# taz.de -- Kommentar Vermögen in Deutschland: Cooler Blick auf die Wohlhabenden
> Reichtumskritik ist zum erwartbaren Austausch von Klischees verkommen.
> Politische Konsequenzen fehlen. Eine nüchterne Betrachtung hilft.
IMG Bild: Erstmal ganz nüchtern: weg mit dem Wasser, Schampus für alle!
Die Reichtumsdebatte in Deutschland droht zur Folklore zu werden. Und das
ist kein gutes Zeichen. Die neue Studie des gewerkschaftsnahen
IMK-Instituts, die sich auf den Beststeller des Franzosen Thomas Piketty
bezieht und eine wachsende Ungleichheit beklagt, reiht sich nahtlos in den
Kampf um Statistiken ein.
Alles dreht sich um die Frage, ob die Ungleichheit zunimmt oder stagniert,
was auch von der Datenbasis abhängt. Der Reiche, der immer reicher wird,
ist längst Teil der Folklore geworden, dem erwartbaren Austausch von
Klischees – aus dem leider keine politischen Konsequenzen folgen.
Der Reiche erscheint in der Öffentlichkeit quasi in einer Doppelrolle:
Einmal gilt reich zu sein fast schon als Charakterfehler, als Zeichen von
Gier. Andererseits erscheinen Reiche als tragende Unternehmer, die
Arbeitsplätze schaffen und mitsamt ihrer Firma in die Schweiz flüchten
würden, wenn in Deutschland die Besitzsteuern stiegen.
Die Mittelschicht ist den Reichen gegenüber ambivalent: Sie fühlt sich zwar
nicht reich, würde es aber gerne werden, und deshalb gelten ihr höhere
Erbschafts- und Besitzsteuern als Gift, weil diese den Vermögensaufbau der
Familie hemmen könnten.
Statt dieser immergleichen Rollenspiele wäre ein cooler Blick auf den
Reichtum angesagt. Klar kann man die Erbschaftssteuer erhöhen, die
derzeitigen Freibeträge sind aberwitzig hoch. Natürlich könnte man eine
Vermögenssteuer wieder einführen, gab es früher auch schon.
Und was den Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer von 42
beziehungsweise 45 Prozent für sehr hohe Einkommen betrifft: In den 70er
und 80er Jahren lag der Spitzensteuersatz bei 56 Prozent und der deutschen
Wirtschaft ging es blendend. Aber kein Politiker, der Mehrheiten will, wird
derzeit wagen, deutliche Steuererhöhungen zu fordern. Die
Reich-und-Arm-Folklore ist ungefährlicher. Und folgenlos.
23 Oct 2014
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DIR Barbara Dribbusch
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