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       # taz.de -- Parlamentswahl in der Ukraine: Mit Erschießung gedroht
       
       > Beobachter sprechen von zahlreichen massiven Unregelmäßigkeiten bei der
       > Wahl. Betroffen seien Wahlbezirke in der Nähe der Front.
       
   IMG Bild: Stimmabgabe im Dorf Wolnowacha im Donbass unweit der Front.
       
       KIEW taz | Knapp eine Woche nach den Parlamentswahlen in der Ukraine reißen
       Berichte ukrainischer Medien und Wahlbeobachter über Unregelmäßigkeiten
       nicht ab. Besonders schwerwiegend, so Sergej Tkatchenko, Vorsitzender des
       Donetzker Verbandes des Komitees der Wähler, seien diese in Wahlkreisen
       direkt an der Front gewesen.
       
       Just in dem Augenblick, als das Wahlprotokoll im Wahlkreis 59 Kurachovo im
       Gebiet Donezk gestempelt und unterschriftsreif war, fiel der Strom aus.
       Gleichzeitig zwang eine Bombendrohung alle Anwesenden zum Verlassen des
       Saales. In diesem Wahlkreis konkurrierten der populäre Bürgermeister von
       Kurachovo, Sergej Saschko, und Valentin Manko, Vize-Kommandeur der
       Freiwilligeneinheit Dnepr-1, um ein Direktmandat und den Einzug in das
       Parlament.
       
       Bis zum Stromausfall hatte der Bürgermeister mit 3.000 Stimmen vor seinem
       Konkurrenten gelegen. Danach hatte sich der den Abstand zum Bürgermeister
       auf 1.100 Stimmen reduziert. „Gerade in den Wahllokalen, in denen
       Angehörige des Freiwilligenbataillons Dnepr-1 Druck auf die Wahlkommission
       ausgeübt haben, hat Manko die meisten Stimmen erhalten. Und ausgerechnet in
       diesen Wahllokalen war die Wahlbeteiligung mit 85–90 Prozent sehr hoch,
       während sie in allen anderen Orten der Gebiete Donezk und Lugansk nur bei
       30–35 Prozent lag“, sagt der Soziologe Wjatscheslaw Kovtun.
       
       Auch die ukrainische Tageszeitung Segodnja berichtet, bewaffnete Angehörige
       einer Freiwilligeneinheit hätten Druck auf die Wahlkommission von Wahlkreis
       59 ausgeübt. Noch ist der Konflikt dort nicht ausgestanden. Die
       Wahlkommission hat entschieden, die Stimmen neu auszuzählen. Wahlbeobachter
       halten das Vorgehen, nur die Stimmen eines Kandidaten erneut zu zählen, für
       rechtswidrig. Dabei, so fürchten Anhänger von Saschko, könnten Stimmzettel
       ungültig gemacht werden.
       
       ## Weder frei noch transparent
       
       „In den Wahlkreisen direkt an der Front sind die Verletzungen so zahlreich,
       dass man dort nicht mehr von fairen und transparenten Wahlen sprechen
       kann“, sagt Sergej Tkachenko. In einigen Stimmbüros sei die Wahlkommission
       15 Minuten vor Schließung des Wahllokals ausgewechselt worden. In manchen
       Stimmbezirken, so Tkachenko, habe die Wahlbeteiligung bei über 70 Prozent
       gelegen, während sie in den meisten Wahllokalen in den Gebieten Donezk und
       Lugansk nur bei gut 30 Prozent gelegen hat. „Man hat sich den Umstand zu
       Nutze gemacht, dass dort in unmittelbarer Nähe gekämpft wird und deswegen
       weder internationalen noch nationalen Beobachtern ermöglicht, auch dort den
       Wahlen beizuwohnen.“
       
       „Die niedrige Wahlbeteiligung in Donezk und Lugansk ist nicht unbedingt
       Desinteresse an den Wahlen selbst“, so Olga Aivazovska von der
       Nichtregierungsorganisation Opora, die seit Jahren Wahlen in dem Land
       beobachtet. „Uns liegen Flugblätter der Volksrepublik Lugansk vor, in denen
       Mitgliedern von Wahlkommissionen die Erschießung angedroht wurde. Wählern
       drohte man mit Geldstrafen.
       
       Auch im Gebiet Dnepropetrowsk kam es zu Fälschungen. So berichtete Gennadij
       Korban, Vize-Chef der Bezirksverwaltung von Dnepropetrowsk, im ukrainischen
       Fernsehsen von Unregelmäßigkeiten in den Städten Dnepropetrowsk, Kriwoj Rog
       und Pawlograd. Dort seien Stimmen gekauft, Wahlprotokolle gefälscht sowie
       Druck auf Wähler ausgeübt worden. Unterdessen hat Innenminister Arsen
       Awakow Verfahren gegen alle angekündigt, denen eine Mitwirkung bei
       Wahlfälschungen nachgewiesen werden könne. Ihnen drohe bei einer
       Verurteilung eine Haftstrafe, zitiert das ukrainische Internetportal lb.ua
       den Minister.
       
       31 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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