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       # taz.de -- Gerhard Schick über die Grünen: „Wir sollten langsam mal Gas geben“
       
       > Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick warnt seine Partei in ihrer
       > schwierigen Lage vor einem Bund-Länder-Streit. Und er rügt Jürgen
       > Trittin.
       
   IMG Bild: Da waren sie noch dicke: Al-Wazir (l.) und Trittin 2009
       
       taz: Vor dem Bundesparteitag im November streitet Ihre Partei über die
       Rolle grüner Länderfürsten und ein Strategiepapier aus Hessen. Namhafte
       Realos wie Hessens Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir fordern darin, die
       Grünen sollten ihre Angst vor mehrheitsfähigen Positionen ablegen. Fehlt
       den Grünen der Mut zum Mainstream, um erfolgreich zu sein? 
       
       Gerhard Schick: Ich sehe niemanden in meiner Partei, der Angst vor einem
       Wahlergebnis von 20 Prozent oder vor mehrheitsfähigen Positionen hat. Das
       ist doch absurd. Auch die Behauptung, unsere Gesellschaft sei längst
       ergrünt, stimmt nicht. Manche grüne Themen sind zwar theoretisch
       akzeptiert, aber unsere Gesellschaft ist nach wie vor auf einem nicht
       nachhaltigen Pfad. Die Übernutzung unseres Planeten hat seit der
       Gründungsphase der Grünen dramatisch zugenommen. Deshalb müssen wir unsere
       Weise zu produzieren, zu konsumieren und zu leben ändern.
       
       Dem hessischen Antrag zufolge sind die Grünen aber in einem „Kampfmodus“
       gegen die Gesellschaft stecken geblieben, der ihrer Regierungsfähigkeit auf
       Bundesebene entgegenstehe. Teilen Sie diese Sorge? 
       
       Diese Behauptung halte ich für falsch. Die Grünen haben doch immer dann gut
       abgeschnitten, wenn es eine klare Position bei einer gesellschaftlichen
       Auseinandersetzung gab. Natürlich haben wir 2011 in Baden-Württemberg auch
       deshalb einen solchen Wahlerfolg erzielt, weil wir nach Fukushima mit
       unserer Atomausstiegsposition überzeugen konnten. Mit Winfried Kretschmann
       gab es einen Kandidaten mit Ecken und Kanten. In Brandenburg jüngst konnten
       wir beim Thema Kohle punkten. Ich glaube, dass wir daran arbeiten müssen,
       ein knackiges grünes Profil für die Bundestagswahl 2017 zu entwickeln.
       
       Aber wollen die Wähler überhaupt noch so viel grüne politische Avantgarde–
       oder sind sie mit vielem Erreichten vielleicht inzwischen ganz happy? 
       
       Wenn wir uns auf vergangenen Erfolgen ausruhen, machen wir uns überflüssig.
       Von den Grünen wird erwartet, dass sie die Zukunftsfragen angehen. Wir
       müssen also jetzt erkennen, was 2017 bis 2021 wichtig wird, und eine grüne
       Regierungsbeteiligung programmatisch vorbereiten. Zwei Parteien, die dem
       Mainstream nach dem Mund reden, regieren ja schon zusammen in der Großen
       Koalition.
       
       Wo sollen die Vorstöße herkommen – taugen grüne Landesministerien als
       Innovationspool? 
       
       Unsere Leute in den Landesregierungen machen hervorragende Arbeit. Aber die
       vorausschauende, innovative Arbeit kann man nicht nebenbei aus einem
       Ministerium heraus leisten. Da sind jetzt alle gefragt, und wir sollten
       langsam mal Gas geben – ganz unabhängig von den alten
       Flügelkonstellationen. In dem Antrag aus Hessen erkenne ich aber leider gar
       kein neues inhaltliches Profil. Wo sind denn die konkreten Vorschläge, was
       anders gemacht werden soll? Genau das wäre jetzt aber nötig: nach vorne
       gerichtete Programmarbeit.
       
       Aber verlagert sich das grüne Machtzentrum angesichts der Schwäche der
       Bundesspitze nicht inzwischen in die Länder? 
       
       Wir kommen doch nicht weiter, wenn wir jetzt diesen Bund-Länder-Konflikt
       beschwören. Äußerungen wie die von Jürgen Trittin über das grüne Waziristan
       sollte man weder öffentlich noch im Hintergrund machen. Genauso lehne ich
       eine pauschale Kritik an der Bundesebene ab. Wir befinden uns in einer
       schwierigen Lage: Angesichts der Großen Koalition und der natürlichen
       Vorrangstellung der Regierung bei außenpolitischen Fragen ist es momentan
       nicht einfach, eigene grüne Punkte zu setzen. Unsere schwachen Umfragewerte
       spiegeln das leider wider. Wer behauptet, dass er oder sie die Grünen jetzt
       sofort auf 25 Prozent führen könnte, macht sich und anderen etwas vor.
       
       Sie sind also wirklich zufrieden mit der Bundesspitze? 
       
       Natürlich bin ich nicht immer mit allem einverstanden. Aber der
       Bundesvorstand hat einen Debattenprozess mit zentralen Fragen angeschoben,
       und unser Fraktionsvorstand im Bundestag leistet sehr gute Arbeit.
       
       28 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Astrid Geisler
       
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