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       # taz.de -- Borussia Dortmund in der Sinnkrise: Sich selbst verstärkende Zweifel
       
       > Der Glaube an die eigene Stärke war ein Antrieb von Jürgen Klopps
       > Vollgasfußball. Vier Bundesliga-Pleiten in Folge könnten ihn beschädigt
       > haben.
       
   IMG Bild: Bedröppelte Borussen: die Herren Reus, Durm und Bender nach der Niederlage gegen Hannover
       
       DORTMUND taz | Jürgen Klopp hat in dieser Woche über „Fluchtgedanken“
       gesprochen, die einige seiner Fußballer zuletzt entwickelt hätten: „Wo es
       nicht läuft, da will man seine Ruhe haben und sich zurückziehen.“ Auch
       gegen diesen Mechanismus muss der Trainer von Borussia Dortmund also
       ankämpfen, wobei die Sache mit den „Fluchtgedanken“ noch eine zweite Ebene
       hat. Anlässlich der Partie gegen den FC Bayern München am Samstagabend
       lodert das Feuer der Spekulationen über die Ausstiegsklausel im Vertrag von
       Marco Reus hell wie nie. Und der Münchner Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz
       Rummenigge schürt es mit beharrlicher Zielstrebigkeit.
       
       Zwar sagt Reus selbst, da gebe es, „ganz ehrlich, momentan nichts zu sagen,
       wir haben wichtige Spiele mit dem BVB“. Und dennoch trifft diese Debatte
       die Dortmunder an einer empfindlichen Stelle. Es geht hier nicht nur um den
       Verlust eines schwer zu ersetzenden Spielers, sondern um den Glauben an das
       schwarz-gelbe Projekt, den kein anderer besser verkörpert hat als Marco
       Reus.
       
       Vor knapp drei Jahren, als der Weltklasseangreifer sich für einen Wechsel
       zum BVB entschied, hatte er auch ein Angebot des FC Bayern vorliegen, der
       ihm angeblich sogar ein höheres Gehalt garantiert hätte. Reus ging trotzdem
       nach Dortmund. Zum einen weil er hier aufgewachsen ist, zum anderen aber
       weil hier das seinerzeit wohl aufregendste Fußballprojekt Europas
       verwirklicht wurde. Dieser Zauber ist spätestens in den ersten Wochen der
       laufenden Saison verflogen. Mittlerweile ist Dortmund durchsetzt von
       Zweifeln unterschiedlichster Art. Das Selbstvertrauen ist am Boden.
       
       Würde dieser Befund nur auf den zuletzt vier Bundesliga-Niederlagen am
       Stück beruhen, wäre der Schaden vermutlich mit einer kleinen Siegesserie zu
       reparieren, „Man muss bereit sein, das Glück zu erzwingen und sich das
       Selbstvertrauen zu erarbeiten“, sagt Jürgen Klopp. Aber die Korrosion geht
       viel tiefer: Die alte Überzeugung von der Großartigkeit des Dortmunder
       Vollgasfußballs wird auch nach fünf Siegen nicht wieder im alten Glanz
       erstrahlen. Dazu ist viel zu viel passiert.
       
       Pep Guardiola hat beim FC Bayern eine Spielweise eingeführt, die dem
       Dortmunder Fußball nicht nur wegen des mit mehr finanziellen Mitteln
       zusammengestellten Kaders überlegen ist, während der BVB-Fußball von
       möglicherweise zu vielen Gegnern entschlüsselt wurde. Das sagt jedenfalls
       der Sportpsychologe Daniel Memmert in einem Interview der Westdeutschen
       Allgemeinen Zeitung: „Unsere Analysen bringen mich zu der Meinung, dass es
       ein Problem der Spielphilosophie ist. Ich glaube, dass die Idee von Klopp,
       Fußball spielen zu lassen, in der Liga überholt ist“, erklärt der
       Wissenschaftler, der auch als Spielanalyst arbeitet.
       
       Sollten einige Spieler ernsthaft darüber nachdenken, ob das stimmen könnte,
       wäre das fatal: Die Überzeugung vom Konzept Klopp, eine wichtige
       Grundvoraussetzung für die Umsetzung der „Immer Vollgas“-Forderung, wäre
       stark ins Wanken geraten. Zumal allein die Tatsache, dass Borussia Dortmund
       nun schon im dritten Jahr allenfalls in einzelnen Partien mit Bayern
       München mithalten kann, das Selbstvertrauen aller Spieler schwächt.
       
       Die Sache mit dem angeschlagenen Selbstbewusstsein ist daher ein Problem,
       das weit über die Krise der zurückliegenden Wochen hinausgeht, ein Problem,
       dass extrem gefährlich werden kann. Es kann zum Beispiel Marco Reus, der
       langsam sicher mal den ersten Titel seiner Karriere holen möchte, zum FC
       Bayern treiben. Und es kann auch bei anderen Spielern Wechselwünsche
       forcieren. Bei Mats Hummels beispielsweise, für den englischen
       Presseberichten zufolge schon im Winter Angebote von Manchester United und
       dem FC Arsenal in der Dortmunder Geschäftsstelle eintreffen werden.
       
       Karl-Heinz Rummenigge weiß das ganz genau, deshalb füttert er die Debatte
       mit immer neuen Aussagen. Seine Einwürfe sind ein gefährliches Gift im
       Dortmunder Organismus, ein Gift, das ein bösartiges Geschwür nährt: den
       Selbstzweifel.
       
       1 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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