# taz.de -- Unterbringung von Flüchtlingen: Container kommen in Mode
> Auch ein privater Investor will Container für eine Flüchtlingsunterkunft
> aufstellen. Kritik an dem Heim in Britz reißt nicht ab.
IMG Bild: Kurz vor der Eröffnung der ersten Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Neukölln demonstrierten im März 2014 zahlreiche Menschen gegen Nazis, die gegen das Heim Stimmung machten.
Neukölln bekommt ein zweites Flüchtlingsheim: Ein privater Investor will
auf einem ehemaligen Bewag-Sportplatz an der Karl-Marx-Straße eine
Containerunterkunft für rund 300 Menschen errichten. Das geht aus einer
Antwort des Neuköllner Sozialstadtrats, Bernd Szczepanski (Grüne), auf eine
Mündliche Anfrage des Bezirksverordneten Thomas Licher (Linke) hervor. Das
Konzept sei mit dem zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales
(Lageso) abgestimmt, im Frühjahr 2015 könne der Betrieb aufgenommen werden.
Bei der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales gibt man
sich zurückhaltender: Derzeit werde noch mit dem Anbieter verhandelt, so
Sprecherin Constance Frey. Vor zwei Wochen hatte Sozialsenator Mario Czaja
(CDU) die Standorte für sechs Containerdörfer bekannt gegeben, die –
finanziert vom Land – für rund 2.000 Flüchtlinge gebaut werden.
Nach Informationen der taz handelt es sich bei dem neuen Betreiber in
Neukölln um eine Firma namens Sowo Berlin GmbH, die laut Handelsregister
erst im August gegründet wurde. Für den grünen Bezirksverordneten Jochen
Biedermann muss mangelnde Erfahrung bei der Flüchtlingsunterbringung nicht
zwingend ein Problem sein. „Andere haben vielleicht Expertise, machen aber
trotzdem Mist“, sagt er mit Blick auf die Firma Pewobe, die das bislang
einzige Neuköllner Flüchtlingsheim in der Haarlemer Straße betreibt. Hier
häufen sich Klagen über die schlechte Qualität des in Modulbauweise
erbauten Hauses sowie über die mangelnde Betreuung.
## Kita soll entstehen
„Das Konzept bei dem neuen Heim klingt nach allem, was ich gehört habe,
seriös“, so Biedermann. So solle eine Kita auf dem Gelände entstehen, was
die soziale Anbindung des Heims an den Kiez erhöhen werde. Darüber hinaus,
schreibt der Sozialstadtrat in seiner Antwort, beabsichtige der Betreiber
„eine Betreuung über die vorgeschriebenen Standards hinaus sowie
Räumlichkeiten für Schul- und Ausbildungsprogramme anzubieten“. Zudem sei
die Lage des Grundstücks gut, findet Biedermann, „im Wohngebiet,
verkehrsmäßig gut angebunden“. Die Modulbauweise sei zwar nicht schön, aber
angesichts der vielen Flüchtlinge, „kommen wir derzeit wohl nicht um
schnell errichtete Gebäude herum“.
Auch der Linke Licher ist von dem Konzept angetan, das der Betreiber
vorgelegt hat. Die „hochwertigen“ Container sollen laut den Plänen mit Holz
verkleidet und um einen Platz herum angeordnet werden, so dass eine
Begegnungszone entstehe, erklärt Licher. „Und die Kita ist einfach eine
kluge Geschichte.“ Wichtig sei jetzt, mahnt Licher, dass die Anwohner
„frühzeitig“ über das neue Heim informiert werden – damit nicht die Rechten
das Heim propagandistisch ausschlachteten, sondern sich im Gegenteil eine
„Willkommensinitiative“ entwickele. „In der Haarlemer Straße hat das ja
sehr gut geklappt“, findet Licher. Dort würden die Nachbarn die Flüchtlinge
sehr unterstützen.
Das scheint allerdings das Einzige zu sein, was in dem Pewobe-Heim in Britz
funktioniert. Licher hört viele Klagen über mangelnde Betreuung der
Flüchtlinge. Zu Ende September kündigte das Unternehmen zwei
Sozialarbeiterinnen, wie Stadtrat Szczepanski in der Beantwortung einer
großen Anfrage Mitte Oktober dem Bezirksparlament Neukölln mitteilte. Laut
Licher hatten sich die beiden Frauen sehr für die Flüchtlinge engagiert.
Nun gebe es für 400 Bewohner nur noch eine Sozialarbeiterin und zwei
Assistenten oder Helfer. „Das ist desaströs“, so Licher.
Laut dem Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt, der das Heim mehrfach besucht
hat, gibt es zudem in dem erst im April bezogenen Haus ein Schimmelproblem,
das Warmwasser reicht nicht aus und die Brandschutzanlage funktioniert
nicht beziehungsweise ist nicht mit der Feuerwehr verbunden. Letzteres
werde zurzeit durch eigens dafür ausgebildete „Brandwachen“ kompensiert,
erklärt das Lageso auf taz-Anfrage. Allerdings wurde erst Anfang September
kontrolliert, ob es überhaupt einen Brandschutz gibt, wie die
Gesundheitsverwaltung in der Antwort auf eine Anfrage von Reinhard zugibt.
Zu diesem Zeitpunkt war das Heim bereits in Betrieb. „Es ist skandalös,
dass ein halbes Jahr überhaupt nicht überprüft wurde“, sagt Reinhardt.
Trotz der Beschwerden wird die Firma Pewobe vom Lageso weiter mit Aufträgen
bedacht. Im September habe sie „innerhalb einer Woche“ eine Notunterkunft
am Rohrdamm in Spandau eröffnet, schreibt Szczepanski in seiner Antwort auf
die Große Anfrage. Und in den nächsten acht Wochen werde sie zwei weitere
„Objekte umbauen und dort den Betrieb aufnehmen“.
## Absurde Kostensteigerung
Doch nicht nur die Frage, warum Pewobe immer wieder vom Lageso beauftragt
wird, steht im Raum. Ungeklärt ist auch, wie es zu der enormen
Kostensteigerung beim Bau des Hauses von rund 5,5 Millionen auf über 8
Millionen kommen konnte. Das Lageso erklärt dies gegenüber der taz „durch
eine in Abstimmung mit dem Bezirk vorgenommene nachträgliche Änderung der
Bauplanung. Zum anderen waren in der ursprünglichen Kalkulation keine
Winterbaukosten veranschlagt, die dann – aufgrund des verzögerten
Baubeginns – Mehrkosten verursacht haben“. Eine Nachfrage von Dienstag,
welche Planänderung so viel Geld verschlingen kann, hat das Amt nicht
beantwortet.
31 Oct 2014
## AUTOREN
DIR Susanne Memarnia
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