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       # taz.de -- Asylbewerberleistungsgesetz: Mehr Taschengeld für Flüchtlinge
       
       > Die bisherigen Leistungen für Asylbewerber befand ein Richter für
       > verfassungswidrig niedrig. Nun soll alles besser werden – rein
       > theoretisch.
       
   IMG Bild: Von den Sachleistungen für Asylbewerber will die Bundesregierung auch in Zukunft nicht abweichen
       
       BERLIN taz | Mit etwa 225 Euro soll ein Asylbewerber, der außerhalb einer
       Unterkunft wohnt, pro Monat auskommen – so sieht es das
       Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) aus dem Jahr 1993 vor. 185 Euro für
       die Grundsicherung, meist als Sachleistung ausgehändigt, und 40 Euro
       Taschengeld. Im Gesetzestext sind die Beträge noch in D-Mark verzeichnet.
       Geändert wurde nicht nur die Währung nie, die Beträge wurden auch nicht an
       die steigenden Lebenserhaltungskosten angepasst.
       
       Erst 19 Jahre später, im Juli 2012, urteilte ein Richter aus Karlsruhe,
       dass die bisherige Hilfe für Asylbewerber verfassungswidrig niedrig sei und
       ordnete eine sofortige Anhebung der Sätze an. Die Menschenwürde sei
       migrationspolitisch nicht zu relativieren, hieß es [1][in dem Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts].
       
       Ein Fall von Diskriminierung, denn die Leistungen für Asylbewerber lagen
       bis zu 47 Prozent unter dem Hartz-IV-Niveau, das damals für Singles und
       Alleinerziehende etwa 374 Euro betrug. Zwar wird den Asylbewerbern seither
       durch eine Übergangsregelung mehr bezahlt – etwa 350 Euro pro Monat, aber
       eine gesetzliche Regelung kam unter der schwarz-gelben Bundesregierung
       nicht zustande.
       
       Im Juni diesen Jahres kündigte die Bundesregierung dann schließlich eine
       Neuregelung des AsylbLG an und nun fand [2][im Bundestag die erste Lesung]
       des Gesetzesentwurfes statt.
       
       ## Mehr Geld, weniger Bezugsdauer
       
       Zusammengefasst sollen die Leistungen aus dem Gesetz von 1993 auf eine
       durch die Einkommens- und Verbraucherstichprobe entsprechenden Betrag
       angehoben werden. Künftig sollen sie auch, wie bei Hartz IV, regelmäßig
       nach einem Mischindex angepasst werden. Auch die Bezugsdauer soll von 4
       Jahren auf 15 Monate verkürzt werden, was bedeutet, dass die Asylbewerber
       nach dieser Zeit bereits Anspruch auf eine gesetzliche Grundsicherung wie
       etwa Hartz IV haben.
       
       Asylbewerber mit einem humanitären Aufenthaltstitel sollen außerdem nach 18
       Monaten Anspruch auf eine gesetzliche Grundsicherung haben. Opfer von
       Menschenhandel und Schwarzarbeit sollen komplett aus dem Personenkreis des
       AsylbLG genommen werden, heißt es in der Lesung, stattdessen bekommen sie
       eine gesetzliche Grundsicherung. CDU/CSU und SPD zeigen sich in ihrer
       Redezeit zufrieden mit der neuen Fassung.
       
       Die Opposition sieht für Lorbeeren aber keinen Grund. Zu lange habe die
       Bundesregierung auf sich warten lassen. Ulla Jelpke (Linke) fordert gleich
       zu Beginn ihrer Rede, dass sich die Verantwortlichen bei den Betroffenen
       entschuldigen, immerhin hätten sie 20 Jahre deren Grundrecht missachtet,
       wie das Urteil aus Karlsruhe bestätigt habe.
       
       ## Zu wenig, zu spät
       
       Der Gesetzesentwurf kann die Opposition kaum zufriedenstellen, denn wenn es
       nach Linke und Grünen geht, soll das AsylbLG ganz abgeschafft werden. Alles
       andere sei Luise Amtsberg (Grüne) zufolge Diskriminierung, denn „es gibt
       nur ein Existenzminimum“ für Hilfsbedürftige, betont sie. Auch dass in dem
       Entwurf an der Vergabe von Sachleistungen festgehalten wird, kritisiert
       sie, denn das würde die Selbstbestimmung erwachsener Menschen verletzen.
       
       Die Asylbewerber wären im gesetzlichen Sozialsystem besser aufgehoben, sagt
       sie. Die Sonderbehandlung wäre nur ein Vorwand um Menschen von einer
       Einreise abzuschrecken. Jutta Eckenbach (CDU) hält die herkömmlichen
       Leistungssysteme hingegen für zu starr. Es sei angemessen, Menschen, die
       aus einem fremden Land kommen, nach ihren Bedürfnissen zu unterstützen.
       
       Über den Sinn von Sachleistungen lässt sich wohl streiten, was den Grünen
       aber ein viel größerer Dorn im Auge ist, ist die medizinische Versorgung
       der Betroffenen. Der neue Gesetzesentwurf sieht einen
       „Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers“ vor. Dieser soll sicherstellen,
       dass Ärzte die Erstattung ihrer Behandlungskosten unmittelbar vom
       Leistungsträger verlangen können, „wenn sie in medizinischen Eilfällen
       Nothilfe an Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG“ leisten. So soll
       Fällen, in denen Asylbewerbern medizinische Versorgung verweigert wird,
       vorgebeugt werden.
       
       Für die Grünen erfüllt der neue Gesetzesentwurf das Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts nicht. „Eine normale medizinische Versorgung
       fällt nach wie vor aus, hier findet also weiterhin Ungleichbehandlung
       statt“, sagt Amtsberg. Asylbewerber könnten weiterhin nur in
       Schmerzzuständen einen Arzt aufsuchen. Sie seien damit Leistungsbeziehern,
       die über eine gesetzliche Krankenversicherung verfügen, gegenüber
       schlechter gestellt. Auch in der möglichen Kürzung der Leistungen für
       Asylwerber, bei Vermutung auf Missbrauch oder Selbstverschulden, sehen die
       Grünen einen eklatanten Verstoß gegen das Urteil aus Karslruhe.
       
       10 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-056.html
   DIR [2] http://www.bundestag.de/mediathek/?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&ids=3966165&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&destination=search&mask=search
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Saskia Hödl
       
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