URI: 
       # taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis: Nicht falsch, aber auch nicht wichtig
       
       > Der Literaturnobelpreis für Modiano trifft nicht den Falschen, setzt aber
       > auch keine Maßstäbe. Die Akademie hätte deutlichere Zeichen setzen
       > können.
       
   IMG Bild: Nicht einmal die Buchmacher hatten auf ihn gesetzt: Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano
       
       Sie sind auch eigenwillige Schelme, die Mitglieder der Schwedischen
       Akademie, die über den Literaturnobelpreis entscheiden. Und sie halten
       total dicht. Auf Patrick Modiano als Preisträger ist vorher niemand
       gekommen, weder die Experten noch die Buchmacher, die mit ihren Wettquoten
       immer als Auguren herhalten müssen – und, wie jetzt, oft genug daneben
       liegen. Der Literaturnobelpreis für den 69-jährigen Franzosen ist ein Coup,
       eine totale Überraschung. Aber was bedeutet sie? Wenig.
       
       Die Namen, die vor der Entscheidung als Favoriten gehandelt werden, stehen
       immer auch für Erwartungshaltungen an Literatur allgemein. Zuletzt war der
       Autor Ngugi wa Thiong’o als heißer Favorit gehandelt worden, das hätte auch
       Anerkennung für die kenianische Literatur und darüber hinaus für
       postkoloniale Kulturen bedeutet. Eine weitere Favoritin war die ukrainische
       Dokumentarschriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, das wäre in der
       gegenwärtigen Weltlage ein hochpolitischer Preis gewesen.
       
       Ein Literaturnobelpreis für Bob Dylan, immer hoch gehandelt, hätte einen
       hochkulturellen Segen für die Massenkultur der Babyboomer bedeutet. Und mit
       einem Nobelpreis für Péter Nádas hätte man hochliterarische Maßstäbe und im
       reaktionären Ungarn des Viktor Orbán zugleich solidarisch ein Zeichen
       setzen können. Alles Möglichkeiten, die nun nicht genutzt wurden.
       
       Die schwedische Akademie hat im Grunde eine Liebhaberentscheidung
       getroffen, die keinen Falschen trifft, aber auch keine Maßstäbe setzt.
       Hängen wir sie nicht höher, als sie es verdient: Der Nobelpreis für Patrick
       Modiano ist nicht weniger und nicht mehr als eine überdimensionierte
       Anregung, die Romane dieses Autors zu lesen. Das kann, wie im vergangenen
       Jahr bei Alice Munro, gut klappen; die Erzählbände der Kanadierin wurden
       auf der Stelle zu Bestsellern. Auch Patrick Modiano hat das Zeug zu einem
       populären Autor – wenn auch nicht zu gar so viel Verehrung wie Alice Munro.
       
       Liebhaberentscheidungen sind ja auch in Ordnung, aber ein Ungenügen bleibt.
       Der Literaturnobelpreis könnte deutlichere Zeichen setzen.
       
       Wenn schon Überraschung und wenn schon Frankreich, warum dann nicht zum
       Beispiel Michel Houellebecq? Mon Dieu, hätte das zu Debatten und
       Kontroversen geführt! Bei Patrick Modiano führt der Preis wohl nur zu
       Bewegung auf den Bestsellerlisten.
       
       9 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dirk Knipphals
       
       ## TAGS
       
   DIR Literatur
   DIR Nobelpreis für Literatur
   DIR Patrick Modiano
   DIR Swetlana Alexijewitsch
   DIR Patrick Modiano
   DIR Nobelpreis
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Autorin Swetlana Alexijewitsch: Literaturnobelpreis für Weißrussin
       
       Seit Jahren gehörte sie zu den Favoriten. Nun erhält die Weißrussin
       Swetlana Alexijewitsch den wichtigsten Literaturpreis der Welt.
       
   DIR Neuer Roman von Patrick Modiano: Schattenfiguren mit Schuldgefühlen
       
       Der Nobelpreisträger Patrick Modiano macht in seinem neuen Roman der
       nostalgischen Figur des teilnahmslosen Beobachters den Prozess.
       
   DIR Reaktionen auf Literaturnobelpreis: In flagranti als Nichtleser ertappt
       
       Selbst in seinem Heimatland ist die Auszeichnung von Patrick Modiano eine
       Überraschung. Die meisten kannten bisher nur seinen Namen.
       
   DIR Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano: Bücher, die sich von allein erzählen
       
       Patrick Modiano distanziert sich nicht von seinen Erzählern. Dadurch
       gewinnen die Texte des Literaturnobelpreisträgers eine verletzliche
       Leichtigkeit.
       
   DIR Literatur-Nobelpreis für Patrick Modiano: Ganz besondere „Erinnerungskunst“
       
       Der Nobelpreis für Literatur geht an den französischen Schriftsteller
       Patrick Modiano. Sein Werk beschäftigt sich vor allem mit dem Zweiten
       Weltkrieg.