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       # taz.de -- Kommentar Brüssels Bosnien-Politik: Die EU versagt in ihrem Protektorat
       
       > Die Wähler in Bosnien sollen „positiven Schwung“ ins Land bringen,
       > fordert die EU – als hätte sie nichts mit der verkorksten Lage zu tun.
       
   IMG Bild: Positiver Schwung? Noch nicht einmal die Schäden von der Flutkatastrophe im Frühjahr sind behoben.
       
       Die Europäische Union hat die Wähler in Bosnien und Herzegowina
       aufgefordert, bei der Wahl an diesem Sonntag für „Versöhnung“ zu stimmen.
       „Positiven Schwung“ brauche das Land, um seinen Rückstand gegenüber den
       Nachbarstaaten wettzumachen und auf dem Weg in die EU voranzukommen.
       
       Tatsächlich ist Kroatien heute EU-Mitglied, Serbien immerhin Kandidat.
       Bosnien dagegen ist 18 Jahre nach dem Ende des Krieges weiter von Europa
       entfernt als je zuvor. „Die erforderlichen politischen und wirtschaftlichen
       Reformen kommen nicht voran“, heißt es dazu sowohl seitens der lokalen
       Eliten als auch der internationalen Organisationen im Land.
       
       Die bosnische Realität ist trist: Das Land leistet sich mehr politische
       Funktionsträger pro Einwohner als irgendein anderer Staat Europas – aber
       die Verwaltung ist korrupt und funktioniert bestenfalls rudimentär. Von
       Wirtschaft kann angesichts der fast vollständigen Deindustrialisierung
       nicht die Rede sein. 44 Prozent der Bosnier sind arbeitslos. Arbeit bieten
       neben der lokalen Bürokratie nur internationale Organisationen – allen
       voran die EU.
       
       Die ist nicht nur Haupthandelspartner Bosniens – 50 Prozent der wenigen
       Waren, die im Land gefertigt werden, gehen nach Europa; der Anteil der
       Importe ist noch höher. Auch die bosnische Politik wird in Brüssel
       bestimmt. Das Mandat des Hohen Repräsentanten der internationalen
       Gemeinschaft, eigentlich im Dayton-Friedensvertrag als Übergangsverwalter
       vorgesehen, wurde 2008 auf unbestimmte Zeit verlängert. Ohne den „Kaiser
       von Bosnien“ – seit 2006 der Österreicher Valentin Inzko, wie alle seine
       Vorgänger ein Europäer – geht in Bosnien gar nichts.
       
       Bosnien ist seit Jahren Protektorat der EU. Und die – nicht die bosnische
       Wählerschaft – ist verantwortlich, wenn dort nichts vorwärts geht.
       
       12 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rüdiger Rossig
       
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