URI: 
       # taz.de -- Ärger um neues Jagdgesetz in NRW: Killerkatzen oder Katzenkiller?
       
       > Ein neues Jagdgesetz in Nordrhein-Westfalen treibt die Jäger auf die
       > Palme. Streunende Katzen dürfen nicht mehr geschossen werden.
       
   IMG Bild: „Der Katzenabschuss ist nicht sinnvoll und nicht mehr zeitgemäß“, sagt ein Sprecher von NRW-Umweltminister Johannes Remmel.
       
       KÖLN taz | Die Schonfrist ist vorbei. Waldschnepfen, Iltisse und
       Steinmarder dürfen seit Ende vergangener Woche wieder gejagt werden. Das
       empört den Vorsitzenden des nordrhein-westfälischen BUND: „Jäger töten pro
       Jahr rund 10.000 Iltisse und Marder, nur um sie anschließend wegzuwerfen“,
       sagt Holger Sticht. Grund seines Zorns: Die Tiere werden nicht verwertet,
       mit ihrem Fleisch und ihren Fellen kann niemand etwas anfangen.
       
       Für die Waldschnepfen dagegen dürfte es zumindest an Rhein und Ruhr die
       letzte Saison sein, in der Jäger ihnen nachstellen. Denn der grüne
       NRW-Umweltminister Johannes Remmel will das Jagdrecht reformieren. Unter
       anderem soll die Liste, auf der die sogenannten jagdbaren Arten aufgeführt
       sind, kürzer werden: Außer der Waldschnepfe sollen Luchse, Greifvögel und
       Dutzende weitere Tiere künftig verschont bleiben. Auch will Remmel
       grundsätzlich verbieten, dass die Jäger streunende Katzen erledigen. Hunde
       dürften sie nur noch in absoluten Ausnahmefällen abschießen. Die Waidmänner
       im Land sind schwer verärgert und blasen zum Halali gegen den Minister.
       
       Bei den Naturschutzverbänden findet Remmels Entwurf für ein „ökologisches
       Jagdgesetz“ hingegen Lob, wenn er ihnen auch nicht weit genug geht.
       „Natürlich sind wir beileibe nicht mit allen getroffenen Regelungen
       einverstanden“, sagt der NRW-Vorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland
       (Nabu), Josef Tumbrinck. Aber, sagt er: „Dem Land NRW ist mit dem Entwurf
       eines ökologischen Jagdgesetzes der Spagat zwischen Jagdinteressen und dem
       Natur- und Tierschutz eindrucksvoll gelungen.“
       
       Auch BUND-Mann Sticht hätte sich noch mehr für ein „wirklich ökologisches
       Jagdgesetz“ erhofft. Er findet zwar gut, dass Totschlagfallen künftig
       verboten sein sollen, hätte sich aber gewünscht, dass auch Lebendfallen
       kassiert werden – weil viele Tiere, auch Haustiere, darin den Stresstod
       sterben. Auch fordert er ein generelles Verbot von Jagden in
       Naturschutzgebieten.
       
       ## „Gängelei um der Gängelei willen“
       
       Das sieht die organisierte Jägerschaft ganz anders. Das geplante Gesetz sei
       „eine Gängelei um der Gängelei willen“, sagt Andreas Schneider, Sprecher
       des Jagdverbands NRW. Die Grünröcke haben gleich 15 Punkte ausgemacht, die
       sie fundamental ablehnen. Dazu gehört die Einführung von jährlichen
       Nachweisen ihrer Treffsicherheit beim Schießen.
       
       In seiner Stellungnahme an die Landesregierung klassifiziert der Verband
       das Gesetzesvorhaben „als massiven und verfassungswidrigen Eingriff in die
       Freiheits- und Eigentumsrechte, als antidemokratisch, unsolidarisch, tier-
       und artenschutzwidrig und letztlich nicht praktikabel“. In NRW haben 80.000
       Menschen einen Jagdschein. Wie viele von ihnen aktiv jagen, ist unbekannt.
       Der Jagdverband hat nach eigenen Angaben 65.000 Mitglieder. Von Anfang an
       begegnete die Jägerlobby Remmels Plänen mit größtem Misstrauen – jetzt
       sieht sie sich bestätigt. Von einer „Kampfansage an alle Jägerinnen und
       Jäger“, spricht der Vorsitzende der Jägerstiftung natur + mensch, Jochen
       Borchert, einst unter Helmut Kohl Bundesagrar- und -forstminister.
       
       Eine Unterschriftenliste gegen das Gesetz haben mittlerweile rund 10.000
       Jagdfans unterschrieben. „Mit seinem Gesetzentwurf hat Minister Remmel im
       Handumdrehen das halbe Land gegen sich und seine Pläne aufgebracht“, glaubt
       der Präsident des NRW-Jagdverbands Ralph Müller-Schallenberg.
       
       Doch da könnte er sich täuschen. Denn die Jäger zeigen sich auch bei einem
       emotional besetzten Punkt nicht kompromissbereit: dem Abschuss von Katzen.
       „Der Katzenabschuss ist nicht sinnvoll und nicht mehr zeitgemäß“, sagt
       Remmels Sprecher Wilhelm Deitermann. Das sehen die Jäger anders.
       
