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       # taz.de -- Die Wahrheit: Schwitzen ohne Schwulitäten
       
       > Neues aus Neuseeland: In Aotearoa stößt der zutiefst finnische Saunagang
       > immer noch auf Misstrauen der prüdesten Sorte.
       
       Kiwis und Finnen? Hmmm. Da muss ich tief wühlen, um auf Gemeinsames zu
       stoßen, was über „viele Bäume, wenig Menschen“ hinausgeht. Tief, genau!
       Also Alkohol. Kennt man ja von Kaurismäki. „42 Below“ heißt unser ureigener
       Wodka, benannt nach dem 42. südlichen Breitengrad, denn produziert wird der
       Schnaps nahe Wellington. Promillegehalt: 42 Prozent.
       
       Dieser Klare ist längst weltweit berühmt und wird in Clubs in New York
       ausgeschenkt, denn er kommt in so exotischen Geschmacksrichtungen wie
       Fejoia, Kiwi, Manuka-Honig und Passionsfrucht daher. Den Fejoia-Fusel habe
       ich mal Kölner Freunden als Mitbringsel mitgebracht. Sie haben ihn fast
       ausgespuckt. So viel dazu. Also weiter grübeln.
       
       Wir haben die Maori, die Finnen haben die Samen oder Lappen. Angeblich sind
       die Maori den Samen weltweit am ähnlichsten, was ihren Einklang mit Natur
       wie westlicher Zivilisation angeht: Nicht brutal ausgerottet wie andere
       Urvölker, kulturell emanzipiert, fast vorbildlich indigen wie integriert.
       Tja. Thema erschöpft. Und schon sind wir beim ersten und letzten Stichwort,
       das einem in Neuseeland noch zum großen, schweigsamen, trinkfesten Bruder
       im hohen Norden einfällt: der Sauna. An der mangelt es nämlich in meinen
       Breitengraden gewaltig.
       
       Die beiden einzigen Saunen, die ich in elf Jahren Exil in Neuseeland privat
       besuchen durfte, waren in Häusern von deutschen Einwanderern. Ich verstand
       sie als ein trotziges Mahnmal für den Beibehalt der eigenen, von der Umwelt
       oft als fragwürdig empfundenen Herkunft: „Schaut, so sind wir – wir lassen
       uns das Schwitzen trotz Assimilation nicht einfach austreiben!“ Denn Kiwis
       verbinden mit dem Wort Sauna vor allem eines: vor anderen ungeniert nackt
       sein. Und dieser Zustand steht in einem prüden, britisch geprägten Land
       wiederum für alles Mögliche, aber nicht unbedingt für Gesundheitspflege.
       
       Während unsereins an Bottiche mit Eiswasser, Fichtennadel-Aufgüsse und
       Birkenreiser denkt, assoziiert der gemeine Kiwi eher andere Sachen, die den
       Blutdruck beschleunigen. Nackt schwitzend auf einer Holzbank neben Fremden
       oder Freunden zu sitzen, unterscheidet sich auf der antipodischen
       Schlüpfrigkeitsskala vom Besuch im Swingerklub nur graduell.
       
       Und wer „Sauna“ in Neuseeland googelt, stößt in den meisten Städten vor
       allem auf Adressen von Schwulensaunen. Eine davon, in Auckland, wurde
       letztes Jahr von einer durchgeknallten Fanatikerin mit Farbbeuteln
       attackiert. Was dem Betreiber den gequälten Kommentar entlockte, sie hätte
       statt des langweilen Weiß doch lieber fluoreszierendes Grün nehmen können.
       
       Seit ein paar Jahren besuche ich über Silvester stets ein Hippie-Festival,
       wo eine riesige halbseitige Tonne als Buschsauna dient, dunkel und urig wie
       eine Hobbit-Höhle. Und selbst dort, wo sich die Unkonventionellen beim
       Trommeltanz und Tantra-Yoga austoben, sah ich einige nur in Badehose in der
       Sauna. Bis eines Tages ein Finne einen Workshop über Saunakultur abhielt.
       Seitdem geht’s auch textilfrei. So schließt sich der Kreis und öffnen sich
       endlich die Poren.
       
       9 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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