# taz.de -- Arbeitsrechtler über Tarifeinheit: „Eingriff ins Streikrecht“
> Heiner Dribbusch hält das Vorhaben der Arbeitsministerin für einen
> Fehler. Die Spartengewerkschaften seien weder übermächtig noch besonders
> streikfreudig.
IMG Bild: Für Gewerkschaften wie die GdL droht bald ein Stoppsignal.
taz: Herr Dribbusch, das Tarifeinheitsgesetz, eine gute Idee?
Heiner Dribbusch: Nein, hierbei handelt es sich um einen gravierenden
Eingriff in das Streikrecht der Gewerkschaften.
Wieso?
In Deutschland dürfen Gewerkschaften nur streiken, um einen Tarifvertrag
abzuschließen. Wenn aber künftig ein Tarifvertrag, den eine kleine
Gewerkschaft anstrebt, keine Anwendung finden kann, weil sie nicht die
Mehrheit im Betrieb hat, wird ihr durch die Arbeitsgerichte der Streik
untersagt werden. Sie ist damit von einer eigenständigen Tarifpolitik
ausgeschlossen.
Die Gewerkschaften könnten doch gemeinsam vorgehen. Das hat Jahrzehnte
funktioniert.
Es funktioniert auch heute gut, zum Beispiel im öffentlichen Dienst. Aber
solch ein gemeinsames Vorgehen kann man nicht gesetzlich vorschreiben.
Was würde das Gesetz in der Praxis bedeuten?
Problematisch ist vor allem, wer festlegt, was als Betrieb gilt. Diese
Festlegung könnten die Arbeitgeber so gestalten, dass es zu Konstellationen
kommt, die für sie günstig sind. Beispiel Deutsche Bahn: Sie ist so
zergliedert, dass sie einen eigenen Arbeitgeberverband gegründet hat. Was
ist hier der Betrieb? Die Tochtergesellschaft, das Unternehmen, der
Konzern?
Hat das Verhalten der Spartengewerkschaften die Bundesregierung bewogen,
das Gesetz zu forcieren.
Es waren vor allem die Arbeitgeber. Spartengewerkschaften sind weder
übermächtig noch besonders streikfreudig. Bei der Bahn gibt es jetzt nach
sechs Jahren erstmals wieder größere Streiks. Und die Dauer des Konflikts
bei der Lufthansa zeigt, dass die Piloten keineswegs so einfach ihre
Vorstellungen durchsetzen können. Das Gesetz kann eher dazu führen, dass
sich der aktuelle Konflikt bei der Bahn verschärft. Denn vor seinem
Inkrafttreten dürfte die Lokführergewerkschaft bemüht sein, tarifpolitisch
Pflöcke einzuschlagen.
Durch das Gesetz sollen Tarifkollisionen vermieden werden. Was ist daran
falsch?
Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt schon heute vielfach
nicht; man denke nur an freie Mitarbeiter oder Leiharbeiter, die die
gleiche Arbeit machen wie Festangestellte, aber anders entlohnt werden. Das
wollen die Arbeitgeber, hier interessiert sie die Tarifeinheit nicht. Und
kein Arbeitgeber muss einem Tarifvertrag zustimmen, der für eine
Berufsgruppe andere Bedingungen vorschreibt, als er sie mit einer anderen
Gewerkschaft vereinbart.
29 Oct 2014
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DIR Richard Rother
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