Auffällig ist, dass sich die Zahl der von der Gierso betriebenen
       Flüchtlingsunterkünfte in den vergangenen zwei Jahren deutlich erhöht hat:
       Von einer ab Oktober 2012 betriebenen Notunterkunft mit 150 Plätzen auf
       fünf Gemeinschafts- und Notunterkünfte mit 870 Plätzen im Oktober 2014.
       Allerts Patensohn Dohmen ist seit November 2012 Geschäftsführer der Gierso.
       Zwar haben auch andere – gemeinnützige wie private – Betreiber im selben
       Zeitraum zugelegt. So betrieb etwa die ebenfalls private Prisod im Oktober
       2012 vier Unterkünfte, aktuell sind es sieben, bei einer knappen
       Verdreifachung der Platzzahl. Die gemeinnützige AWO, die alle
       Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge betreibt, erhöhte ihre
       Unterkunftszahl im selben Zeitraum von drei auf acht.
       
       Geschuldet ist der Zuwachs den steigenden Flüchtlingszahlen. Doch in keinem
       Fall war er so groß wie bei der Gierso. Auch die Pewobe konnte die Zahl der
       von ihr betriebenen Unterkünfte in den zwei Jahren von drei auf sieben mehr
       als verdoppeln. Angeblich sind Pewobe und Gierso voneinander unabhängig.
       Doch ist Pewobe-Geschäftsführer Penz, eine dubiose Figur aus dem
       Westberliner Bau- und Sozialbusiness-Sumpf, auch Gründer der Gierso. Zudem
       hält die Pewobe 25 Prozent Gierso-Anteile.
       
       Canan Bayram, flüchtingspolitische Sprecherin der Grünen im
       Abgeordnetenhaus, fordert „lückenlose Aufklärung“ der Vorwürfe gegen
       Allert: Eine Befassung des Lageso-Präsidenten mit Vergabeverfahren solle
       bis zum Abschluss der Ermittlungen ruhen. Fabio Reinhardt,
       flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten, kritisiert, dass „trotz
       wiederkehrender Beanstandungen“ gegenüber Gierso und Pewobe weiter Aufträge
       an sie vergeben worden seien und das Lageso Sanktionen nicht verhängt habe.
       Aktuell in Planung befindliche neue Unterkünfte der umstrittenen
       Betreiberfirmen müssten gestoppt und neu vergeben werden, so Reinhardt.
       
       Die Senatsverwaltung für Soziales und Gesundheit hat „eine Untersuchung
       durch die Innenrevision beim LAGeSo initiiert“, teilte sie am Donnerstag
       mit. Zudem habe Senator Mario Czaja (CDU) auch um eine externe Prüfung
       durch den Landesrechnungshof gebeten.
       
       6 Nov 2014
       
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