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       # taz.de -- Förderung für Forschung: Wer zuviel gewinnt, verliert am Ende
       
       > Unis brauchen Drittmittelprojekte, der Bund trägt einen Teil der
       > notwendigen Extrakosten. Jetzt zickt die Bundesforschungsministerin
       > Wanka.
       
   IMG Bild: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert Forschung zur Überwachung von Demos und weitere 30.000 Projekte an Hochschulen
       
       BERLIN taz | Die jahrelange Vorbereitung hat sich für Peter Ullrich
       ausgezahlt: Seit Mai wird sein Forschungsprojekt zur Videoüberwachung von
       Demonstrationen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, gefördert.
       Das heißt Planungssicherheit für drei Jahre, ganz abgesehen von dem
       Renommee, das ein DFG-Projekt mit sich bringt.
       
       Die DFG, die Selbstorganisation der Wissenschaft, ist der wichtigste
       Drittmittelgeber und fördert nur Projekte, die von Wissenschaftlern
       begutachtet und als förderungswürdig ausgewählt wurden. Nur ein Drittel
       aller Bewerbungen ist erfolgreich. Aber die Sache hat für die Hochschulen
       auch einen Haken. Für jedes Forschungsprojekt, das zusätzlich eingeworben
       wird, fallen auch zusätzliche Kosten an: für Mieten, Energie, Personal oder
       teure Geräte.
       
       Die Hochschulen, die auf solche Drittmittelprojekte mittlerweile angewiesen
       sind, um Forschung zu betreiben, zahlen mit jeder erfolgreichen Einwerbung
       drauf. Die indirekten Kosten, die solch ein DFG-Projekt verursacht,
       belaufen sich durchschnittlich auf 41 Prozent der Fördersumme, können diese
       aber auch übersteigen. Das zeigt eine im Oktober veröffentlichte Studie der
       Unternehmensberatung Prognos AG zu den Auswirkungen solcher
       Projektpauschalen im Auftrag des Bundesforschungsministeriums. „Gerade die
       forschungsstarken Hochschulen siegen sich bei der Einwerbung von
       Drittmitteln besonders schnell 'zu Tode'“, meint der Präsident der
       Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler.
       
       ## Der Bund ziert sich die Extra-Kosten weiter allein zu zahlen
       
       Um solche Pyrrhus-Siege zu verhindern, hatten Bund und Länder 2007
       vereinbart, dass der Bund einen Teil der zusätzlichen Kosten für Projekte
       der DFG oder des Ministeriums bezahlt und ein Fünftel der Fördersumme
       obendrauf legt - als Overhead.
       
       Doch nun ziert sich der Bund, der bislang so freigiebig die
       Spitzenforschung förderte. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU)
       hat die Länder aufgefordert, sich am Overhead zu beteiligen. Sie verweist
       einerseits auf den Bundesrechnungshof, der im vergangen Jahr genau das
       angemahnt hatte. Andererseits sieht Wanka ihr Soll weitgehend erfüllt, da
       der Bund ab Januar den Länderanteil an der Ausbildungsförderung Bafög
       übernimmt.
       
       Doch statt nun wie vereinbart die jährlich gesparte Bafög-Milliarde in die
       unterfinanzierten Hochschulen zu stecken, setzen manche Länder andere
       Prioritäten. Niedersachsen hat das Geld im Haushalt eingeplant, um den
       Kindertagesstätten eine dritte ErzieherIn zu spendieren. Nicht nur Wanka
       ist darüber verärgert. „Die Länder können sich nicht einfach vom Acker
       machen, wenn es um die Hochschulen geht“, meint der CDU-Hochschulexperte
       Tankred Schipanski. Er hält es daher für richtig, dass sich die Länder am
       Overhead beteiligen. „Der Bund hat das jahrelang freiwillig finanziert. Wir
       sollten den Ländern aufzeigen, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen
       ihre Aufgabe ist“, sagte Schipanski der taz.
       
       ## Wanka stellt Bedingungen
       
       Um die Länder zur Einsicht zu bewegen, macht Wanka eine Beteiligung am
       Overhead zur Bedingung dafür, dass der Bund auch weiterhin zusätzliche
       Studienplätze mitfinanziert. Bund und Länder verhandeln derzeit über eine
       Fortsetzung des Hochschulpakts. Den hatten beide Seiten geschlossen, um
       genügend Plätze für die vielen Studienanfänger bereitzustellen, die derzeit
       in die Hochschulen drängen. 2015 läuft der Pakt aus, aber ein merklicher
       Rückgang der Erstsemester wird frühestens in zehn Jahren erwartet. Bis zum
       30. Oktober wollen sich die Paktpartner in der gemeinsamen
       Wissenschaftskonferenz geeinigt haben.
       
       Die Länder wollen Wankas Forderung noch nicht folgen. Zu Recht, meint der
       Hochschulexperte der Grünen, Kai Gehring. Die Studie im Auftrag des BMBF
       zeige ja, dass die Nebenkosten für Drittmittelprojekte deutlich höher seien
       als die Programmpauschale des Bundes. Die Differenz zahlten also die Länder
       über ihre Grundfinanzierung der Hochschulen. "Der Bund sollte die
       Programmpauschale weiter allein finanzieren und schrittweise auf bis zu 50
       Prozent erhöhen", fordert Gehring aus diesem Grund.
       
       Doch auch Wankas Ministerium argumentiert mit der Studie. „In einer
       Gesamtbetrachtung der letzten Jahre spiegelt sich der deutliche Anstieg der
       Drittmitteleinnahmen der Hochschulen nicht in gleichem Maße in einem
       Anstieg der Grundmittel wider, auch das geht aus der Prognos-Studie
       hervor“, heißt es in einer Antwort ihres Ministeriums auf taz-Anfrage. Und
       weiter: Die DFG-Projekte werden von Bund und Ländern gemeinsam finanziert,
       daher sollten auch die dadurch verursachten indirekten Kosten im Rahmen der
       Programmpauschale gemeinsam von Bund und Ländern getragen werden.
       
       Während Bund und Länder noch streiten, zittern die Rektoren. Der Streit von
       Bund und Ländern gefährdet die Hochschulforschung, warnte HRK-Präsident
       Hippler am Donnerstag. „Wenn die Programmpauschale tatsächlich wegfiele,
       wäre das der Todesstoß für viele wichtige Forschungsvorhaben.“
       
       Viele Hochschulen haben das Bundesgeld fest in ihren Haushalt eingeplant.
       Von den 36.000 Euro, die für Ullrichs Projekt als Overhead gezahlt werden,
       behält die TU die Hälfte ein, weitere 9.000 gehen an das Institut. Bleiben
       9.000 Euro, die der Forscher Ullrich selbst zur Verfügung hat. Einen
       zusätzlichen Mitarbeiter kann er davon nicht beschäftigen. „Ein paar
       Bücher, ein Laptop, eine Kamera zu Forschungszwecken und ein Monat
       Verlängerung für mich – und dann ist das Geld auch schon weg.“
       
       16 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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   DIR Hochschulfinanzierung
   DIR DFG
       
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