URI: 
       # taz.de -- Aktivist über Auflösung von ARAB: „Das linke Zirkelwesen überwinden“
       
       > Jonas Schiesser, Sprecher der Antifaschistischen Revolutionären Aktion
       > Berlin, über die Auflösung, politische Prozesse und einen neuen
       > Dachverband.
       
   IMG Bild: „Wir waren nie eine klassische Antifagruppe. Bei uns standen die sozialen Auseinandersetzungen im Mittelpunkt“, sagt Jonas Schiesser von ARAB.
       
       taz: Nach der Antifaschistische Linke Berlin (ALB) seid ihr jetzt schon die
       zweite größere linksradikale Gruppe, die sich zugunsten einer bundesweiten
       Organisierung auflöst. Warum das? 
       
       Jonas Schiesser: Wir lösen uns nicht auf, wir werden Teil der Neuen
       antikapitalistischen Organisation (NaO). Das ist ein Dachverband, in dem
       verschiedene linke Gruppen und Einzelpersonen gemeinsam an dem Aufbau einer
       neuen, gesellschaftlich relevanten Kraft arbeiten. Das heißt aber nicht,
       dass es uns nicht mehr gibt: Wir bestehen weiterhin als ARAB und werden
       vermutlich in einzelnen Fragen auch immer noch eigene Sachen herausbringen.
       
       In einzelnen Fragen? 
       
       Dann, wenn wir uns mit unseren Freunden und Freundinnen von der NaO mal
       nicht einig werden. Grundsätzlich wollen wir mit diesem Schritt unseren
       Beitrag zu einer breiten linken Opposition in diesem Land leisten. Und zwar
       links der Linkspartei. Wir denken, dass es dazu nötig ist, die
       subkulturellen Beschränkungen der autonomen Jugend-Antifabewegung zu
       überwinden. Außerdem muss das innerlinke Schubladendenken – Kommunisten
       gegen Anarchisten, Trotzkisten gegen Stalinisten – aufgebrochen werden.
       Diese unzähligen Spaltungen sind Ergebnisse der linken Niederlagen des
       20.Jahrhunderts. Um den politischen Herausforderungen unserer Zeit
       gewachsen zu sein, müssen wir das linke Zirkelwesen überwinden. Gemeinsam
       mit der NaO wollen wir das versuchen.
       
       Teile der ALB arbeiten jetzt innerhalb der Interventionistischen Linken
       (IL). Sind diese Fusionierungsprozesse eine allgemeine Tendenz innerhalb
       der linksradikalen Szene? 
       
       Auf jeden Fall. Innerhalb der Linken findet eine Neu- und Umgruppierung
       statt. Und die Tendenz geht klar in Richtung einer bundesweiten, breiten
       Organisierung. Das liegt auch daran, dass viele erkannt haben, dass die
       autonome Organisationsfeindlichkeit nicht mehr zeitgemäß ist. In der
       letzten Zeit haben sich verschiedenste bundesweite Zusammenhänge
       herausgebildet: die Interventionistische Linke, das antinationale „ums
       ganze“-Bündnis, der Zusammenschluss „perspektive kommunismus“ und eben die
       Neuen antikapitalistische Organisationen.
       
       Gibt es Unterschiede? 
       
       Was uns von den anderen Bündnissen unterscheidet, ist vielleicht, dass wir
       stärker auf eine Erneuerung des Marxismus und der Arbeiterbewegung setzen.
       Grundsätzliche sehen wir diese Umgruppierungsprozesse als Fortschritt an,
       auch wenn es noch ein weiter Weg ist, um die Zersplitterung und Ohnmacht
       der radikalen Linken zu überwinden.
       
       In einem Interview mit dem „Lower Class Magazin“ habt ihr kürzlich gesagt,
       das „Antifaschistische“ in eurem Namen käme nur daher, dass sich ARAB
       hübscher taggen lässt als RAB. Hat sich das Konzept der reinen
       Antifa-Gruppen überlebt? 
       
