URI: 
       # taz.de -- Bremer FilmerInnen räumen ab: Gedichte gegen den Krieg verfilmt
       
       > Vier von fünf Preisen gehen beim Filmwettbewerb „Schwarze Ängste“ an die
       > Hochschule für Künste in Bremen.
       
   IMG Bild: Ästhetik von Computer-Actionspielen: Philipp Theis hat "Luftaufklärung" mit grober 3-D-Animation illustriert.
       
       BREMEN taz | Nur gut, dass die Arbeiten anonym eingereicht wurden. Sonst
       hätte es sicher Gerede darüber geben, dass die ersten vier Preisträger des
       Wettbewerbs aus einem Kurs für digitale Medien der Hochschule für Künste in
       Bremen kommen. Jedes Jahr veranstaltet die Leipziger „Gesellschaft für
       zeitgenössische Lyrik“ einen Wettbewerb, bei dem die Visualisierung von
       Gedichten prämiert wird. Aus einem Topf mit Gedichten suchen sich die
       Filmemacher eines aus, adaptieren es dann ohne stilistische Vorgaben.
       
       Im vergangenen Jahr lief die Veranstaltung noch unter dem Allerweltsthema
       „Worte sind Boote“. Dieses Mal hieß das Thema „Schwarze Ängste – Poetry
       Clips gegen den Krieg“ und es hat infolge der Konflikte in der Ukraine und
       dem Nahen Osten einen sehr aktuellen Bezug bekommen. Der Wettbewerb wurde
       dann auch mit 32 Einreichungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und
       Italien gut angenommen.
       
       Und nun kommen die ersten vier Preisträger aus dem gleichen kleinen
       Studienkurs in Bremen. Der Dozent Joachim Hofmann arbeitet mit seinen
       Bachelor-Studierenden am liebsten an genau definierten Projekten – und
       dafür bot sich dieser Wettbewerb an. Zum einen waren die Arbeitsziele genau
       definiert, zum anderen wird durch die vorgegebenen Gedichte eines der
       Hauptprobleme von jungen Filmstudierenden geschickt umschifft. Gerade bei
       Animationsfilmen konzentrieren diese sich oft so sehr auf die Form und die
       technische Umsetzung, dass die Inhalte vernachlässigt werden.
       
       Debütfilme sehen dann zwar gut aus, erzählen aber nur selten eine gute
       Geschichte. Bei dem Wettbewerb bekommen die Filmemacher Thema, Text und –
       wenn man bei Lyrik davon sprechen kann – eine Dramaturgie geliefert und
       können sich auf die Umsetzung konzentrieren.
       
       Hofmann hat schon einmal ein erfolgreiches Semester-Projekt mit verfilmter
       Lyrik geleitet. 2010 produzierten seine Studierenden 27 Kurzfilme, die auf
       Gedichten des Radio-Bremen-Hauspoeten Michael Augustin basierten. Diese
       wurden vom Verlag Temmen als DVD mit dem Titel „Augustins Miniaturen“ in
       den Handel gebracht.
       
       Die vier prämierten Bremer Filme sind sowohl stilistisch wie auch
       atmosphärisch sehr unterschiedlich. So ließen sich die Gewinnerinnen des
       ersten Preises, Inge Rüten-Budden und Nadine Warrelmann, nicht nur von dem
       Gedicht „Feindbild“ von Wolf Peter Schnetz, sondern auch vom Motto des
       Wettbewerbs inspirieren. Sie visualisierten „schwarze Ängste“, indem sie
       Schemen in dunklen Räumen auftauchen und verschwinden ließen.
       
       Nichts ist hier eindeutig zu erkennen, Stahlkugeln rollen wie Geschosse
       über schwarzen Tüllstoff. Das Gedicht wird geflüstert und so sind nur
       Fragmente zu verstehen, wie etwa die Schlusszeilen: „Geschaffen aus dem
       täglichen Abfall der Woche, entstand am siebten Tag das Feindbild – mein
       Abgott.“ Sowohl auf der Ton- wie auch der Bildebene wird radikal
       abstrahiert und so ist dies eine atmosphärisch reiche Arbeit geworden, die
       die Ängste und mit ihnen die Ursachen von Feindbildern heraufbeschwört.
       „Ein Meisterbeispiel an Bildrhythmus, Stimmung und Tempo!“, so die Jury in
       Leipzig.
       
