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       # taz.de -- Streit um Gemeinnützigkeit: Attac wird zum Opfer des Finanzamts
       
       > Die Globalisierungskritiker von Attac sind nicht mehr gemeinnützig.
       > Weitere NGOs müssen nun um ihren steuerbegünstigten Status zittern.
       
   IMG Bild: Zweifellos gemeinnützig: Brauchtumspflege beim Meißner Schützenverein 1460 e.V.
       
       BERLIN taz | Es ist paradox: Auf der einen Seite stehen all die
       Würdigungen. Erst am Donnerstag hatte Bundespräsident Joachim Gauck bei
       einer Rede zu zivilgesellschaftlichem Engagement Attac namentlich gelobt.
       Aber: Es gibt noch andere Mächte. So den Anwendungserlass zur
       Abgabenordnung aus dem Bundesfinanzministerium. Dort ist definiert, wer als
       gemeinnützig anerkannt wird – und wer nicht.
       
       Deshalb setzen Finanzämter immer wieder gerade jene unter Druck, die sich
       als besonders rege Demokraten verstehen. Jüngstes Opfer: Attac. Seit
       Monaten kämpft das globalisierungskritische Netzwerk mit Geschäftsstelle in
       Frankfurt darum, weiter als gemeinnützig zu gelten. Das ist relevant, weil
       davon abhängt, ob Attac-Spenden von der Steuer abgesetzt werden dürfen.
       Seit Jahren stellt das Amt die Gemeinnützigkeit in Frage. Nun beschied es
       erstmals, diese formell abzuerkennen.
       
       Die Streitfrage: Kommt Attac einem Bildungsauftrag zur Demokratieschulung
       nach oder betreibt die Organisation zu viel Kampagnenarbeit – etwa für die
       Finanztransaktionsteuer? Attac betonte stets, als basisdemokratische
       Organisation ihr Engagement als politischen Bildungsauftrag zu leben. Viele
       Sommerakademien und Workshops, in denen die Ausrichtung der Organisation
       debattiert wird, sollen das belegen.
       
       Deshalb sieht sich Attac im Recht und will dies im Zweifel durch alle
       gerichtlichen Instanzen durchsetzen. Geschäftsführerin Stephanie Handtmann
       sagt: „Das führt uns nicht in eine Existenzkrise, sondern wird viele
       unserer Unterstützer dazu bringen, jetzt erst recht an unserer Seite zu
       stehen.“ Kampagnen und Projekte seien nicht gefährdet.
       
       Dennoch ist bereits vorsorglich der Etat für das kommende Jahr um rund ein
       Zehntel gekürzt worden. Etwa 90 Prozent des Haushalts von in diesem Jahr
       etwa 1,5 Millionen Euro werden durch Beiträge der 28.500 Mitglieder und
       durch Spenden finanziert. Bereits für 2014 kann derzeit keine
       Spendenbescheinigung mehr ausgestellt werden.
       
       ## Forderung nach großzügigerer Regelung
       
       Wenn selbst bei Attac die Dinge unklar sind, droht ähnlichen Organisationen
       ein ähnliches Problem, fürchtet Matthias Fiedler. Der Geschäftsführer der
       Bewegungsstiftung in Verden sagt: „Wir brauchen jetzt eine Debatte darüber,
       was unserer Gesellschaft bürgerschaftliches Engagement jenseits von
       Sonntagsreden wert ist.“
       
       Zwar sind sämtliche parteinahen Stiftungen oder auch die
       Bertelsmann-Stiftung als gemeinnützig anerkannt, bei
       zivilgesellschaftlichen Organisationen machen die Finanzämter dagegen
       häufig Ärger. So bekamen es etwa die Solidaritätsinitiative Adopt a
       Revolution, der BUND Hamburg oder der feministische Frauenverband Courage
       ebenfalls mit den Finanzämtern zu tun, weil diese deren Gemeinnützigkeit in
       Frage stellten. Teils stehen auch hier, wie etwa beim BUND Hamburg, die
       endgültigen Klärungen noch aus, weil noch entsprechende Gerichtsverfahren
       anhängig sind.
       
       Alarmiert ist auch Lothar Binding, Finanzexperte der
       SPD-Bundestagsfraktion. Binding, selbst Mitglied bei Attac, fordert: „Wir
       sollten zu großzügigeren Regelungen kommen, um bürgerschaftlichem
       Engagement mehr Raum zu geben.“ Ob das etwas ändert, ist nicht abzusehen.
       
       Der jüngste Anwendungserlass stammt aus dem Januar 2014. Zumindest eines
       ist darin klar geregelt: „Schützenvereine können auch dann als gemeinnützig
       anerkannt werden, wenn sie nach ihrer Satzung neben dem Schießsport auch
       das Schützenbrauchtum fördern.“
       
       17 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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