       So lange es faschistische Bedrohungen gibt, werden antifaschistische
       Bewegungen notwendig sein. Was sich überlebt hat, ist der revolutionäre
       Antifaschismus der 90er-Jahre. Dessen Konzept war, im Zuge der
       antifaschistischen Arbeit, also im direkten Kampf gegen Nazis, eine
       revolutionäre Bewegung aufzubauen. Die ARAB hat dieses Konzept eigentlich
       noch nie groß gefahren. Wir wurden ja erst 2007 gegründet. Uns haben nicht
       die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen Anfang der 90er Jahre und das
       Erstarken der Neonazis geprägt. Sondern die Hartz-IV-Debatte und die
       Banlieue-Aufstände in Paris 2005.
       
       Welche konzeptionelle Entsprechung fanden diese Gründungsimpulse? 
       
       Das Konzept der ARAB war eigentlich von Beginn an eher, mit den
       Aktionsformen und auch der Ästhetik der autonomen Antifa-Bewegung in
       soziale Konflikte wie die Montagsdemonstration gegen Hartz IV oder die
       Bildungsstreiks zu intervenieren. Insofern waren wir nie eine klassische
       Antifagruppe, sondern bei uns standen die sozialen Auseinandersetzungen von
       Anfang an im Mittelpunkt. Diesen Schwerpunkt wollen wir auch in Zukunft als
       NaO beibehalten. So wichtig Antifaschismus als Grundlage linker Politik
       auch ist, dem Erstarken faschistischer und rechtspopulistischer Bewegungen
       kann man nur wirksam etwas entgegensetzen, wenn man eine glaubwürdige
       Alternative zu dem herrschenden Elend anzubieten hat. Ohne eine breit
       aufgestellte gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus bleibt
       Antifaschismus nur Feuerwehr-Politik, die den gesellschaftlichen
       Brandherden ohnmächtig hinterherrennt, während Rechtspopulisten und
       Faschisten weiter zündeln.
       
       16 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Laura Meschede
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Antifa
   DIR Verfassungsschutz
   DIR Radikale Linke
   DIR Flüchtlinge
   DIR Tag der Arbeit, Tag der Proteste
   DIR Tag der Arbeit, Tag der Proteste
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neuorganisation der radikalen Linken: Alte Bekannte in neuem Gewand
       
       Nach Auflösung der Antifaschistischen Linken Berlin sahen viele das Ende
       der „Antifa“. Doch die Aktivisten machen weiter. Das sorgt für Unruhe.
       
   DIR Linksradikale Zusammenschlüsse: Kuscheln im Bündnis
       
       Die Antifaschistische Linke Berlin ist aufgelöst, manche Aktivisten sehen
       Potenziale in einer größeren Vernetzung. Welche Bündnisse gibt es?
       
   DIR Ticker 1. Mai: Laufen, rangeln, kehren
       
       So viele Menschen wie seit 20 Jahren nicht mehr waren in Berlin bei der
       Revolutionären 1. Mai-Demo. In Hamburg gab's ein bisschen Stress, aber
       alles löst sich friedlich auf.
       
   DIR +++ Ticker zum 1. Mai 2013 +++: Keine Lust auf Action
       
       Eine blockierte Nazidemo und eine die laufen durfte, zwei revolutionäre
       Mai-Demos ohne wirkliche Eskalation. Der 1. Mai 2013 war einer der
       friedlichsten seit Jahren.
       
   DIR Planung für 1. Mai in Berlin: „Ins Herz der Bestie“
       
       Der 1. Mai könnte hart werden: Erst marschiert die NPD, dann wollen die
       Autonomen ins Regierungsviertel ziehen – diesmal mit allen Mitteln.
       
   DIR +++ taz-Ticker zum 1. Mai +++: „Jetzt gehen wir ficken“
       
       Bis Redaktionsschluss war das wohl der friedlichste 1. Mai seit Jahren.
       Sowohl in Hamburg als auch in Berlin demonstrierten Tausende ohne große
       Zwischenfälle zum Tag der Arbeit.