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       # taz.de -- Extremist Bernhard Falk: Der linke Salafist
       
       > Er war Mitglied einer linken Zelle und saß über 12 Jahre in Haft. Heute
       > sympathisiert Bernhard Falk mit Al-Qaida und wirbt um Anhänger.
       
   IMG Bild: Bernhard Falk im September als Besucher des Prozesses gegen vier mutmaßliche islamistische Terroristen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
       
       Che Guevara ist verschwunden. Bis vor Kurzem zierte ein Aufnäher mit dem
       Konterfei des kubanischen Revolutionärs vor rotem Stern den olivgrünen
       Parka, den Bernhard Falk stets trägt. Jetzt prangt dort das islamische
       Glaubensbekenntnis in weißer Schrift auf schwarzem Grund.
       
       Es ist Mitte Oktober. Falk, 46, ein massiger Mann mit wenig Haaren, Brille
       und rauschendem Bart, steht vor dem Eingang des Frankfurter
       Oberlandesgerichts. Gerade noch hat er sich mit den beiden Schwestern von
       Kreshnik B. ausgetauscht, gegen den hier verhandelt wird. Der 20-Jährige
       hat gestanden, Mitglied der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) gewesen zu
       sein und an drei Kampfeinsätzen in Syrien teilgenommen zu haben. Jetzt
       wartet Falk auf B.s Verteidiger, den Bonner Juristen Mutlu Günal, der auch
       sein Anwalt ist.
       
       Vor 20 Jahren bekämpfte Falk als Linksextremist Staat und Kapitalismus mit
       Bomben. Heute ist er Islamist. In seinem Weltbild passt das zusammen. Er
       sagt: „Antiimperialist bin ich immer noch.“
       
       Falk gilt als einer der radikalsten Salafisten hierzulande. Weniger bekannt
       als die Prediger Pierre Vogel und Sven Lau, der jüngst mit der
       Scharia-Polizei von sich reden machte, aber laut Szenekennern
       „hochgefährlich“.
       
       ## „Solidarität mit den muslimischen politischen Gefangenen in der BRD“
       
       Prozessbesuche sind wichtiger Bestandteil dessen, was Falk
       „Gefangenenhilfe“ nennt. Er besucht radikale Islamisten, die inhaftiert
       sind, schreibt ihnen Briefe, betreut die Familien, hilft bei der
       Anwaltssuche. Auch den Kontakt zwischen B.s Familie und seinem Verteidiger
       Günal hat Falk hergestellt. „Solidarität mit den muslimischen politischen
       Gefangenen in der BRD“ nennt er das.
       
       Lässt man die Religion weg, klingt dies wie eine Geschichte aus einer
       anderen Zeit. Für Falk hat „Gefangenensolidarität“ Tradition. Schon Ende
       der achtziger Jahre, nach einem Abitur als Jahrgangsbester in
       Schleswig-Holstein, engagiert er sich für Inhaftierte mit politischem
       Sendungsbewusstsein. Damals waren es noch Mitglieder der RAF wie Christian
       Klar und Inge Viett.
       
       Der Sohn aus katholischem Haus, der lange Messdiener war, studiert Physik
       in Aachen, liest Lenin, Trotzki und Marx. Sein Freund Michael Steinau, mit
       dem er die Schule abschloss, macht das Gleiche in Hamburg.
       
       Die beiden tauchen in die Hamburger Autonomenszene ein, radikalisieren
       sich. Ein Brandanschlag auf die Rechtsfakultät der Hamburger Universität
       Ende 1992 ist ihr erster. Bis Ende 1995 folgen acht weitere. Als Ziele
       wählen sie einen ehemaligen GSG-9-Beamten, CDU- und FDP-Politiker, den
       Gesamtverband der Metallindustrie. „Antiimperialistische Zelle (AIZ)“ nennt
       sich die militante Truppe, die den bewaffneten Kampf der RAF fortsetzen
       will und die offensichtlich nur aus Falk und Steinau bestand.
       
       Falk ist ein ruhiger, höflicher Mann. Wenn er redet, klingt seine Stimme
       sanft. Im Gespräch mit der taz spricht er von einer Sinnkrise, die er
       damals verspürte, als die DDR unterging und sich die RAF sich auflöste.
       „Jeder bastelt sich ja einen Sinn des Lebens. So habe auch ich nach dem
       DDR-Untergang und der RAF-Auflösung neu über den Sinn des Lebens
       nachgedacht – und den Sinn des Lebens im Islam gefunden.“
       
       ## Islam als revolutionäre Waffe
       
       1994 konvertierte er und schwärmte für die iranische Revolution: „Wir haben
       den Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und Schönheit
       kennenlernen dürfen“, heißt es im letzten AIZ-Bekennerschreiben von Ende
       1995. Kurz darauf werden Falk und Steinau festgenommen und beide zu langen
       Haftstrafen verurteilt. Wegen vierfachen versuchten Mordes und
       Sprengstoffanschlägen muss Falk für 13 Jahre hinter Gitter.
       
       Die taz traf sich schon einmal mit Falk zum Gespräch – im Frühjahr 1997 in
       der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf. Er saß damals in
       Untersuchungshaft, und das neue Bekenntnis zum Islam kam noch ohne
       missionarischen Gestus daher. Falk nannte Steinau und sich „die ersten
       muslimischen politischen Gefangenen deutscher Nationalität“ und sah selbst,
       dass dies in seinen früheren „linksautonomen Zusammenhängen zu Irritationen
       führen muss“.
       
       Den 29-Jährigen focht das nicht an. Schon damals dozierte er gerne darüber,
       was er gelesen hatte und wie sich dies zu einem Weltbild fügte: Der Islam
       habe „eine revolutionäre Natur, die die Menschen massenweise dazu bringt,
       sich gegen die Tyrannei zu erheben und zur Verwirklichung einer sozialen
       Gerechtigkeit zu gelangen“.
       
