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       # taz.de -- NSA-Untersuchungsausschuss: Auf Wiedervorlage
       
       > Die Regierung tut alles, um die Arbeit des NSA-Ausschusses zu sabotieren.
       > Nun droht sie den Abgeordneten sogar. Die letzte Sitzung endet im Eklat.
       
   IMG Bild: Dem Adler oder der Merkel verpflichtet? Ausschussvorsitzender Patrick Sensburg.
       
       BERLIN taz | Sie sind stinksauer und zwar alle. Eigentlich sollten im
       Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre viele folgenreiche
       Fragen beantwortet werden. Es geht um massenhafte Grundrechtsbrüche und
       nicht nur Bundestagsabgeordnete wollen wissen: Was wusste die deutsche
       Bundesregierung von der Massenausspähung der NSA? Und was geschah am
       deutschen Horchposten in Bad Aibling, wo der US-Nachrichtendienst NSA und
       der deutsche Bundesnachrichtendienst offenbar gedeihlich Hand in Hand
       arbeiten - und Daten austauschen?
       
       Deshalb sitzen sie dort alle, in diesem sterilen Konferenzsaal, Raum 4.900
       des Deutschen Bundestages. Heute wären sogar spannende Gäste geladen.
       Eigentlich. Denn wieder –  oder besser gesagt: immer noch – wird die
       Aufklärungsarbeit im Bundestag von einer lange währenden Fehde
       überschattet, die vielleicht so zusammenzufassen ist: Gelingt es der
       Bundesregierung, die parlamentarische Aufklärung langfristig zu behindern –
       und die nervige Opposition endlich mürbe zu machen?
       
       Letztes Kapitel in diesem Trauerspiel: Ein interessanter Brief aus dem
       Bundeskanzleramt. Und eine Posse um Dokumente, die einfach nicht ankommen.
       Aber eins nach dem anderen. Offenbar herrscht beim Bundesnachrichtendienst
       und im vorgesetzten Bundeskanzleramt anhaltende Verärgerung darüber, dass
       immer wieder als geheim eingestufte Informationen zur Überwachungs- und
       Auswertungspraxis des BND an die Öffentlichkeit gelangen.
       
       Die schlimmsten Geheimnisverräter scheint das Bundeskanzleramt nun direkt
       im Bundestag zu verorten, dem Ort, der als höchster Souverän umgekehrt für
       die Kontrolle der Bundesregierung zuständig sein sollte. Und so wandte sich
       das Kanzleramt mit einem Schreiben direkt an den Ausschussvorsitzenden
       Patrick Sensburg von der CDU. Geht es nach den Ausschussmitgliedern, dann
       soll das Kanzleramt ihnen in diesem Schreiben gar mit einer Strafanzeige
       gedroht haben – und nun ist die Opposition empört, „dass wir als
       Bundestagsabgeordnete hier von der Bundesregierung unter Generalverdacht
       gestellt werden", wie es Martina Renner formuliert, die für die
       Linksfraktion im Ausschuss sitzt.
       
       ## Welche Dokumente in welcher Form?
       
       Sie forderte die Bundesregierung auf, das Schreiben zurückzunehmen. Auch
       aus Reihen der Grünen gab es scharfe Kritik an dem Schreiben.
       Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sagte am Rande des Ausschusses,
       unter solchen Bedingungen könnten die Parlamentarier nicht ordentlich
       arbeiten. Später werden das noch andere sagen.
       
       Auch in Reihen der Koalition herrscht zwischen Abgeordneten von SPD und CDU
       Froststimmung. CDU-Politiker sollen dem Koalitionskollegen Christian Flisek
       vorhalten, vertrauliche Informationen weitergegeben zu haben. Umgekehrt
       wird auf Bundestagsfluren gespottet, der Ausschuss-Vorsitzende Sensburg
       verhalte sich nicht wie ein Ausschussvorsitzender, sondern wie ein Maulwurf
       der Bundesregierung, der nicht das Wohl des Ausschusses, sondern das der
       Kanzlerin im Blick habe.
       
       Streit gibt es auch um die Frage, welche Dokumente den Abgeordneten in
       welcher Form vorgelegt wurden und werden. Die Bundesregierung gewichtet das
       Geheimhaltungsinteresse des US-Nachrichtendienstes NSA hoch und will
       umfangreiche Schwärzungen in den Akten vornehmen. Politiker von Grünen und
       Linken monieren dagegen, dass sie viel zu wenig Einblicke in die
       umfassenden Sachverhalte bekämen – und gehen gegen die Schwärzungen vor.
       
       Am Donnerstagnachmittag ging das Gezausel im Ausschssraum dann weiter:
       Obwohl mit zwei Zeugen aus dem operativen Arbeitsfeld des
       Bundesnachrichtendienstes zwei interessante Gäste geladen waren, wurde die
       Sitzung rasch wieder unterbrochen. Kaum hatte Ausschussvorsitzender
       Sensburg seine ausladende Befragung beendet („Was ist ein Datum?“),
       monierte Linke-Abgeordnete Renner, dass der Zeuge sich womöglich auf
       Grundlage genau jener Akten habe vorbereiten können, die den
       Ausschussmitgliedern – obwohl längst beantragt – noch nicht vorlägen. Und
       siehe da: Volltreffer.
       
       Der Zeuge räumte ein, dass er bei seiner Vorbereitung auch aus
       Informationen aus jenem neunten BND-Aktenordner schöpfen konnte, den
       Ausschussmitglieder seit langem einsehen wollen – und offenbar noch immer
       nicht umfassend zur Verfügung haben. Und so endete die Sitzung dann
       tatsächlich in einem Eklat: Die Abgeordneten brachen die Sitzung ab. Und
       wer steht am Ende vor der Presse? Ausschussvorsitzender Patrick Sensburg
       mit dem Satz: „So können wir nicht arbeiten.“ Das jedoch scheint so langsam
       zur Bestimmung im NSA-Ausschuss zu werden. Aufklärung? Vielleicht später.
       
       16 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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