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       # taz.de -- Sängerin Lary: Bereit für die große weite Welt
       
       > Sperrig, glamourös, zukunftsfähig – die Berliner Sängerin Lary
       > präsentiert ihr Debüt-Album „FutureDeutscheWelle“.
       
   IMG Bild: Lary bei der Verleihung des Nachwuchspreises New Music Award 2014 im Rahmen der Berlin Music Week.
       
       Okay, Lady Gaga ist vorerst eine größere Nummer. Madonna bibbert auch noch
       nicht ängstlich. Nicht mal Kylie Minogue macht sich Sorgen, ihre Zeit
       könnte bald abgelaufen sein, auch wenn ihr Konzert am Montag in der O2
       World gerade abgesagt wurde. Das hat nämlich mit der Insolvenz des
       Tourveranstalters Creative Talent zu tun. Nein, die etablierten Pop-Diven
       der Welt, davon ist getrost auszugehen, haben den Namen Lary bislang noch
       nicht einmal gehört. Dass ausgerechnet eine junge Popsängerin aus Berlin,
       die gerade mal ihr erstes Album herausgebracht hat, in absehbarer Zeit an
       diesem Zustand etwas ändern sollte, ist sicherlich extrem unwahrscheinlich.
       Allerdings: Wenn es denn jemand schaffen sollte, dann könnte das auch diese
       Lary sein. Lary selbst würde das natürlich nie sagen, sie sagt bloß:
       „Deutschland könnte ein bisschen Glamour vertragen.“
       
       Glamour, den besitzt Lary tatsächlich nicht zu knapp. Ihre Musik, ihre
       Herkunft, ihre Erscheinung, selbst ihre Nebenjobs, all das signalisiert:
       große weite Welt. „Die junge Dame wird ganz groß“, hat ein gewisser Jan
       Delay, Experte für Herr-von-Eden-Anzüge, mondänen Soul und Glamour aller
       Art, auf seiner Facebook-Seite schon vor einiger Zeit prophezeit.
       
       Aber dass der Weg in die große weite Welt des Glamour trotzdem kein
       einfacher wird, auch das muss Lary dieser Tage erfahren. Ihr Albumdebüt
       „FutureDeutscheWelle“ will trotz gehöriger Vorschusslorbeeren, freundlicher
       Kritiken und eines kleinen Presse-Hypes nicht so richtig abheben. In der
       Schweiz erreichte das Mitte September erschienene Album den 98. Platz,
       hierzulande konnte es sich noch gar nicht in den Verkaufscharts platzieren.
       
       Auch dafür gibt es eine Erklärung: Die Songs von „FutureDeutscheWelle“
       hantieren zwar einerseits mit Versatzstücken aus modernem R&B und modischen
       Elementen vom Dancefloor, sind mal üppig, meist aber reduziert und düster
       produziert, immer wieder sehr elektronisch, aber stets mit sehr viel Soul,
       und klingen selten auch tatsächlich nach der Neuen Deutschen Welle, die im
       Titel zitiert wird, noch seltener nach Falco oder Ideal, die Lary als
       Einflüsse angibt. Vor allem verweigern die Songs aber just in dem Moment,
       in dem sich die Radiotauglichkeit entscheidet, nahezu systematisch die
       allzu simple Eingängigkeit und setzen sich ganz selbstbewusst zwischen die
       Stühle. „Es ist sperrig, was ich mache“, sagt Lary selbst. „Ich suche noch
       meinen Platz in einem Terrain, das bislang noch nicht beschritten wurde.
       Man muss das Bedürfnis nach Schubladen ja nicht befriedigen.“
       
       ## Selbstfindung in New York
       
       Geboren wurde Larissa Sirah Herden 1986 in Gelsenkirchen, aufgewachsen ist
       die Tochter eines Jamaikaners und einer Deutschen in Düsseldorf. Ihren
       Bachelor in Medien- und Kulturwissenschaften schloss sie mit 1,0 ab, sie
       arbeitete aber auch immer wieder als Model. Zur Selbstfindung ging es ein
       halbes Jahr nach New York. Sie sang Background für Tim Bendzko, arbeitete
       mit dem Rapper Curse an einem Album, ging als Einheizer mit Flo Mega auf
       Tournee. Sie hat bei der Art Basel in Miami gespielt und bei der Pariser
       Fashion Week nebenbei noch gemodelt.
       
       Seit gut drei Jahren lebt die Sängerin nun in Kreuzberg. Unter Vertrag
       genommen hat sie mittlerweile dasselbe Plattenlabel, das schon den Rapper
       Cro zum Teenie-Star aufgebaut hat und auch bei Lary ausreichend Geduld
       haben sollte. Anfang September, zum Abschluss der Berlin Music Week, gewann
       sie den Nachwuchspreis New Music Award. Kleine Schritte.
       
       Dabei wäre der Erfolg, eine Aufmerksamkeit in den massenwirksameren Medien
       sehr leicht viel schneller zu erreichen. Doch dass Lary die Freundin von
       Noah Becker ist, dem Sohn des Tennishelden Boris, diesen Ball versucht sie
       flach zu halten, so gut es eben geht. Die interessierten Boulevardmedien
       werden ignoriert, Aussagen zum prominenten Freund verweigert, auf
       Nachfragen reagiert sie allergisch. Ihre Musik soll es auch so schaffen.
       
       Die hat dazu auf jeden Fall das Potenzial. Oberflächlich betrachtet,
       besteht „FutureDeutscheWelle“ weitgehend aus Liebesliedern. Doch wenn man
       genauer hinhört, kann man eine junge Musikerin entdecken, die so
       selbstverständlich wie keine andere hierzulande aus dem Bauch der
       Selfie-Generation berichtet. „Wer liebt uns, wenn wir nicht mehr jung und
       schön sind?“, fragt sie gleich im ersten Song ihres Albums. „Ich setze mich
       mit dem Zeitgeist auseinander und mit den Themen, die für meine Generation
       wichtig sind“, sagt sie, „es geht darum, sich zu finden – oder eben, sich
       zu verlieren. Es geht um Rebellion gegen alles – hauptsächlich gegen einen
       selbst.“ Diese Themen sind, sagt Lary, „für mich ebenso aktuell wie für
       andere junge Menschen in Buxtehude oder Paris“.
       
       Über Buxtehude könnte er also auch führen, der Weg hinaus in die große
       weite Welt des Glamours.
       
       ## ■ Lary: „FutureDeutscheWelle“ (Chimperator Department/Sony) Live: 27.
       10., Kantine am Berghain
       
       25 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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