       Heute klingt das radikaler.
       
       Antiimperialismus plus Religion heißt für Sie also Dschihad? 
       
       „Wenn Sie so wollen, ja.“
       
       Falk macht keinen Hehl aus seinen Sympathien für al-Qaida, terroristische
       Anschläge nennt er ein „legitimes Mittel der Weltmassen, um sich zu
       wehren“.
       
       Die Anschläge am 11. September 2001 in New York und Washington waren also
       legitim? 
       
       „Ja.“
       
       Auch dass dabei über 3.000 unbeteiligte Menschen umkamen? 
       
       „Sie sind ja nicht unbeteiligt“.
       
       Solche Sätze kommen ihm in sanftem Ton über die Lippen. Dann beginnt er,
       ausführlich Unterdrückung und Ausbeutung anzuprangern, den Lebensstandard
       in den USA zu kritisieren und die Bevölkerung, die eine solche Regierung,
       die gegen Muslime in den Krieg ziehe, frei gewählt habe.
       
       Falk wägt seine öffentlich gesprochenen Worte dennoch genau; wird es
       strafrechtlich heikel, lässt er sich von seinem Anwalt beraten. Sagt der
       Nein, gibt der Salafist die Zitate nicht frei, ändert seine Reden auf
       Demonstrationen oder seine Videobotschaften ab.
       
       „Es ist wichtig, zu wissen, dass ich Sympathie für al-Qaida äußern darf,
       aber das ist dann auch die absolute Grenze.“
       
       Wird heute hierzulande gegen radikale Islamisten verhandelt, trifft man
       Falk im Gerichtssaal häufig an. Als Murat K., der bei einer Demo in Bonn
       zwei Polizisten mit einem Messer schwer verletzte, vor Gericht stand, war
       Falk dabei. Ebenso bei dem Prozess gegen die sogenannte Düsseldorfer
       Al-Qaida-Zelle, der seit über zwei Jahren läuft. Zu Beginn der Verhandlung
       gegen Marco G., der eine selbst gebaute Rohrbombe im Bonner Hauptbahnhof
       platziert und ein Attentat auf den Chef der rechtsextremen Splitterpartei
       Pro NRW geplant haben soll, saß Falk unter den Zuschauern.
       
       In Internet ruft er in langen, monotonen Vorträgen zur Solidarität mit den
       „muslimischen politischen Gefangenen“ auf. Dabei sitzt er an einem Tisch,
       hinter ihm sieht man mal eine Landkarte, mal das Glaubensbekenntnis. Er
       redet frontal in die Kamera. Den Prozess gegen die Al-Qaida-Zelle
       bezeichnet er als „widerliches Theater auf Kosten der vier Brüder“, Marco
       G. als „Opfer des repressiven Systems der BRD“. Zwischendurch wird die
       Kontoverbindung für seine „Gefangenenhilfe“ eingeblendet.
       
       ## „prekäre Sicherheitslage der BRD“
       
       Falk will in einem islamischen Staat auf Grundlage der Scharia leben,
       „irgendwo auf der Welt“. Und er will „die BRD mit Nachdruck veranlassen,
       aufzuhören, gemeinsam mit den USA und Israel die Welt auszubeuten“.
       
       Es folgt ein Vortrag über die „prekäre Sicherheitslage der BRD“, an der
       nicht die Salafisten hierzulande schuld seien, sondern die Politik des
       Westens. Der Aufstand dagegen sei ein Art Naturgesetz. „Die BRD ist mit
       einer Situation konfrontiert, die ungemütlich werden kann.“ Das klingt wie
       eine Drohung und soll es wohl auch.
       
       Von der Terrormiliz aber, die sich „Islamischer Staat“ nennt, hat Falk sich
       distanziert. „Wir brauchen einen islamischen Staat, aber nicht IS“, hieß es
       jüngst in einer seiner Videobotschaften. Falk lehnt den Führungsanspruch
       des IS und dessen Brutalität gegenüber Muslimen ab. Bei einem Teil der
       Szene hat er sich damit unbeliebt gemacht. Er bekomme Todesdrohungen, sagt
       er.
       
       Der Salafist lebt in Dortmund und Ludwigshafen, in beiden Städten hat er
       eine Frau, in Dortmund auch Kinder. Seine Partnerin in Rheinland-Pfalz
       zahlt den Lebensunterhalt, die „Gefangenenhilfe“ bestreitet er nach eigenen
       Angaben mit Spendengeldern.
       
       Falk wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Gefangenenhilfe stelle
       einen „herausragenden Teil der Propagandaarbeit“ der Salafisten dar, sagte
       jüngst Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in einem Interview. Er bezog
       sich ausdrücklich auf Falk. Auch der nordrhein-westfälische
       Verfassungsschutzchef Burkhard Freier hält Falk für gefährlich. „Er gibt
       den Gefangenen das Gefühl, dass man sich um sie kümmert, und bindet sie
       weiter an die salafistische Szene“, sagt er. „Das wirkt der
       Resozialisierung entgegen.“
       
       Auch für unabhängige Kenner der Szene ist Falk alles andere als ein
       harmloser Spinner. Er sei ein „salafistischer Horst Mahler“, heißt es da.
       Mahler war Mitbegründer der RAF und wurde später rechtsextrem.
       
       Zwar sei Falks Gerede für die Jugendlichen oft zu kompliziert, aber mit
       seiner Gefangenenarbeit halte er den Nachwuchs im Knast bei der Stange.
       
       31 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
   DIR Wolfgang Gast
       
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