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       # taz.de -- Inklusion im Beruf: Beinahe freie Wirtschaft
       
       > Bei Weserwork in der Überseestadt können Start-up-Unternehmen Büros
       > mieten – und Serviceleistungen von Menschen mit Behinderung.
       
   IMG Bild: Inklusion funktioniert auch im Beruf: Wie beim Bremer Start-up-Unternehmen Weserwork
       
       BREMEN taz | Tim Schröter hat eine Ausbildung zum Bürokaufmann
       abgeschlossen. Einen Job hat er damit nicht bekommen, denn Schröter ist
       hörgeschädigt. Eigentlich keine große Beeinträchtigung, wie er sagt, aber
       vielen Unternehmen reicht offenbar schon das Label seines Ausbilders im
       Lebenslauf: Berufsbildungswerk (BBW). Hier werden Menschen mit
       Behinderungen ausgebildet und für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht.
       
       Heute arbeitet Schröter bei „Weserwork“, einem Unternehmen in der
       Überseestadt: In einer der schicken Neubauten am Speicher – mit Blick aufs
       Wasser. Hier mieten sich Freiberufler ein, die statt zu Hause lieber in
       Gesellschaft arbeiten und mit anderen Start-up-Unternehmen Netzwerke
       knüpfen. Manche über mehrere Monate, andere nur für ein paar Tage.
       
       „Coworking“ nennt sich das Modell. Schröter und seine beiden KollegInnen
       sind hier das Serviceteam. Die drei Menschen mit Behinderungen arbeiten als
       SekretärInnen für die eingemieteten Unternehmer. Denn: Weserwork ist ein
       sogenannter Integrationsbetrieb.
       
       So heißen Unternehmen, in denen mehr als ein Viertel der Beschäftigten
       körperlich oder psychisch beeinträchtigt sind. Sie sollen als Schnittstelle
       zum ersten Arbeitsmarkt dienen. In Bremen gibt es derzeit gerade mal sieben
       entsprechende Unternehmen.
       
       Nach einer ersten Testphase hat Weserwork sein Geschäft in dieser Woche
       eröffnet. Schröter sagt, er sei froh, das junge Geschäftsmodell „mit
       aufbauen zu können“. Und seine Chefs freuen sich auch – und das nicht nur
       über die „soziale Komponente“ des Unternehmens, wie Betriebsleiter Jörn
       Hanisch sagt.
       
       Sondern auch über Fördermittel: 150.000 Euro vom Bremer Integrationsamt und
       250.000 von der Aktion Mensch. Als Starthilfe. Nach fünf Jahren soll das
       Unternehmen schwarze Zahlen schreiben.
       
       Gerd Meyer-Rockstedt ist Geschäftsführer des BBW und Gesellschafter bei
       Weserwork. Er sieht das Coworking-Projekt als Chance, die öffentliche
       Wahrnehmung zu beeinflussen, gerade in solchen Nischen mit geringem
       Konkurrenzdruck.
       
       Ein weiterer Vorteil sei, dass hier viele Start-up-Unternehmen vertreten
       sind. Wenn diese expandieren, nähmen sie gute Erfahrungen mit inklusiven
       Arbeitsverhältnissen mit – und vielleicht sogar den „einen oder anderen
       Mitarbeiter“, so Meyer-Rockstedt.
       
       Wenn er von Aufklärung spricht, geht es ihm aber nicht nur um die
       zukünftigen Chefs. Oft seien es Kollegen, die sich aus Angst vor Mehrarbeit
       quer stellten, wenn sie mit Beeinträchtigten zusammenarbeiten sollen, sagt
       Meyer-Rockstedt. Er verweist dagegen auf Gutachten, die belegen, dass
       Menschen mit Behinderung oft überdurchschnittlich motiviert seien und trotz
       ihrer Handicaps seltener krank gemeldet seien als andere.
       
       Und auch in den Arbeitsagenturen müsse Aufklärung geleistet werden. Viele
       MitarbeiterInnen der Jobcenter wüssten gar nichts von den
       Qualifikationsmaßnahmen der BBW. Und statt in der Berufs-Reha würden die
       Betroffenen dann viel zu oft im „Hartz-IV-System“ landen, etwa auf
       Ein-Euro-Jobs abgestellt.
       
       Integrationsfirmen wie Weserwork sind als Übergangsmodelle rechtlich nicht
       verpflichtet, Mindestlohn zu zahlen. Die Bremer Integrationsfirmen zahlen
       ihn trotzdem. „Andernfalls macht man sich unglaubwürdig“, sagt
       Weserwork-Geschäftsführer Bernhard Havermann.
       
       13 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan-Paul Koopmann
       
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