       Beim zweiten Preis wird ein Gedicht von Michael Augustin adaptiert. Diese
       eignen sich besonders gut für filmische Adaptionen, weil sie meist
       erzählerisch aufgebaut sind, politische und satirische Inhalte haben und
       manchmal sogar mit einer Pointe enden. Sein Text „Luftaufklärung“ dreht
       sich um den Einsatz von Drohnen in Kriegsgebieten.
       
       Zeilen wie „Hoch über uns am Himmel zieht er schnurrend seine Bahn, den
       Steuerknüppel in der Hand“ hat Filmstudent Philipp Theis mit einer bewusst
       grob gehaltenen 3-D-Animation illustriert, die an die Ästhetik von
       Computer-Actionspielen erinnert. Eine Figur läuft durch eine
       Kriegslandschaft mit Panzern und wird vom Schatten eines Fluggeräts
       verfolgt, eingeholt und eingehüllt. Die Jury lobt die
       „Previsualisierungsästhetik hollywoodscher Actionfilme“.
       
       In „Innehalten“ bringen Julian Spillner und Johanna Wittig den Krieg in das
       vermeintlich friedliche Norddeutschland. Eine junge Frau steht zunächst
       unbeweglich auf einer sommerlich idyllischen Wiese am Fluss und dann auf
       einer Brücke über die Weser in Bremen. Zu diesen Bildern wird das Gedicht
       von Karin Eberling vorgelesen: „Wurzeln schlagen, keinen Schritt weiter,
       oder die Tretmine, ex.“ Den beiden Filmemachern gelingt es besonders gut,
       durch sensible Kameraarbeit, Musikauswahl und Sounddesign die
       Verletzlichkeit ihrer Protagonistin spürbar zu machen. Die Jury sah den
       Film als ein „behutsam fotografiertes Gedankenspiel“.
       
       Laura Wehhofer hat für ihre Interpretation des Gedichts „Gomorrha“ von Hans
       Dietrich Bruhn den vierten Preis im Wettbewerb bekommen. Der Titel bezieht
       sich auf den Decknamen eines verheerenden Bombenangriffs auf Hamburg im
       Jahr 1943. Der Text ist mit den Zeilen „Meine Schulfreundin war sie und
       hatte ein schönes, weißes Kleid. Das war der brennende Phosphor. In der
       Nacht ihres sterbenden Augenhintergrunds“ ein Klagelied, dem die junge
       Filmemacherin auf der Tonebene mit dem Geheul von Luftschutzsirenen und
       einer balladenhaften Gitarrenmusik gerecht wird. Dazu lässt sie die Kamera
       über Aquarelle schweifen, die von historischen Aufnahmen aus jener Zeit
       stammen und auf denen spielende Kinder, Flugzeuge, brennende Häuserzeilen
       und Ruinen zu sehen sind. Die Jury lobt die „nicht plakative Weise der
       Umsetzung“.
       
       In ein paar Wochen wird eine DVD mit den Preisträgerfilmen veröffentlicht.
       Wirklich zeitgemäß wäre es aber, wenn die „Gesellschaft für zeitgenössische
       Lyrik e. V.“ die Filme aller Preisträger auf ihrer Homepage veröffentlichen
       würde.
       
       29 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wilfried Hippen
       
       ## TAGS
       
   DIR Filmdreh
   DIR Bundeswehreinsatz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Filmproduktion auf Zeit: „Abwarten, ob es alle schaffen“
       
       In Oldenburg werden schnell mal ein paar Kurzfilme fürs Kino gedreht. Die
       Teilnehmenden des Wettbewerbs haben nur 57 Stunden für fünf Minuten Film.
       
   DIR Dokumentation über Afghanistan: Krank vom Krieg
       
       Der TV-Film „Ausgedient“ befasst sich mit den psychischen Spätfolgen des
       Afghanistan-Einsatzes. Heute hat er im Hamburger Metropolis seine
       Kino-Premiere.