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       # taz.de -- Massaker an Zivilisten im Kongo: Unter den Augen der Armee
       
       > Die Regierung macht ugandische Rebellen für die neue Gewalt
       > verantwortlich. Daran gibt es Zweifel. Es bilden sich Volksmilizen.
       
   IMG Bild: UN-Blauhelme im Kongo (Archivbild).
       
       BERLIN taz | Eine Serie von Massakern rund um die Stadt Beni im Osten der
       Demokratischen Republik Kongo treibt die ostkongolesische Provinz Nord-Kivu
       zurück in Bürgerkriegsstimmung, knapp ein Jahr seit dem Ende der
       Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März).
       
       Mindestens 80 Menschen sind nach Angaben lokaler Medien seit Monatsanfang
       im Gebiet um die Distrikthauptstadt Beni getötet worden, bis zu 90.000
       Personen sind nach UN-Angaben auf der Flucht. Allein am Wochenende starben
       22 Menschen, teils mit Macheten zerhackt.
       
       Kongos Behörden und auch die UN-Mission im Kongo (Monusco) machen dafür die
       ugandische Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces) verantwortlich und
       versprechen jetzt ein hartes Vorgehen gegen diese Gruppe. Verschanzt im
       Rwenzori-Bergmassiv an der Grenze zwischen Kongo und Uganda, macht die ADF
       regelmäßig das Tiefland auf kongolesischer Seite unsicher.
       
       Sie hat lokale Kämpfer rekrutiert und ist tief in Handel- und
       Schmuggelgeschäfte verwickelt. Seit Jahresbeginn läuft mit UN-Unterstützung
       die kongolesische Armeeoffensive „Operation Sukola“ gegen die ADF. Mehrere
       Hundert Rebellen und Regierungssoldaten sind dabei nach UN-Angaben getötet
       worden.
       
       ## Zweifel an der ADF-Theorie
       
       Lokale Beobachter bezweifeln jedoch, dass die ADF hinter den neuen
       Massakern steckt. „Die militärischen Autoritäten sagen, die ADF sei
       geschwächt und zerschlagen, also ist es unvorstellbar, dass eine solche
       Gruppe so schlagkräftig operiert und die Sicherheitskräfte tagelang nichts
       merken“, erklärt die Menschenrechtsorganisation Gadhop in Butembo. Viele
       der blutigsten Angriffe hätten sich in unmittelbarer Nachbarschaft von
       Armeelagern zugetragen.
       
       Lokale Beobachter sehen einen Zusammenhang: Die Armee in Nord-Kivu ist tief
       zerrüttet. Der Militärkommandant der Provinz, General Lucien Bahuma, starb
       Ende August in Südafrika unter nicht vollständig geklärten Umständen. Zu
       Jahresbeginn war der Kommandeur der „schnellen Eingreiftruppen“ der Provinz
       und Anführer des Kriegs gegen die M23, Oberst Mamadou Ndala, bei einem
       Anschlag in der Nähe des Flughafens von Beni ums Leben gekommen. Seit dem
       1. Oktober läuft vor einem Militärgericht in Beni ein Prozess gegen 12
       Soldaten wegen des Mords an Ndala. Unter den Angeklagten ist der damalige
       Stadtkommandant von Beni, Oberst Bizuru.
       
       ## Rivalitäten beim Militär
       
       Wohl nicht zufällig hat die neue Serie von Überfällen auf die
       Zivilbevölkerung zeitgleich mit diesem Prozess begonnen. Er wird in ganz
       Kongo mit Spannung verfolgt, da Mamadou Ndala als Verteidiger der
       Provinzhauptstadt Goma gegen die M23 große Beliebtheit genoss.
       Oppositionelle vermuten, der Mord habe mit Rivalitäten zwischen Generälen
       zu tun. Der zentrale überlebende direkte Zeuge, Ndalas Fahrer, starb am Tag
       nach der Prozesseröffnung.
       
       Kongos Regierung hatte zunächst die ADF für den Mord an Mamadou Ndala
       verantwortlich gemacht, dann aber auch den Kommandeur der Regierungstruppen
       im Distrikt Beni, General Muhindo Akili – genannt Mundos. Der wurde
       zunächst unter Hausarrest gestellt, ist aber mittlerweile wieder frei und
       kommandiert seit Mitte September die „Operation Sukola“ gegen die ADF.
       Ausgerechnet seit seiner Übernahme erzielt die Armee kaum mehr Erfolge. Die
       Soldaten würden nicht bezahlt, heißt es in lokalen Berichten.
       
       Seit dem Wochenende treten in Teilen von Beni Volksmilizen aus jungen
       Männern auf, die mit Macheten auf Patrouille gehen. Sie nehmen die
       Sicherheit in die eigene Hand.
       
       21 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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