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       # taz.de -- Wowereit-Nachfolge in Berlin: Die zwei Seiten der Kandidaten
       
       > Auch nach dem vierten SPD-Mitgliederforum ist man so schlau wie zu
       > Beginn. Schön, denn so bleibt’s spannend.
       
   IMG Bild: Kandidat Raed Saleh beim Mitgliederforum am Dienstagabend.
       
       Man kann diese Geschichte auf zwei Weisen erzählen. Eine geht so: Auf dem
       letzten von vier SPD-Mitgliederforen am Dienstagabend haben alle drei
       Kandidaten für die Nachfolge von Klaus Wowereit noch einmal versucht, ihr
       politisches Profil zu schärfen. Gemessen am Applaus am Ende der
       zweistündigen Veranstaltung dürfte es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen
       Landeschef Jan Stöß und Stadtentwicklungssenator Michael Müller kommen,
       Fraktionschef Raed Saleh erhielt etwas weniger Wertschätzung durch die rund
       300 Parteimitglieder in einem Saal in der Bayer-Zentrale im Wedding.
       
       Nur: Stimmt das?
       
       Eine andere Weise, vom Verlauf und Abschluss des einmonatigen
       SPD-Wahlkampfs um das höchste politische Amt in Berlin zu erzählen, handelt
       von den vielen Ungewissheiten, die bleiben – mindestens bis
       Samstagnachmittag, wenn die Stimmzettel ausgezählt sind.
       
       Tatsächlich war dieses letzte Duell noch mal ein besonderes, nicht nur,
       weil es in der Müllerstraße stattfand. Es war tatsächlich das 14. (!)
       Aufeinandertreffen der Kontrahenten seit Wahlkampfbeginn; neben den Foren
       für Mitglieder hatte es zahlreiche andere Auftritte, etwa vor den Jusos,
       gegeben. Und wie sie da so ihre Show abzogen, konnte man fast meinen, dass
       sich die drei, allen unvermeidlichen Wiederholungen zum Trotz, dabei fast
       ein bisschen lieb gewonnen haben. Die drei von der SPD.
       
       Gezeigt haben sie das nicht, vielmehr fetzten sie sich sogar richtig. Nach
       nicht ganz eineinhalb Stunden griff Stöß Müller scharf an, als Letzterer
       seine Zahlen zum stark gestiegenen Neubau von Wohnungen seit seinem
       Amtsantritt vortrug. „Das sind alles bloß teure Eigentumswohnungen“,
       polterte Stöß da los; letztlich würden diese das Misstrauen in die
       Baupolitik der SPD noch verstärken, wie die Niederlage beim
       Tempelhof-Volksentscheid belege. Nötig, so Stöß, sei – wie von ihm bereits
       gefordert – die staatliche Förderung von nicht nur 1.000 Wohnungen pro
       Jahr, sondern von 5.000.
       
       Wo er die dafür nötigen 1,5 Milliarden Euro hernehmen wolle, fragte Müller
       zurück und zeigte kurz seinen bulligen Gesichtsausdruck. Ihm hingegen liege
       es fern, unhaltbare Versprechungen zu machen. „Es fängt an, Spaß zu
       machen“, kommentierte Saleh diesen Höhepunkt des Abends, „etwas spät, aber
       immerhin.“ Und fügte hinzu: „Wenn die beiden um den Job des Bausenators
       streiten, kann ich damit leben.“ Später zeigten die drei von der SPD
       Einigkeit, etwa, als es um Kritik am Handelsabkommen TTIP ging oder am
       Koalitionspartner CDU.
       
       Nur sagen diese Szene nichts über den Ausgang des Wettstreits, schlicht,
       weil keiner weiß, wie die 17.000 SPD-Mitglieder ticken. Es gibt keine
       Umfragen unter ihnen. Ein Mitglied beim Forum meinte am Schluss, dass er
       genau wie zu Beginn nicht wüsste, ob er Stöß oder Saleh seine Stimme geben
       sollte. Letzteren finde er besser – aber sei die Stadt bereit, 2016 einen
       Kandidaten mit Migrationshintergrund zu wählen? Und eine Abstimmung im Saal
       zeigte, dass vier Fünftel bereits gewählt hatten. Warum waren sie dann
       gekommen?
       
       Auch die Journalisten sind ungewohnt ratlos, weil die Fakten fehlen. Nicht
       nur Berliner Zeitungen hangeln sich von einer These zur Gegenthese,
       schreiben mal den einen Kandidaten hoch, dann einen anderen. Wirklich sagen
       können sie nichts.
       
       Bis Freitag, 24 Uhr, müssen die Stimmzettel in der SPD-Zentrale eingegangen
       sein. Am Samstag, nach 15 Uhr, wird alles besser: Dann gibt es endlich ein
       Ergebnis, einen Fakt. Vielleicht steht sogar fest, wer neuer Regierender
       wird. Ansonsten kommt es zur Stichwahl.
       
       15 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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