       ## „Katzenmörder“
       
       Seit Remmels Pressestelle kürzlich eine Liste mit den Zahlen der
       abgeschossenen Katzen veröffentlichte – bestens aufbereitet für die
       Lokalzeitungen nach Kreisen und Regierungsbezirken –, ist die Empörung über
       die „Katzenmörder“ groß. Im Jagdjahr 2013/2014 wurden in NRW immerhin 7.595
       Katzen geschossen, die meisten im Regierungsbezirk Münster (4.347 Tiere),
       die wenigsten im Regierungsbezirk Köln (476 Tiere). BUND-Mann Sticht
       beobachtet mit einer gewissen Schadenfreude, wie sich die Jäger in dem
       Gesetzentwurf verbeißen. „Sie schaden sich nur selbst mit ihrer Haltung“,
       sagt er.
       
       Sturm laufen die Waidmänner auch gegen das Vorhaben, die Jagdsteuer wieder
       einzuführen. Die schwarz-gelbe Regierung hatte sie 2009 abgeschafft. „Warum
       sollen wir als einzige Naturschützer für unser Tun bestraft werden?“, fragt
       Jägersprecher Schneider. Die Leute vom Nabu oder BUND müssten schließlich
       auch keine Abgaben entrichten.
       
       NRW ist in 7.500 Jagdreviere aufgeteilt. Jedes hat einen verantwortlichen
       Jäger, der etwa von Autofahrern nach einem Wildunfall benachrichtigt wird.
       Diese Aufgabe wollen die Jäger nicht mehr ausüben, wenn mit der Steuer
       Ernst gemacht wird.
       
       Die Jäger versuchen, einen Keil in die rot-grüne Koalition zu treiben. Er
       sei sehr gespannt, ob für die größere Regierungspartei akzeptabel sein
       könne, die Interessen der Jäger so zu missachten, sagt Jäger-Präsident
       Müller-Schallenberg: „Die Jagd steht wie die SPD ebenfalls in einer großen
       Tradition.“ Aber auch Sozialdemokraten haben Katzen.
       
       20 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
       ## TAGS
       
   DIR Jagdgesetz
   DIR NRW
   DIR Abschuss
   DIR Tierschutz
   DIR Nordrhein-Westfalen
   DIR Wildtiere
   DIR Biologie
   DIR Katzen
   DIR Katzen
   DIR Niedersachsen
   DIR Jagd
   DIR Jäger
   DIR Jäger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Online-Petition gegen Totschlagfallen: Falle zu, Fuchs in Not
       
       In Norddeutschland dürfen sogenannten Totschlagfallen eingesetzt werden. In
       anderen Bundesländern sind sie bereits verboten.
       
   DIR NRW-Umweltminister Remmel: Der Katzenfreund
       
       Eine „Katzen-Volkszählung“ wolle der Minister einführen, höhnt die CDU.
       Dabei will er den Städten helfen, die Vermehrung zu kontrollieren.
       
   DIR Neues Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen: Aufstand der Jagdlobby
       
       Mit Jagdhörnern wollen Jäger und Landleute am Mittwoch gegen das geplante
       neue Jagdrecht anblasen. Die größte Oppositionsfraktion steht Gewehr bei
       Fuß.
       
   DIR Verhalten von Raubkatzen: Luchse relaxen synchron
       
       Ein Forscherteam hat über mehrere Jahre hinweg in Skandinavien und im
       Bayerischen Wald Luchse beobachtet. Das Ergebnis: Die Tiere machen
       Mittagspause.
       
   DIR Kolumne Liebeserklärung: Die Katze
       
       Wir brauchen unsere Stubentiger: Wenn wir ihr weiches Fell streicheln, sind
       die Schrecken der Welt zu ertragen.
       
   DIR Jagdverbot in Nordrhein-Westfalen: Katzen in den Kochtopf!
       
       Wer Katzen schießt, schützt die Natur – und tut was gegen die
       Massentierhaltung. Das können sich auch populistische Umweltminister mal
       merken.
       
   DIR Grüner Streit um Kali-Bergbau: Salz in der Suppe
       
       Im Streit über Abwässer der Kali-Industrie verzetteln sich die
       Umweltminister der Ökopartei. Es geht vor allem um eine Pipeline für die
       Abfälle.
       
   DIR Runter von der Abschussliste: Kastration soll Katzen retten
       
       In dieser Woche startet Schleswig-Holstein ein Kastrationsprojekt für
       Katzen. Das soll ihren Abschuss und den Tod von Singvögeln verhindern.
       
   DIR Neugestaltung der Jagdgesetze: Anachronistische Privilegien
       
       Naturschutzverbände fordern neue Regeln für die Jagd. Die Jäger hingegen
       pochen auf ihre Jagdrechte. Hier die Position eines Naturschützers.
       
   DIR Die ersten jagdfreien Zonen: Betreten nur ohne Flinte erlaubt
       
       Als einer der ersten Landbesitzer in NRW hat André Hölscher eine jagdfreie
       Zone ausgerufen. Das Bundesjagdgesetz macht dies jetzt möglich.
       
   DIR Waidmanns-Stop: Wer Frieden will, muss zahlen
       
       Waldbesitzer können seit Dezember die Jagd in ihren Forsten verbieten. Die
       Hürden dafür sind allerdings hoch.
       
   DIR Marodierende Vögel: Gans, Du hast den Raps gestohlen
       
       Um zu verhindern, dass die Tiere ganze Ernten fressen, soll die Jagd auf
       sie ausgedehnt werden. Das alleine bringe gar nichts und sei sogar
       kontraproduktiv, findet der Nabu.