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       # taz.de -- Hamburger Bürgerschaftswahl: Der absolute Olaf
       
       > Bürgermeister Olaf Scholz will für weitere fünf Jahre „ordentlich
       > regieren“. Auf dem Wahlparteitag erzielt er ein glänzendes Ergebnis.
       
   IMG Bild: Unangefochten: Olaf Scholz führt seine Partei im Alleingang.
       
       HAMBURG taz | Der Unterschied zwischen „weiter so“ und „weiter vorn“ mag
       anderen verschwindend erscheinen. Für Olaf Scholz ist er wesentlich:
       „Hamburg weiter vorn“, so nämlich habe das Motto für die Bürgerschaftswahl
       im Februar 2015 zu lauten, erklärte der Bürgermeister am Samstag auf dem
       SPD-Landesparteitag. Denn: „Wir haben unsere Wahlversprechen vor vier
       Jahren zu 100 Prozent umgesetzt“, so Scholz. Und nach der nächsten
       Legislatur müssten die Leute wieder sagen: „Die SPD hat erneut Wort
       gehalten.“ Das sei „der wichtigste Beitrag zur Glaubwürdigkeit von
       Politik“, so Scholz, davon sei er „zutiefst überzeugt“.
       
       Als Beleg fürs ordentliche Regieren werteten Delegierte am Rande des
       Parteitages den Rückkauf des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora für
       820.000 Euro. Am Freitag erst hatte der Senat den Kaufvertrag
       unterschrieben, um die Situation im Schanzenviertel nach der Insolvenz des
       bisherigen Flora-Eigentümers Klausmartin Kretschmer zu befrieden.
       Insolvenzverwalter der Flora ist der Rechtsanwalt Nils Weiland,
       stellvertretender SPD-Landesvorsitzender – und am Samstag
       Versammlungsleiter.
       
       Nach dreidreiviertel Jahren des Regierens ließ Scholz keinen Zweifel daran,
       dass er mit absoluter Mehrheit der SPD weitermachen will. In seiner fast
       eine Stunde dauernden Rede vermied der Regierungschef und Landesvorsitzende
       sorgsam jegliche Koalitionsaussage, watschte im Vorbeigehen lieber CDU,
       Grüne, FDP und Linke ab, in jeweils nur ein, zwei Sätzen – und unter dem
       Jubel der 340 Delegierten.
       
       Wenn es nach seiner Partei geht, die vor Siegesgewissheit nur so strotzt,
       würden die Sozialdemokraten auch in der nächsten Legislaturperiode erneut
       mit absoluter Mehrheit regieren. Und wer für die bei der Wahl sorgen soll,
       ist für sie klar: Alle Führung und alle Verantwortung liegt bei Olaf
       Scholz, 56. Mit 331 von 340 Stimmen – 97,4 Prozent – wurde Scholz erneut
       zum Spitzenkandidaten gekürt, vor vier Jahren erzielte er 97,5 Prozent.
       
       Sollte eine Koalition unvermeidlich werden, dann wäre die FDP der
       bevorzugte Koalitionspartner, lassen führende SPD-Mitglieder hinter
       vorgehaltener Hand wissen. Mit zwei von elf Senatsposten und ein paar
       unwesentlichen Zugeständnissen gelten die Liberalen demnach als die
       billigste Option. Dessen ungeachtet ist die offizielle Sprachregelung eine
       andere: Im Fall der Fälle wolle die SPD zuerst mit den Grünen sprechen,
       heißt es da. Aber so richtig viel Lust darauf, sich mit denen in
       Koalitionsverhandlungen über Stadtbahn, Radfahren und Klimaschutz zu
       fetzen, haben weder Scholz noch der Rest der Parteiprominenz.
       
       Deutliche Zustimmungsquoten von mehr als 80 Prozent errangen auf den
       folgenden Listenplätzen auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, die
       Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt, Finanzsenator Peter
       Tschentscher, Vize-Landeschefin Melanie Leonhard sowie der frühere
       Parteichef Mathias Petersen, im Jahr 2007 Opfer eines bis heute nicht
       aufgeklärten Stimmzettelklaus, der die Hamburger SPD in eine tiefe Krise
       gestürzt hatte.
       
       Mehrere prominente Sozialdemokraten allerdings kandierten jetzt gar nicht.
       Fraktionschef Andreas Dressel und Schulsenator Ties Rabe konzentrieren sich
       auf Direktmandate in ihren Wahlkreisen; Innensenator Michael Neumann,
       Sozialsenator Detlef Scheele und Justizsenatorin Jana Schiedek gehen aufs
       Ganze: Entweder werden sie nach der Wahl erneut in den Senat berufen oder
       müssen sich ebenso wie die parteilose Kultursenatorin Barbara Kisseler
       einen ordentlichen Job suchen. Der ebenfalls parteilose Wirtschaftssenator
       Frank Horch und Umweltsenatorin Jutta Blankau scheiden aus dem Senat aus,
       egal, wie die Wahl ausgeht.
       
       Mit dem zweitbesten Ergebnis überhaupt – 93,6 Prozent der Stimmen – glänzt
       auf Listenplatz 11 Isabella Vértes-Schütter. Die Intendantin des
       Ernst-Deutsch-Theaters, bislang eher Hinterbänklerin in der Bürgerschaft,
       rückt auf Scholz’ Wunsch weit nach vorn. Die 52-Jährige soll das
       intellektuelle und kulturelle Profil der SPD und ihres Bürgermeisters
       schärfen – und damit ein Defizit beseitigen, das er nicht zuletzt selbst
       vermutet. Und so beschwor sie noch in ihrer Bewerbungsrede den „Dialog der
       Kulturschaffenden“, den die SPD intensiver führen müsse.
       
       Scholz sah und hörte ihr aufmerksam zu und applaudierte zufrieden.
       
       2 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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