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       # taz.de -- Netzpolitik.org feiert 10-Jähriges: Toll, toll, toll und auch noch weise
       
       > Netzpolitik.org feiert sich selbst mit einer Konferenz. Die ultimative
       > Lobhudelei fehlt ebensowenig wie Debatten über Sinnkrise und
       > Daseinsberechtigung.
       
   IMG Bild: „Data must flow“ – Daten müssen fließen. Debatten auch.
       
       BERLIN taz | So ist das ja manchmal bei Kindergeburtstagen: Am Anfang
       stehen noch alle Freunde im Kreis um das Geburtstagskind, die Eltern
       streicheln stolz übers Köpfchen. Am Ende aber gibt es meistens Ärger. Am
       Freitag ist Kindergeburtstag in Berlin. Denn [1][netzpolitik.org],
       Deutschlands wichtigste netzpolitische Plattform, feiert ihren zehnten
       Geburtstag. Mit einer Konferenz.
       
       Und ja, es geht auch alles ganz genau so los. Es gibt zwar keine Papphüte
       hier, keine Lampions, nicht mal Sackhüpfen, und ein kleines Stück Kuchen
       kostet zwei Euro. Aber vorne auf der Bühne beginnt gerade der bis auf
       weiteres wichtigste Programmpunkt: „Die ultimative Lobhudelei und eine Gran
       Kritik“.
       
       Jan Engelmann und Nicole Ebber von der [2][Wikimedia Deutschland] stehen
       auf der Bühne, rundherum ist alles dunkel illuminiert – alte Nerd-Regel,
       damit die Laptop-Bildschirme nicht so spiegeln – und dann streicheln sie
       dem Geburtstagskind übers Köpfchen: Wie toll es ist, dass Netzpolitik schon
       gebloggt hat als Bloggen noch gar nicht so hieß, wie toll, dass Netzpolitik
       in Deutschland eine neue Ära eingeläutet habe, wie toll, dass bei
       Netzpolitik alle alles kommentieren dürfen, und dann auch Markus und André
       und wie sie alle heißen.
       
       Es ist ja keine Frage: Sie haben absolut Recht. Dann aber gewinnt eine
       Vorahnung an Raum. Netzpolitik ist ja gerade mal zehn, aber vieles hier
       zeigt an: Die Pubertät steht an, Sinnkrise, Neuerweckung. Zehn Jahre ist es
       nun her, dass vor allem durch das Engagement Markus Beckedahls eine neue
       politische Stimme anhob, das gesellschaftliche Bewusstsein in Deutschland
       zu verändern. Dass Netzpolitik ein Kernbereich von Gesellschaftspolitik
       ist, stellt heute niemand mehr in Frage.
       
       ## Debattenkultur und Nachdenklichkeit
       
       Und so gibt es an diesem Freitag viele hier, die diesen Satz immer
       wiederholen: „Ich wünsche Euch, dass ihr künftig nicht mehr nötig seid“,
       sagt etwa der Niederländer Ton Siedsma. Viele andere sagen ähnliches. Es
       gibt aber einen noch wesentlich substanzielleren Indikator, der anzeigt,
       dass das kommende Jahrzehnt nicht nur für Netzpolitik.org ein
       nachdenklicheres zu sein hat: Die inhaltliche, reflektorische
       Debattenkultur, die Nachdenklichkeit, das Infragestellen auf offener Bühne.
       
       Es hat ja längst begonnen: Bringt die Digitalisierung vor allem gigantische
       Freiheitspotenziale – oder nicht viel mehr auch riesige
       Unterdrückungspotenzen? Feuilleton und NetzaktivistInnen diskutieren
       eifrig. Und hier sitzt heute, nachdenklich, zum Beispiel der Blogger Johnny
       Haeusler. Er kritisiert die Geschwindigkeit, der auch die Blogosphäre viel
       zu viel verfallen sei, die Hypekultur, die Jagd nach Klicks. „Da werden
       tausendfach Reifen zurückgerufen, weil sie platzen können, und
       Waschmaschinen, weil sie Feuer fangen – und wir reden kollektiv über ein
       IPhone. Warum? Weil es sich verbiegt.“ Gerade, sagt er, habe er etwas über
       [3][Social Freezing] schreiben wollen, das Einfrieren von Eizellen, das
       derzeit im öffentlichen Fokus steht, weil etwa Apple seinen
       Mitarbeiterinnen dafür die Kosten erstatten will.
       
       ## Ein Wink an Markus Beckedahl
       
       Von der Nachricht zur kollektiv ablehnenden Meinung dauerte es in der
       vergangenen Woche in Deutschland nur wenige Stunden. Er sagt: „Bei mir
       dauert es einfach länger bis ich alle Gedankenstränge zusammengeführt habe
       und ich habe damit gute Erfahrungen gemacht.“ Seine Mitdiskutanten stimmt
       ein: „Wir müssen wieder mehr Langsamkeit einführen.“
       
       Das ist, zumindest auch, ein Wink an Markus Beckedahl selbst. Denn der
       klickgetriebene Journalismus ist zumindest ein Teilrezept des Erfolges
       seines [4][Blogs]. Gerne sind es da auch immer wieder mal die
       Ein-Absatz-Meldungen, quick and dirty, die von Beckedahl veröffentlicht
       werden – ein Link, ein Satz, ne Meinung. Und die aufgrund der großen
       Anhängerschaft dennoch großes Verbreitungspotenzial genießen.
       
       Nein, irgendwie ist dieser Kindergeburtstag gar keiner. Es gibt kein
       Topfschlagen, kein Säbelrasseln, es gibt am Ende nicht mal Ärger.
       Netzpolitik.org ist gerade mal zehn Jahre alt und, verdammt, wird jetzt
       schon weise? Jawohl. Danke auch dafür.
       
       17 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://netzpolitik.org/
   DIR [2] http://wikimedia.de/wiki/Hauptseite
   DIR [3] /Eingefrorene-Eizellen/!147859/
   DIR [4] http://beckedahl.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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