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       # taz.de -- Streit um Erdogan-Karikatur: Bundesregierung rät zu Gelassenheit
       
       > Die Kritik des türkischen Präsidenten an einer Karikatur lässt die
       > meisten Deutschtürken kalt. Politiker sind uneins über einen angemessenen
       > Umgang.
       
   IMG Bild: Präsident Erdogan möchte keine Witzfigur sein.
       
       BERLIN taz | Die umstrittene Karikatur in einem baden-württembergischen
       Schulbuch sorgt nicht nur in Ankara für Verstimmung. Am Mittwoch
       demonstrierte ein kleines Grüppchen vor dem Kultusministerium in Stuttgart,
       das den Abdruck in dem Schulbuch genehmigt hatte.
       
       Die Kundgebung angemeldet hatte die Union der Europäisch-Türkischen
       Demokraten (UETD), die Ankara nahesteht. „Die Reaktionen aus der Türkei
       sind überzogen“, findet hingegen der in Baden-Württemberg lebende
       Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu.
       „Aber in einem Schulbuch ist so eine Karikatur auch etwas unbedacht“, sagte
       er der taz.
       
       [1][Die Karikatur zeigt] eine alpine Berghütte, die den Namen „Üzrüms
       Alpenglück“ trägt. Ihr Betreiber spricht gebrochenes Deutsch, schenkt
       scharfes Essen aus und besitzt einen Kettenhund, auf dessen Hütte der Name
       Erdogan steht. Ursprünglich in einer Zeitung erschienen, wurde die
       Karikatur in einem Schulbuch für das Fach Gemeinschaftskunde nachgedruckt.
       Die Türkei hatte deshalb am Montag den deutschen Botschafter in Ankara
       einbestellt und von „Rassismus“ gesprochen.
       
       „Die Karikatur wurde ausgewählt, weil sie auf besonders originelle Art den
       Prozess des fünfzigjährigen Zusammenlebens türkischer und deutscher
       Mitbürger aufs Korn nimmt“, nimmt hingegen der Schöningh-Verlag sein
       Schulbuch in Schutz. In dem Kapitel gehe es auch darum, Karikaturen zu
       interpretieren, betont Verlagssprecherin Regine Meyer-Arlt. „Die Bewertung
       bleibt dabei offen“.
       
       ## Das ganze Buch sehen
       
       Das sieht auch die Bundesregierung so. Man wolle nicht einzelne Karikaturen
       als „gelungen oder nicht gelungen, freundlich oder hämisch, witzig oder
       unwitzig“ beurteilen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch
       in Berlin. In dem Buch fänden sich aber auch Karikaturen, die den Umgang
       Deutscher mit Einwanderern kritisierten. „Lohnt sich also, das ganze Buch
       zu sehen“, so Seibert. Dem türkischen Präsidenten empfahl er Gelassenheit:
       Dies sei für Politiker „im Umgang mit dem, was einem alles nicht gefällt,
       sicherlich die beste Herangehensweise“.
       
       Doch nicht alle deutschen Politiker reagierten so gelassen. „Eine Karikatur
       ist eine Karikatur und sie karikiert, deshalb heißt sie so“, polterte
       Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er
       nannte Erdogans Reaktion „unerfindlich“ und mutmaßte, dieser wolle damit
       von Problemen im eigenen Land ablenken.
       
       ## Türkei-Beauftragter angeregt
       
       Während Kretschmanns Parteifreund Cem Özdemir auf seiner
       [2][Facebook-Seite] bekannte, er habe sich „geschüttelt vor Lachen“, als er
       die Karikatur das erste Mal in der Zeitung gesehen habe, hatten die beiden
       CDU-Bundestagsabgeordneten Cemile Giousouf und Oliver Wittke am Montag am
       Rande eines Besuchs in Ankara sogar gefordert, das Schulbuch aus dem
       Verkehr zu ziehen, und von der Landesregierung in Stuttgart, „sich
       angemessen zu entschuldigen“.
       
       Deutsche Schulen sollten „nicht nur Wissen, sondern auch Werte wie Respekt
       vor anderen Völkern und deren Repräsentanten vermitteln“, so die beiden
       CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen. Ihr CDU-Landeschef Armin Laschet
       widersprach ihnen jetzt: „Wir lassen uns Grundrechte unserer Verfassung
       nicht aus Ankara heraus streitig machen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung
       und gab Kretschmann recht.
       
       Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) regt indes an,
       die Bundesregierung solle einen Türkei-Beauftragten benennen, um künftige
       Konflikte zwischen beiden Ländern zu vermeiden. „Das ist nicht der erste
       Streit mit der Türkei, und es wird wohl auch nicht der letzte sein“, sagte
       Öney voraus.
       
       6 Nov 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://media0.faz.net/ppmedia/aktuell/743239520/1.1519660/article_multimedia_overview/bild-greser-lenz-50-jahre-tuerken-in-deutschland.jpg
   DIR [2] http://www.facebook.com/Cem
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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