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       # taz.de -- Entwurf für Tarifeinheitsgesetz: Lokführer an die Kette
       
       > Die Arbeitsministerin lädt die großen Gewerkschaften ein, die Kleinen
       > plattzumachen. Den genauen Gesetzentwurf will sie bisher nicht
       > offenlegen.
       
   IMG Bild: Ob die GDL streiken darf, könnte bald vom Wohlwollen der Konkurrenz abhängen.
       
       BERLIN taz | Ein kurzes Statement, keine Nachfragen möglich. So
       präsentierte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ihr
       „Tarifeinheitsgesetz“. Wobei „präsentiert“ nicht unbedingt das richtige
       Wort ist. Die Sozialdemokratin warb zwar am Dienstag für ihren Entwurf, der
       am 3. Dezember vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Aber sie legte
       ihn nicht vor. Ein klassischer Cliffhanger.
       
       Man verstehe durchaus das Interesse, allerdings sei „der von der Ministerin
       angekündigte Referentenentwurf nicht öffentlich“, beschied eine
       Ministeriumssprecherin der taz. „Wir können Ihnen den Entwurf zum jetzigen
       Zeitpunkt daher auch nicht zur Verfügung stellen.“ Wohl aus gutem Grund,
       wie die Lektüre des Papiers zeigt, das der taz [1][inzwischen trotz der
       Verweigerung des Arbeitsministeriums vorliegt]. Denn anders als von Nahles
       behauptet dient ihr Entwurf keineswegs der „Verabredungskultur“ und gibt
       alles andere als „Anreize“ zu einer gütlichen Einigung zwischen
       konkurrierenden Gewerkschaften – zumindest nicht für die größere.
       
       Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, „die Funktionsfähigkeit der
       Tarifautonomie zu sichern“. Das soll erreicht werden durch den Ausschluss
       konkurrierender Tarifverträge. Falls sich in einem Bereich nicht
       inhaltsgleiche Tarifverträge überschneiden, soll nur noch derjenige gültig
       sein, den die in dem jeweiligen Betrieb mitgliederstärkere Gewerkschaft
       abgeschlossen hat. Der kleineren Gewerkschaft bleibt nur noch das Recht,
       von der Arbeitgeberseite angehört zu werden und sich dem Abschluss der
       Konkurrenz inhaltsgleich anzuschließen. Damit soll verhindert werden, dass
       für dieselbe Beschäftigtengruppe unterschiedliche Bedingungen gelten –
       wofür es gute Argumente gibt.
       
       ## Für die GDL könnte es knapp werden
       
       Konkret angewendet auf den derzeitigen Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn,
       würde das bedeuten, dass die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)
       ihre Bemühungen um einen eigenständigen Tarifvertrag für das bei ihr
       organisierte Zugpersonal einstellen kann. Denn die Gewerkschaft müsste, so
       steht es in der Gesetzesbegründung von Nahles, „sicherstellen, dass sie im
       Zeitpunkt ihres Tarifabschlusses die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und
       Arbeitnehmer des Betriebs organisiert“. Das kann die GDL nicht. Die
       Mehrzahl der Bahnbeschäftigten gehört der Eisenbahn- und
       Verkehrsgewerkschaft (EVG) an.
       
       Allerdings wären die Folgen des Gesetzes für die GDL noch viel
       weitgehender: Sie müsste auch um ihren Tarifvertrag für die Lokführer
       fürchten. Zwar organisiert die GDL die überwiegende Mehrzahl dieser
       Berufsgruppe, weshalb sie zurzeit hier auch das federführende
       Verhandlungsmandat hat; doch das würde ihr nichts nützen, falls die EVG auf
       die Idee käme, für ihre paar Lokführer unabhängig einen Tarifvertrag
       abzuschließen. Denn rechtlich entscheidend wäre auch hier die Mehrheit im
       Betrieb, nicht in der einzelnen Berufsgruppe. Der EVG-Vertrag wäre der
       allein anwendbare.
       
       Gegen ihre Ausbootung würde sich die GDL wohl nicht einmal mehr mit dem
       Mittel des Streiks wehren können. Denn nach deutschem Recht muss das von
       der Gewerkschaft und den Streikenden verfolgte Ziel sowohl tariflich
       regelbar als auch tarifrechtlich zulässig sein. Das wäre dann aber nicht
       mehr gegeben. In dem Nahles-Entwurf liest sich das so: „Über die
       Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen, mit denen ein kollidierender
       Tarifvertrag erwirkt werden soll, wird im Einzelfall im Sinne des Prinzips
       der Tarifeinheit zu entscheiden sein.“
       
       Insofern stellt das Tarifeinheitsgesetz de facto einen massiven Eingriff in
       das Streikrecht dar – obwohl die Arbeitsministerin genau das Gegenteil
       behauptet. Sollte es in seiner jetzigen Fassung in Kraft treten, werden
       Spartengewerkschaften wie die GDL, die Pilotenvereinigung Cockpit, die
       Unabhängige Flugbegleiterorganisation (UFO) oder der Marburger Bund künftig
       gänzlich vom Wohlwollen der jeweiligen DGB-Gewerkschaft abhängig sein.
       Unterordnung oder Untergang würden die Alternativen sein.
       
       29 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
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   DIR Pascal Beucker
       
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